Frage an Monika Grütters von Richard K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Grütters,
sie haben gegen den Antrag "(18/1458)"[Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA].
Spätestens mit http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-04/private-schiedsgerichte-verfahren-ttip-deutschland-europa-aerger rückt die Kritik dass Schiedsgerichte die Demokratie untergraben/außer Gefecht setzen von der Theorie in die Praxis.
1. Wie bewerten Sie in der Retrospektive ihre Entscheidung?
2. Wie planen Sie aktiv zu werden um die Unterwanderung unserer demokratischen Grundprinzipien zu verhindern?
Mit freundlichen Grüßen,
Richard Klemm
Sehr geehrter Herr Klemm,
vielen Dank für Ihre Frage vom 07. April 2015, über die ich mich freue. Der von Ihnen beigefügte Link verweist auf ein Verfahren, das vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) geführt wurde. Diese zur Weltbank gehörende Institution wurde bereits 1965 gegründet. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den Gründungsmitgliedern. Als internationale Instanz zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen privaten Marktteilnehmern und Staaten ist diese Institution mit Schlichtungskompetenz also bereits seit 50 Jahren und nicht erst etwa seit kurzem „in der Praxis“ etabliert. In dieser Zeit sind 514 Anträge für ein Schiedsverfahren gestellt worden. Davon richteten sich „nur“ zwei Verfahren gegen Deutschland. Im Gegenzug haben sich deutsche Unternehmen in 30 Fällen an das ICSID gewandt, um einen Schiedsspruch herbeizuführen. Die Schiedssprüche sind öffentlich zugänglich, sofern beide Parteien der Veröffentlichung zustimmen. Die Zustimmung dazu erfolgt in der Regel.
Ich denke, es ist sinnvoll, sich die Geschichte, Arbeitsweise und die Bilanz des ICSID vor Augen zu führen, da einige Akteure wider besseres Wissen so tun, als würde ein Investitionsschutz für private Investoren erst mit TTIP etabliert. Das ist gerade nicht der Fall. Die Verhandlungen zu TTIP beziehen die bereits bestehenden Regelungen ein. Hier gilt es aus meiner Sicht sicherzustellen, dass die europäischen Erfahrungen mit dem Investitionsschutz im Rahmen des ICSID in die Verhandlungen mit den USA eingebracht werden. Karel De Gucht, der als EU-Kommissar für diesen Teilbereich zuständig war, hat das zugesagt und deutlich gemacht, dass die Europäische Kommission in den Verhandlungen großen Wert darauf legen wird, dass ein rechtsstaatlich einwandfreies Handeln von Regierungen nicht durch Schiedsverfahren ausgehebelt werden kann. Außerdem will er die Transparenz der Verfahren weiter ausbauen. Die Stellungnahme des Kommissars zeigt, dass innerhalb der EU-Kommission eine Sensibilität vorhanden ist, die teilweise unterschiedlichen juristischen Traditionen Europas und der USA in den Verhandlungen zu berücksichtigen. Diese Klarstellung ist richtig und notwendig gewesen, und ich gehe davon aus, dass sich die oben angesprochenen Punkte daher auch in den Vereinbarungen mit den USA wiederfinden werden.
Das Freihandelsabkommen wird vor allem dann erfolgreich sein, wenn es die großen Übereinstimmungen auf beiden Seiten des Atlantiks stärkt, ohne die jeweiligen Traditionen und spezifischen Stärken beider Partner zu negieren. Das gilt auch für den Themenbereich der Kultur, der mir als Staatsministerin für Kultur und Medien besonders wichtig ist.
Kunst und Kultur konstituieren maßgeblich nationale Identität. In ihrem kulturellen Erbe, aber auch in der zeitgenössischen Kunst versichert sich eine Nation ihrer selbst und setzt sich mit den ihr eigenen Werten und Traditionen auch kritisch auseinander. Aus diesem Grund sind Kunst und Kultur besonders schützenswert, und deshalb stehe ich möglichen neuen Liberalisierungsverpflichtungen der Kultur auch im Freihandelsabkommen mit den USA kritisch gegenüber. Schließlich ist auch die Entscheidung darüber, ob und wie Kunst und Kultur staatlich gefördert werden, nicht losgelöst von ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Auftrag zu betrachten. Vielleicht interessiert Sie hierzu eine meiner Pressemitteilungen: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2014/02/2014-02-06-bkm-freihandelsabekommen.html?nn=402600 .
Deutschland ist nicht ohne Grund 2005 dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz der kulturellen Vielfalt beigetreten. Das war unser Bekenntnis zur besonderen Schutzbedürftigkeit des Kultur- und Medienbereichs. In den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA muss das erneut zum Ausdruck kommen und dafür werde ich mich auch zukünftig entschlossen einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Monika Grütters