Frage an Michaela Blunk von Ewald F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Blunk
als Beteilgter der Arbeitgruppe ViLE-Nord Lübeck im „ Virtuellen und realen Lern und Kompetenzwerk für ältere Erwachsene“ ViLE e.V. www.vile-netzwerk.de möchten wir heute Ihnen unsere Meinung im Rahmen unsers Projektes < Wahlversprechen auf dem Prüfstand> an dem FDP Wahlprogramm für die bevorstehende Bundestagswahl mitteilen, in der Hoffnung auf einen lebhaften Dialog.
FDP-Wahlprogramm unsere Kritik
Das Wahlprogramm der FDP ist erheblich länger als die Programme von Union und SPD und wird nur von den Grünen übertrumpft. Wenn man es liest, wundert man sich nicht mehr über diese vielen Seiten. Die Eigenverantwortung legt die FPD gleich zu Anfang den Bürgern ans Herz. Doch dann geht es querbeet durch alle Lebensbereiche.
Wegfall des Briefmonopols, Ablehnung von Werbeverboten, Kürzungen der „Ökospielereien“, Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn, Privatisierung öffentlicher Nahverkehrsbetriebe, gegen „willkürliche Ausbaustopps“ von Wasserstraßen und Flughäfen, Änderung der Stammzellgesetzgebung und des Gentechnikgesetzes, Überprüfung von Naturschutzmaßnahmen, Mülltrennung, Weiterentwicklung des Gedenkstättenkonzeptes, Moratorium für die Rechtschreibreform, Patientenverfügungen, Ladenöffnungszeiten und Sperrzeiten in der Außengastronomie.
Man fragt sich, was das alles soll und vor allem, wer das alles liest.
Zur Frage der Steuerpolitik behauptet die FDP wider besseres Wissen, dass Deutschland bei der Steuerbelastung für Unternehmen in Europa einen einsamen Spitzenplatz belege. Wie der FDP-Stufentarif von 15 %, 25 % und 35 % für die Einkommensteuer funktionieren soll, wird nicht erklärt und ist nicht nur den Experten unklar. Die vorgeschlagene Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge mit 25 % ist für Großinvestoren sicher vorteilhaft, für den kleinen Sparer jedoch, der seine Freibeträge verlieren soll. völlig indiskutabel.
Der Systemwechsel zu einem privaten Krankenversicherungsschutz passt wohl zu dieser Partei, wäre aber der Einstieg in eine Zwei-Klassen-Medizin. Die angestrebte Deregulierung des Arbeitsmarkts kommt sicher ebenfalls dem Klientel dieser Partei entgegen. Und die Renten sollen künftig lediglich eine Basissicherung bieten.
Die einzigen Positiva , die wir in diesem Wahlprogramm gefunden haben, sind die Absicht, eine grundsätzliche Reform der Abgeordnetenentschädigung anzustreben und die Überversorgung der Politiker abzubauen sowie den Einfluss von Interessenverbänden und gesellschaftlichen Gruppen auf das Parlament einzudämmen.
Nur eine Partei für ausreichend betuchte Mitbürger?
Mit freundlichen Grüssen im Namen von ViLE-Nord Ewald F. Ristow 10.8.05
Sehr geehrter Herr Ristow,
zunächst bitte ich um Verständnis für die lange Frist zwischen Frage und Antwort. Der Bundestagswahlkampf hat mich im Urlaub überrascht. Nach meiner Rückkehr standen die umfangreichen Aufgaben im Vordergrund,die ich als Direkt- und Listenkandidatin unaufschiebbar zu erledigen hatte. Ich betreibe Politik ehrenamtlich, und leider hat auch mein Tag nur 24 Stunden, so dass ich Ihre sehr umfängliche Mail zunächst verschoben habe.
