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Michaela Noll
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Frage von Stefan L. •

Frage an Michaela Noll von Stefan L. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Noll,

im Zusammenhang mit den geplanten Internetsperren habe ich folgende Fragen an Sie, bei deren Beantwortung ich Sie darum bitten möchte, auch wirklich konkrete Zahlen und Fakten zu nennen. Als Mitglied des Bundestages sollte es Ihnen möglich sein, diese Informationen von den entsprechenden Stellen zu erhalten.

(1.) Hat das BMF oder der zuständige Bundestagsausschuss (dem Sie angehören) jemals eine Studie in Aufrag gegeben, um die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet sowie den vermeintlichen Millionen-Umsatz, der damit erzielt werde, zu untersuchen? Oder verlassen sich das Ministerium und der Bundestag hier ausschließlich auf Zahlen, die sie von fragwürdigen Organisationen wie Innocence in Danger oder der Deutschen Kinderhilfe geliefert bekommen?

(2.) In der Begründung für die Notwendigkeit von Internetsperren heißt es von Ihrer Seite, dass man ein Mittel bräuchte, wenn sich "trotz nationaler und internationaler Anstrengungen, Täter zu fassen" die Internetserver nicht schließen ließen. Wie oft kam es in den vergangenen Jahren vor, dass das BKA einen Kinderporno-Server weder selbst direkt abschalten konnte, noch (per Amtshilfegesuch) von den entsprechenden Behörden anderer Länder abschalten lassen konnte?

(3.) Bei der öffentlichen Expertenbefragung am 27. Mai gab der Vertreter des BKA zu Protokoll, dass es vorallem die international unterschiedliche Definition von Kinderpornographie schwierig mache, diese über Ländergrenzen hinweg zu verfolgen. Hat es seit dem Regierungsantritt ihrer Partei 2005 schon irgendwelche Bemühungen des BMF oder des BT gegeben, sich international (oder zumindest innerhalb der EU) auf eine einheitliche juristische Definition von Kinderporno zu einigen?

Mit freundlichen Grüßen,

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Lorenz,

gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung. Gestatten Sie mir jedoch zunächst eine Vorbemerkung, um Missverständnissen vorzubeugen. In Ihrer Mail sprechen Sie vom BMF, ich gehe bei meiner Antwort davon aus, dass Sie das Familienministerium meinen, das BMFSFJ.

Ich selber gehöre dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an. Der in Bezug auf das "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" federführende Ausschuss ist der für Wirtschaft und Technologie. Sieht ein Ausschuss bei einem Thema Informationsbedarf, erfragt er die Informationen beim fachlich zuständigen Ministerium. Je nach Umfang der Fragen kann die Beantwortung einen Bericht erfordern. Häufig ist damit die Durchführung einer Studie verbunden. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages mit der Erfassung eines Themas zu beauftragen. Dies ist im Hinblick auf den Themenkomplex "Access Blocking" erfolgt. Ein Bundestagsausschuss verfügt jedoch nicht über eigene Finanzmittel, mit denen er eine externe Studie in Auftrag geben könnte. Daher ist es übliches parlamentarisches Vorgehen, eine Anhörung zu einem bestimmten Thema durchzuführen. Diese ermöglicht einen intensiven Austausch mit den geladenen Sachverständigen. Auch dieser Weg ist im vorliegenden Fall vom Wirtschaftsausschuss beschritten worden.

