Frage an Monika Grütters von André K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Grütters,
derzeit verhandelt ihr Amtschef Herr Günter Winands mit der Familie Hohenzollern. Wie stehen diese Verhandlungen und wie sehen Sie persönlich den Anspruch der Familie Hohenzollern auf die enteigneten Immobilien und Wertgegenstände? Halten Sie es für zeitgemäß ernsthafte Verhandlungen darüber zu führen und wie glauben Sie würden sich bei positiver Entscheidung im Sinne der Familie Hohenzollern auf weitere Ansprüche dritter gegen die Bundesrepublik auswirken?
Gibt es Bestrebungen den Völkermord an den Herero ebenso zu kompensieren und wenn ja, würde hier die Familie Hohenzollern als Verursacher in Anspruch genommen werden?
Mit freundlichen Grüßen,
André Kirberg
Sehr geehrter Herr Kirberg,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Gespräche der öffentlichen Hand mit dem Haus Hohenzollern haben das Ziel, eine dauerhafte Gesamtlösung für Kunst- und Sammlungsgegenstände herbeizuführen, deren Eigentumsverhältnisse von den Gesprächspartnern unterschiedlich bewertet werden. Die Verhandlungen werden seit 2014 durch den Bund und die Länder Berlin und Brandenburg als Träger der drei betroffenen Kultureinrichtungen (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Deutsches Historisches Museum) in Abstimmung mit deren Leitungen geführt. Die Beteiligten der öffentlichen Hand haben sich seit Beginn der Verhandlungen davon leiten lassen, jahrelange Rechtsstreitigkeiten über mehrere Instanzen möglichst zu vermeiden. Vor allem geht es aber darum, Schäden und Verluste für die Sammlungen der Kultureinrichtungen abzuwenden.
Hintergrund ist ein Gesetz über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Staat Preußen und dem Haus Hohenzollern aus dem Jahr 1926. In den Gesprächen geht es um rechtliche Unklarheiten in den damaligen Regelungen, aber auch um Rechtspositionen, die sich durch die nachfolgenden historischen Ereignisse, insbesondere durch Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht und der Regierung der DDR verändert haben.
Das Haus Hohenzollern hat nach der deutschen Wiedervereinigung Rückgabeansprüche nach dem sog. Ausgleichsleistungsgesetz geltend gemacht. Das Gesetz von 1994 sieht staatliche Ausgleichsleistungen vor „für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“. Die Gespräche haben u. a. diejenigen beweglichen Gegenstände zum Inhalt, für die das Haus Hohenzollern in den Ländern Berlin und Brandenburg Rückgabeanträge gestellt hat. Es handelt sich um Gegenstände, die sich heute vor allem bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und beim Deutschen Historischen Museum befinden, darunter Gegenstände und Gemälde von erheblichem Wert und historischer Bedeutung.
Immobilien, die dem Haus Hohenzollern entzogen wurden und für die es Anträge auf Entschädigungszahlungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz gestellt hat, sind nicht Gegenstand der Verhandlungen. Zu diesem Bestand ist allerdings am Verwaltungsgericht Potsdam seit November 2015 ein Klageverfahren anhängig, nachdem das zuständige Finanzministerium des Landes Brandenburg Ansprüche des Hauses Hohenzollern auf Entschädigungszahlungen abgelehnt hatte, da nach Ansicht des Finanzministeriums die Handlungen des Kronprinzen Wilhelm in der NS-Zeit dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet habe und dies einen Ausschluss auf Gewährung von Ausgleichsleistungen begründe. Für dieses verwaltungsgerichtliche Klageverfahren zu den Immobilien wurden von den beiden Verfahrensbeteiligten insgesamt vier historische Gutachten zur Rolle des Kronprinzen in der NS-Zeit in Auftrag gegeben. Die Rolle des Kronprinzen wird in den Gutachten unterschiedlich bewertet, weshalb auch die Frage des „erheblichen“ Vorschubleistens unter den Historikern umstritten ist.
Mit dem angestrebten Vergleich sollen gerichtliche Verfahren vermieden und eine tragfähige Grundlage für die weitere Zusammenarbeit zwischen dem Haus Hohenzollern und den betroffenen Einrichtungen gelegt werden. Bei einer gerichtlichen Entscheidung bestünde die Möglichkeit, dass die Entscheidung zugunsten des Hauses Hohenzollern ausfällt und daraufhin in erheblichem Umfang Objekte aus den Sammlungen der Kultureinrichtungen abgezogen werden. Denn die Rechtslage ist nicht eindeutig; sowohl die Rückgabeansprüche als solche als auch die Frage, ob die Hohenzollern dem NS-System „erheblichen“ Vorschub geleistet haben, sind umstritten. Zudem ist nicht abschließend geklärt, für welche Kunst- und Sammlungsbestände das Ausgleichsleistungsgesetz gilt und somit die Frage des „erheblichen“ Vorschubleistens von Bedeutung ist.
Es obliegt in diesem Zusammenhang weder dem Deutschen Bundestag noch der Bundesregierung, über die Forderungen der Hohenzollern zu entscheiden, wenn es nicht zu einer gütlichen Einigung kommt. Nach dem Rechtstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) ist diese Frage von den zuständigen Landesbehörden in Berlin und Brandenburg und gegebenenfalls den Gerichten zu entscheiden.
In einem ersten, sehr aufwändigen Schritt ging es zunächst darum, nach einer Reihe von Vorortprüfungen genau zu erfassen, über welche Objekte überhaupt verhandelt werden muss. Insgesamt geht es bei den drei Einrichtungen allerdings trotz der durchaus beachtlichen Zahl der geforderten Objekte letztlich um weniger als 0,1 Prozent des Sammlungsbestandes. Zurzeit liegen die Verhandlungspositionen immer noch sehr weit auseinander. Ein Termin für die Fortsetzung der Verhandlungen ist noch nicht bestimmt. Seitens der öffentlichen Hand gibt es noch Abstimmungsbedarf über die weiteren Schritte.
Eine mögliche Gesamtlösung müsste bei einer Einigung sowohl von den Aufsichtsgremien der betroffenen Einrichtungen wie auch den Finanzministerien des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg genehmigt werden. Außerdem werden angesichts der Bedeutung dieser Angelegenheit die Parlamente des Bundes und der beiden Länder einzubeziehen sein.
Mit freundlichen Grüßen