Zum Inhalt:
Dass Eigenverantwortung in Verbindung mit Freiheit und Verantwortung die Grundidee des Liberalismus ist, muss m.E. auch durch eine exponierte Stellung betont werden. Darüber darf sich eigentlich kein Leser eines liberalen Programms wundern.
Liberalismus ist ganzheitlich und gilt selbstverständlich für alle Lebensbereiche.
Ich weiß auch, dass eher eine Minderheit Wahlprogramme von A-Z durchlesen.. Aber jeder Mensch hat unterschiedliche Interessen, über die er informiert werden möchte. Außerdem erinnere ich an die Aufregung im Land, als die rot-grüne Bundesregierung nach ihrer überraschenden Wiederwahl 2002 in Reformen stolperte, von denen vorher nie die Rede war.
Obwohl Ihnen das FDP-Wahlprogramm zu lang ist, klagen Sie doch über fehlende Erklärungen. Ein Programm ist kein Lexikon, aber im Internet bieten wir das sog. "Wechsellexikon" an, in dem Interessenten sich noch sehr viel mehr Hintergrundwissen aneignen können.
Der Steuerstufentarif ist im Programm verständlich beschrieben und von der Sache her leicht zu verstehen. Auch die anderen Stichwörter sind m.E. als unsere liberalen Lösungsangebote angemessen dargestellt.
Ihre plakativ gekürzten Aussagen zu Abgeltungssteuer und Sparerfreibetrag sind irreführend. Unser Nachbar Österreich hat mit der Abgeltungssteuer sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Abgeltungssteuer mit dem Wegfall des Freibetrages ist gegen den niedrigen Einstiegssteuersatz und die recht hohen Einnahmen zu "verrechnen", die völlig steuerfrei bleiben. In dieser Kombination wird die Abgeltungssteuer mit dem Wegfall des Sparerfreibetrages akzeptiert. In Österreich hat die Besteuerungsbasis in 5 Jahren um 58% zugenommen. Für Deutschland kann ein um 2,4 MRD € höheres Steueraufkommen erwartet werden. Die Steuereinnahmen stabilisieren sich auf Dauer. Das Besteuerungsverfahren wird vereinfacht durch den Wegfall der eventuell notwendigen Aufteilung des Sparerfreibetrages und der Kontrolle dieser Aufteilung durch das Bundesamt für Finanzen. Steuerhinterziehung wird unmöglich, und gleichzeitig entfällt die Schnüffelei zahlreicher Behörden. Das Bankgeheimnis kann getrost wieder eingeführt werden.
Auch die finanziellen Neuerungen für den sozialen Bereich müssen Sie in einen Zusammenhang mit den steuerlichen Erleichterungen stellen. Das eine geht ohne das andere nicht. Eine humane Basisversicherung für alle und private "Extras", z.B. in der Kranken- und Rentenversicherung, entsprechen dem liberalen Menschenbild der Verantwortung für Schwache und der Eigenverantwortung für individuelle Wünsche.
Wenn Sie mit dem "Klientel dieser Partei" auf Verdiensthöhen anspielen sollten, verkennen Sie, dass das liberale Gedankengut keine Frage des Geldes, sondern der Lebenseinstellung ist.
Gerade im unteren Lohnbereich wurden die Arbeitsmöglichkeiten durch eine Regulierungsflut erschreckend dezimiert. Unser Bürgergeld im Zusammenhang mit der Entknebelung des Arbeitsmarktes würde für den lange ersehnte Schub sorgen.
Die Reform der Abgeordnetenversorgung und der Einfluss von Interessenverbänden liegen mir genau so auf der Seele wie Ihnen.
Sehr geehrter Herr Ristow, aus der Mail wird Ihre Skepsis gegenüber der liberalen Grundidee und den daraus erwachsenden Lösungsalternativen deutlich. Vielleicht konnte ich sie ein wenig abbauen und Sie finden bei einem weiteren Blättern doch noch einige andere "Positiva"?
Mit liberalen Grüßen
Michaela Blunk