Frage an Michael von Abercron von Josef O. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. von Abercron,
ich bin Vater eines Mädchens und in den nächsten Tagen zweier Mädchen. Nichts gereicht mir mehr zur Sorge als die Gesundheit meiner liebsten Schätze. Mit Erschrecken nehme ich den Aktionismus des Bundesgesundheitsministerns Spahn zur Kenntnis. Eine Impfpflicht gesetzlich zu verankern, steht der Fürsorgepflicht meiner Kinder gegenüber diametral entgegen. Rechtlich gesehen ist das Impfen eine Körperverletzung. Solange eine Person Entscheidungen nicht persönlich treffen kann, dürfen ausschließlich Mama und Papa über das Wohl des Kindes entscheiden. Auf keinen Fall darf der Staat sich in die Belange einer Familie einmischen und schon gar nicht bei einem derart sensiblen Thema wie der Gesundheit.
Meine Tochter ist nicht geimpft, sie ist bestens entwickelt und in bester körperlicher Verfassung. Das Unterlassen der empfohlenen Impfungen haben wir in einer freien Entscheidung nach Einholen vieler Informationen getroffen. Um alles in der Welt verhinderten wir - sollte das Gesetz zur Impfpflicht tatsächlich kommen -, in das Gesundheitssystem unserer Tochter von außen einzugreifen. Hinzu kommt das Problem der auf dem Markt befindlichen Präparate: Die Masern zu bekämpfen, sind das erklärte Ziel und es gibt keinen Impfstoff für Deutschland, der ausschließlich die Masern bekämpft.
Es wird immer gleich gegen Mumps und Röteln mit geimpft. Allerdings gibt es Studien - Studien gibt es zu allen Dingen von allen Seiten, je nach Gusto -, die besagen, dass das Durchmachen der in der Regel harmlosen Kinderkrankheit Mumps das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, um 20% verringert (West 1966, Newhouse 1977, Cramer 2010). Jede Familie sollte in einem liberalen Land das Recht haben, selbst und ad libitum zu entscheiden, wie und wann sie sich selbst und ihre Kinder impfen lassen. Wie stehen Sie als direkt gewählter Abgeordneter unseres Wahlkreises zu diesem Thema? Wie werden Sie im Bundestag abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen
J. O.
Sehr geehrter Herr O.,
vielen Dank für Ihre E-Mail über Abgeordnetenwatch, in der Sie Stellung zur laufenden Debatte zum Thema Impfpflicht nehmen. Auch ich halte es für besonders wichtig, eine offene und differenzierte gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema zu führen.
Fest steht: Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Gleichzeitig schützt die Impfung nicht nur die geimpften Personen selbst, sondern insbesondere indirekt auch die Menschen, die sich nicht selbst impfen lassen können, so z. B. Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat oder anderweitig erkrankte Menschen.
Vor diesem Hintergrund haben wir in den letzten Jahren viel für die Prävention in Deutschland getan. So haben wir 2017 mit dem Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten für eine bessere Durchsetzbarkeit der Pflicht zur Impfberatung der Eltern vor Aufnahme ihrer Kinder in einer Kita beschlossen. Dabei setzten wir auf objektive ärztliche Beratung der Eltern, um ihnen Ängste zu nehmen und über Impfungen aufzuklären. Um dafür zu sorgen, dass die Impfberatungspflicht keine leere Worthülse ist, droht Eltern, die sich der Beratung verweigern, nach geltendem Recht des Infektionsschutzgesetzes ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro. Dabei steht bei uns nicht die Strafe im Mittelpunkt, sondern die so wichtige Aufklärung der Eltern. In diesem Zusammenhang haben wahrscheinlich auch Sie die Plakate der Kampagne „Deutschland sucht den Impfpass“ gesehen, mit der wir unter anderem schon seit 2015 über die Impfung - insbesondere gegen Masern - deutschlandweit informieren.
Dennoch besteht bei einigen Schutzimpfungen noch Verbesserungsbedarf, um die sogenannte Herdenimmunität zu gewährleisten. Diese, vor allem für Menschen, die sich nicht Impfen lassen können, wichtige Immunität tritt ein, wenn 95 Prozent der Bevölkerung über einen entsprechenden Impfschutz verfügen. Defizite bestehen derzeit beim Impfschutz von Kindern bei den zweiten Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln. Insbesondere liegen aber die Quoten der Erwachsenen bei der Masernimpfung noch unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). So veröffentlichte die WHO erst kürzlich aktuelle Daten zur Ausbreitung von Masern und damit zusammenhängenden Todesfällen: Im Jahr 2017 lag die Zahl der Infektionen bei rund 6,7 Millionen Fällen, 110.000 Menschen starben laut den Berechnungen. Die Mehrzahl der Betroffenen von Infektionen mit Todesfolge waren Kinder unter 5 Jahren. Auch steigt die Infektionsrate rasant an, weltweit kam es zu einer Verdopplung der Infektionen, in Europa sogar zu einer Verdreifachung. Diesen Trend gilt es mit aller Kraft zu stoppen. Bei Masern beispielsweise, über die wir hier sprechen, bedeutet eine niedrige Impfquote ein hohes Gesundheitsrisiko. Masern sind eine schwerwiegende Erkrankung - deswegen halte ich es für richtig, dass wir nun einen Schritt weitergehen und derzeit prüfen, wie wir für Kinder eine Impflicht gegen Masern einführen können.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael von Abercron