Frage an Monika Grütters von Katja R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Grütters,
mit Interesse habe ich Ihre Aussagen zu ICSID gelesen und bin mehr als erstaunt über die Argumentation. Die Gegner behaupten an keiner Stelle, das diese Verfahren erst mit TTIP entstanden sind. Quelle: http://blog.campact.de/2014/11/ttip-bittere-rechnung-fuer-den-rechtsstaat/ CETA ist fertig ausgehandelt, jede Änderung in TTIP würde wohl ins Leere laufen, dann gibt es eben Briefkastenfirmen in Kanada, die sich nicht an neue Regelungen halten müßen. Das der Kommisar aber erst darauf hin gewiesen werden muss, das er solche Veränderungen vornehmen soll, das spricht Bände über das Demokratieverständniss der EU Kommisare.
Sind Sie sich eingentlich der Wirkung dieser Gerichte bewusst? Das Gut, für das ein extra Gericht mit einseitigem Klagerecht vorgesehen werden soll, sind nicht etwa die Menschenrechte oder der Umweltschutz oder die Nachhaltigkeit, nein, es sind die Profite der Konzerne! Ist das die Politik, für die die CDU stehen will? Dieses Zeichen kommt jedenfalls bei mir an.
Kunst und Kultur sind für Sie besonders wichtig, das kann ich nachvollziehen. Aber haben andere Bereiche nicht eine ebenso grosse Bedeutung für die Menschen? Die kommunale Daseinsvorsorge ist z.B. nicht von dem Liberalisierungsgebot ausgenommen und der Hammer ist für mich, das eine einmal privatisierte Unternehmung nie wieder rekommunalisiert werden darf, das steht so in CETA. Quelle: http://blog.campact.de/wp-content/uploads/2015/01/Campact_TTIPCETA_Hamburg.pdf auf Seite 18 Das verstehen also die Kommisare unter fairem Wettbewerb? Mit jedem privaten gerne, aber nicht mit Kommunen? Auch das Verbot spricht Bände, denn das bedeutet für mich, das die Verhandler wissen, das es für die Bürger weder besser noch billiger wird. Wenn es denn erfolgreich wäre, würde es ja niemand, der bei Sinnen ist, zurück nehmen wollen. Warum will die CDU da mitmachen?
Ich hoffe auf eine erhellende Antwort auf meine Fragen.
Mit freundlichen Grüssen
Katja Rauschenberg
Sehr geehrte Frau Rauschenberg,
vielen Dank für Ihre Frage vom 14. April 2015. Die Klarstellung, dass der Investitionsschutz keine Neuerung der geplanten Freihandelsabkommen ist, war aus meiner Sicht deswegen wichtig, weil aus der Fragestellung von Herrn Klemm nicht eindeutig hervorging, dass ihm die lange bestehende Praxis im Rahmen des ICSID bekannt war. Mir ist bewusst, dass nicht alle kritischen Akteure die Verhandlungen zu TTIP und CETA mit stark verkürzter Kampagnenrhetorik begleiten. In meiner Antwort an Herrn Klemm schreibe ich deshalb auch, dass „einige Akteure“ den Eindruck erwecken, dass ein internationaler Investitionsschutz erst durch TTIP oder CETA wirklich wirksam würde.
Ihren Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Auswirkungen von TTIP oder CETA kann ich nicht in Gänze folgen. Ihr Beispiel, dass etwa eine Briefkastenfirma in Kanada genutzt werden könnte, um eventuell strengere Regelungen im TTIP-Abkommen gegenüber CETA auszunutzen, erscheint mir angesichts der Faktenlage nicht überzeugend zu sein. Denn Briefkastenfirmen und Mantelgesellschaften sind vom Investitionsschutz, wie er aktuell in CETA geregelt ist, explizit ausgeschlossen, wie die Europäische Kommission bereits klargestellt hat: „Mantelgesellschaften oder Briefkastenfirmen werden im CETA nicht geschützt. Um als Investor zu gelten, müssen im Gebiet einer der Vertragsparteien tatsächlich Geschäftstätigkeiten ausgeübt werden. Schutz wird auch nur gewährt, wenn ein Investor bereits Mittel in erheblichem Umfang im Gastland gebunden hat, und nicht, wenn er dies lediglich plant.“
( http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_151959.pdf )
Richtig ist jedoch, dass die europäischen Erfahrungen mit bisherigen Investitionsschutzregelungen in neuen Abkommen berücksichtigt werden müssen. Das habe ich in meiner Antwort an Herrn Klemm bereits betont. Diese klare Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird auch von der Bundesregierung geteilt und ist entsprechend gegenüber der EU-Kommission in Brüssel kommuniziert worden. Ein Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts hat sich nun mit den Auswirkungen des Investitionsschutzes, wie er im Rahmen des CETA geplant ist, näher beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass der durch CETA gewährte Schutz ausländischer Investoren nicht über die bestehenden Garantien des Grundgesetzes hinausgeht:
„Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers wird durch CETA im Vergleich zum existierenden Verfassungs‐ und Unionsrecht allerdings kaum zusätzlichen materiell‐rechtlichen Bindungen unterworfen. Einzig der Anspruch auf Inländergleichbehandlung und Meistbegünstigung führt, soweit keine der zahlreichen Ausnahmen einschlägig ist, zu einer substantiellen Aufwertung der Rechte von kanadischen Investoren. Ihnen wird durch CETA ein Status eingeräumt, der dem Schutz inländischer Investoren aus den Grundrechten bzw. dem Schutz von EU‐ Investoren aus den unionsrechtlichen Grundfreiheiten und Grundrechten bei Marktzugang und Bestandsschutz entspricht.“ ( http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/C-D/ceta-gutachten-investitionsschutz,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf )
Mit anderen Worten: Das deutsche Verfassungsrecht bietet für ausländische Investoren bereits heute ein Schutzniveau gegen staatliche Maßnahmen, wie es bei CETA erst geplant ist. Der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) wird durch CETA nicht tangiert. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es für uns zentral, dass dieser Grundsatz auch im Falle des TTIP berücksichtigt wird: Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, dürfen nicht unterwandert werden.
Hinsichtlich des Schutzes der öffentlichen Daseinsvorsorge und Fragen der Rekommunalisierung ist – soweit mir bekannt ist – im Rahmen der Verhandlungen zum CETA-Abkommen auch durchgesetzt worden, dass die Partner nicht zur Liberalisierung oder Privatisierung der Wasserversorgung oder anderer öffentlicher Dienstleistungen, zum Beispiel des öffentlichen Gesundheitswesens, des öffentlichen Verkehrswesens oder des Bildungswesens verpflichtet werden können. Selbst in Bereichen, in denen öffentliche Versorgung privatisiert wird, behält die EU das Recht, bestimmte Sektoren von allen Liberalisierungsverpflichtungen auszunehmen. Auch für das Freihandelsabkommen mit den USA soll es nach Informationen des Bundeswirtschaftsministeriums explizit keinen Rekommunalisierungsausschluss geben ( http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-schutz-der-daseinsvorsorge,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf ).
Sehr geehrte Frau Rautenberg, ich hoffe, dass die von mir dargelegten Punkte und Quellen Ihr Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung und der Europäischen Kommission stärken können. Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben in den vergangenen Jahrzehnten viel investiert, um die hohen europäischen Standards erst zu etablieren. Allein deshalb ist der Verdacht, dass die gleichen Akteure diese Errungenschaften nun leichtfertig opfern würden, für mich nicht naheliegend. Diesem Zusammenhang galt auch mein Hinweis auf die kulturellen Aspekte des Abkommens. Als politisch Verantwortliche für diese Fragen ist es mir wichtig, dass wir die Bedeutung von Kunst und Kultur anerkennen und bewährte politische Strukturen erhalten. Ich bin mir sicher, dass auch meine Kolleginnen und Kollegen in den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages für ihr jeweiliges Fachgebiet ähnlich denken und handeln.
Wer in der Politik tätig ist, weiß aber auch, dass Neuerungen immer die Gefahr bergen, ungewünschte Nebeneffekte auszulösen. Gerade für diese Fälle gilt, dass Politiker nicht den Anspruch erheben - und auch nicht den Eindruck erwecken sollten, dass sie allwissend sind. Nicht immer ist es der Politik möglich, die Auswirkungen allgemeiner Regelungen für jeden Spezialfall einer spezifischen Branche oder eines gesellschaftlichen Subsystems zu antizipieren.
Es ist daher richtig, dass sich Fachleute und auch Vertreter von Interessengruppen (zu denen auch der von Ihnen zitierte Verein Campact gehört) mit Anregungen, Sorgen und auch Kritik zu Wort melden. Auf diese engagierte Mitarbeit von Interessengruppen aus allen gesellschaftlichen Bereichen ist die Politik angewiesen. Das macht den integrierenden Charakter einer Demokratie aus. In den Verhandlungen zum TTIP hat die Europäische Kommission so zum Beispiel zu Fragen der Ausgestaltung des Investitionsschutzes auch Konsultationen mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen vorgesehen, um sicherzustellen, dass alle Perspektiven in die Willensbildung miteinbezogen werden können.
Mit freundlichen Grüßen,
Monika Grütters