Frage an Michail Nelken von Katharina S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Dr. Nelken,
in der letzten Wahlperiode haben viele Studenten gehofft, mit einer Regierungsbeteiligung der PDS werde sich die Studiensituation in Berlin entspannen, wenn nicht gar verbessern, da man sich in der PDS immer deutlich gegen Studiengebühren und für eine verbesserte Bildung ausgesprochen hatte. In den Diskussionen der letzten Jahre um Studiengebühren und bessere Studienbedingungen hat sich die PDS in Berlin allerdings meiner Meinung nach nicht deutlich genug positioniert. Vieles an den Hochschulen hat sich seitdem verschlechtert und nicht verbessert.
Man konnte mitunter fast meinen, Herr Sarrazin, und nicht Herr Flierl, sei Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur.
Wie gedenken Sie und Ihre Partei sich hinsichtlich dieser Frage in der nächsten Legislaturperiode zu positionieren? Wird Berlin sich der immer stärkeren Forderung nach Studiengebühren auch weiterhin in den Weg stellen? Wird die Studiensituation in Berlin sich mit der PDS verbessern?
Mit freundlichen Grüßen,
K. Schäfer
Sehr geehrte Frau Schäfer,
ich entschuldige mich für die etwas sehr späte Antwort.
Es ist unübersehbar, dass sich die Studiensituation an den Berliner Hochschulen allenfalls punktuell verbessert, aber insgesamt nicht entspannt hat. Dafür gibt es allerdings vielfältige Ursachen. Dazu gehört auch, dass trotz der anhaltend hohen Studentenzahlen die Zuwendungen aus dem Landeshaushalt an die Universitäten gekürzt wurden. Zwar haben die Universitäten heute durch die Hochschulverträge einer längerfristige Planungssicherheit, aber insgesamt weniger Geld zur Verfügung. Angesichts der Tatsache Haushaltsnotlage des Landes Berlin, die bekannter Maßen die Linkspartei.PDS nicht zu verantworten hat, hat auch der Wissenschaftsbereich finanzielle Abstriche hinnehmen müssen. Das ist auch nicht einfach nur Sarazin (oder der SPD) anzulasten. Denn ein Beitrag des Hochschulbereich war politisch und sozial unabweisbar. Ob allerdings dieser Beitrag im Gesamtsanierungskonzept der öffentlichen Kassen immer angemessen und langfristig sinnvoll ist, scheint auch mir diskutabel. Senator Flierl und die Linkspartei.PDS haben sich stets für eine unter den gegebenen Umstände möglichst hinreichende Finanzausstattung der Universitäten eingesetzt. Allerdings sind öffentliche Kassen immer endlich - sie wären dies auch unter einer Alleinregierung der Linkspartei. Und wer sagt, man dürfe die Hochschulen und Bildung, weil sie ja Zukunftsinvestitionen sind, nicht unter die Zwänge der Haushaltsnotlage stellen, der sucht sein Heil jenseits der Politik in einer Wünsch-Dir-Was-Welt.
Daraus folgt, dass die Linkspartei sich auch in der kommenden Legislaturperiode für eine Verbesserung der Studiensituation einsetzen wird. Unser Wissenschaftssenator hat in diesem Frühjahr mit den Universitäten die Verbesserung der Betreuungssituation in den neuen Studiengängen vereinbart. Das heißt, dass die Hochschulen mehr Kapazitäten auf weniger Studierende aufteilen dürfen. Im Gegenzug haben sie sich verpflichtet, mindestens 70 % der StudienanfängerInnen zu einem Abschluss zu führen (bisher sind es unter 50%). Auch für das Studienplatzangebot an Fachhochschulen haben wir durch einen speziellen Fonds, aus dem neue Studiengänge finanziert werden, viel getan.
Für die Linkspartei sind Bildung, Studium und Forschung, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ein Schlüsselbereich auch für die Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkraft Berlins. Aber dennoch sollten sich niemand Illusionen machen über eine rasche Verbesserung der Studiensituation an den Berliner Hochschulen. Wir erwarten zwar, dass die bisherigen Erfolge bei der Haushaltssanierung und ein für Berlin positiver Ausgang des Klageverfahrens auf Teilentschuldung durch den Bund und die anderen Länder den Spardruck auch auf die Hochschulen wenigstens verringern wird. Allerdings wird dies m.E. nicht automatisch zu spürbar besseren Studienbedingungen über die gesamte Berliner Hochschullandschaft führen.
Die bundesweite Einführung von Studiengebühren und ggf. steigende Studentenzahlen, aber auch steigende Sach- und Personalkosten (ohne Erweiterung des Studienangebots und der Forschungsleistungen) werden die finanziellen Spielräume der Hochschulen in Grenzen halten.
Wissenschaftsstandorte wie Berlin, die für Studierende aus anderen Bundesländern sehr attraktiv sind, bezahlen dabei aus der eigenen Tasche die Bildungsausgaben für "Studierendenexporteure" wie Brandenburg oder Niedersachsen. Dies finden wir ungerecht und fordern einen Vorteilsausgleich: Nicht mehr der Hochschulstandort finanziert die Studienplätze, sondern das Land, aus dem die AbiturientInnen kommen. Berlin würde nicht nur Millionen einnehmen, endlich wäre auch ein Anreiz geschaffen, möglichst viele junge Menschen zum Studieren zu bewegen und qualitativ gute Studienplätze bereit zu stellen. Es versteht sich, dass in einem solchen System Länder ohne Studiengebühren Wettbewerbsvorteile hätten.
Der politische und gesellschaftliche Druck auf Einführung von Studiengebühren wird, so meine ich, wachsen. Ich halte Studiengebühren nach wie vor für grundsätzlich den falsch Weg. Er dient einzig der Errichtung sozialer Zugangshürden für die Hochschulausbildung, um "mehr Platz" und bessere Studienbedingungen für die zu schaffen, die bezahlen (können). An der finanziellen Situation der Hochschule würde dies kaum etwas ändern, sondern nur an den Studentenzahlen.
Wenn Sie meine Position in der Studienkontendebatte der PDS 2004 kennen lernen wollen, dann schauen sie auf meiner Internetseite www.michail-nelken.de unter Rubrik andere Texte nach. Den Abschnitt zur Hochschul- und Wissenschaftspolitik im Wahlprogramm 2006 der Berliner Linkspartei.PDS find sie hier.
( http://www.linkspartei-berlin.de/wahlen/wahl_2006/wahlprogramm/4_zukunft_durch_wissenschaft_innovativ_und_sozial/ )