Davon abgesehen lässt sich der Polizeilichen Kriminalstatistik seit Jahren ein konstanter Anstieg beim Besitz, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornographie entnehmen (2007: 11.357 Fälle; Steigerung um 55% gegenüber 2006: 7.318 Fälle). Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornographie über das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% insgesamt festzustellen (von 2.936 auf 6.206). Zudem sieht das BKA eine Tendenz zu immer jüngeren Opfern. Es geht davon aus, dass täglich etwa 1000 Seiten mit kinderpornographischen Inhalten aktiv sind. Das britische Web-Kontrollorgan Internet Watch Foundation (IWF) hat seinerseits in seinem aktuellen jährlichen Report im Bereich kommerzieller Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten von 2006 auf 2008 einen Zuwachs von 21% festgestellt. Dabei seien 80% der Opfer unter 10 Jahre alt, 33% unter 3 und 10% unter 2 Jahre. Ca. 80% der Homepages verfolgen IWF-Zahlen zufolge kommerzielle Zwecke in der Verbreitung von Kinderpornographie. Aus einem Bericht der britischen National High Tech Crime Unit aus dem Jahr 2004, der im Auftrag der G 8 erstellt wurde, geht hervor, dass über im Zusammenhang mit kinderpornographischen Websites identifizierte Konten in einer Woche 1,3 Mio. US-Dollar liefen.

Hinweise auf kinderpornographische Inhalte werden beim Bundeskriminalamt verifiziert und bei entsprechender Verdachtslage auf dem INTERPOL-Weg in die Staaten weitergeleitet, in denen die Webseiten physikalisch liegen. Dazu, inwiefern auf diese Hinweise mit dem Abschalten des entsprechenden Servers reagiert wird, liegen mir keine Zahlen vor. Allerdings wissen wir, dass in ca. der Hälfte aller Staaten der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornographie entweder nicht unter Strafe steht oder nicht ausreichen sanktioniert wird.

In der Tat muss man beim Abgleich verschiedener Sperrlisten aus unterschiedlichen Ländern immer vor Augen haben, dass diese Länder den Straftatbestand Kinderpornographie unterschiedlich fassen können. Daher lassen sich die jeweiligen Inhalte nicht ohne weiteres auf die Sperrliste eines anderen Landes übertragen, sondern müssen angepasst werden. Für uns soll die Beschränkung auf Kinderpornographie gem. § 185 b StGB gelten.

Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass auf der 38. Europäischen Regionalkonferenz der IKPO-Interpol Ende Mai u. a. angeregt wurde, basierend auf Zulieferung aller Interpol-Mitgliedsstaaten eine globalen Liste mit zu sperrenden Internet-Adressen zu erstellen. Dies ist jedoch nur ein Baustein in der europäischen und internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kinderpornographie. Innerhalb der EU gibt es gemeinsame Schwerpunktprogramme und gemeinsame Ermittlungsmaßnahmen. Es gibt Arbeitsgruppen bei Europol sowie eine sehr intensive Zusammenarbeit bei Interpol.

Wir haben bereits gut funktionierende Netzwerke. In CIRCAMP (Cospol Internet Related Child Abusive Material Project) sind 13 Staaten organisiert. Diese Länder tauschen Informationen über Kinderpornographie aus, sowohl was die Existenz im Internet als auch die Täterverfolgung betrifft. Diesem Verbund will Deutschland beitreten. Acht Länder verwenden den CSAADF (Child Sexueal Abuse Anti Distribution Filter), um Internetseiten zu sperren. Die Listen mit den Seiten werden unter diesen Ländern innerhalb von Sekunden ausgetauscht. Die Sperrung erfolgt angepasst an die jeweilige Landesgesetzgebung.

Des Weiteren lassen sich auf internationaler Ebene nennen:
- VN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
- Empfehlung des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung
- Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 22. Dezember 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und von Kinderpornographie
- Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch
- verschiedene Projekte im Rahmen der G8 in der Roma/Lyon-Gruppe, insbesondere das Deutsch-Französische Projekt zur Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie durch Informationstechnologien.

Daneben wird das Bundesfamilienministerium die Fortschreibung des "Aktionsplans der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung" initiieren und damit Maßnahmen umsetzen, die in der Nachfolge des III. Weltkongresses gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden im vergangenen November entwickelt werden. Zum 30. Juni wird das Bundesfamilienministerium zur Europäischen Nachfolgekonferenz des III. Weltkongresses nach Berlin einladen. Der Kampf gegen Kinderpornografie wird eines der Schwerpunktthemen sein.

Mit freundlichen Grüßen

Michaela Noll, MdB