Frage an Michael Stieber von G. Brauer-Lübs, G. Negnal SKBZ Neubrandenburg e. V. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Michael Stieber,
am 20.10.2005 verabschiedete die 33. UNESCO-Generalkonferenz die Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Hierbei geht es nicht nur um den Schutz, sondern auch um den Erhalt und die Vermittlung. Brücken zu bauen und selbst Brücke zu sein ist das zentrale Prinzip von Soziokultur – zwischen Sparten und Generationen, zwischen Kulturen und Religionen. Dieser komplizierten Herausforderung stellt sich unser Zentrum seit vielen Jahren bei breiter Akzeptanz durch die Neubrandenburger Bürgerinnen und Bürger – mit jährlich mehr als mehr als 20 000 Besuchern. Warum wird gerade an dieser Schnittstelle immer mehr gespart? Welcher Maßstab wird bei der Förderung kultureller Einrichtungen angelegt, heißt Förderung Akzeptanz und verminderte Förderung Ignoranz? Was zählen Sie zur kulturellen Grundversorgung? Wie wollen Sie sich dafür einsetzen, dass möglichst viele Bürger unserer Stadt auch weiterhin an Kunst und Kultur teilhaben können, auch die ohne großen Geldbeutel?
Zitat aus den Antworten zur Großen Anfrage zur Kultur, die die CDU-Landtagsfraktion im vorigen Jahr an den Landtag gestellt hat:
Soziokulturelle Einrichtungen und Projekte sind besonders eng mit den regionalen und kommunalen Gegebenheiten verbunden. Der kommunale Bezug gewährleistet, dass die Interessen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger, des Publikums und der Künstlerinnen und Künstler in den soziokulturellen Projekten und Einrichtungen berücksichtigt werden. Die Landesregierung misst der soziokulturellen Breitenarbeit eine besondere Bedeutung bei. Mit rund 400.000 Nutzerinnen und Nutzern, von denen rund 70 % dem Kinder- und Jugendbereich zuzuordnen sind, nimmt die Soziokultur in M-V eine wichtige Position ein.
Gerlinde Brauer-Lübs, Gudrun Negnal
Sehr geehrte Frau Brauer-Lübs, sehr geehrte Frau Negnal,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Soziokulturelle Einrichtungen und Projekte bieten vielfältige Angebote. Sie haben das Bild der Brücken benutzt, das ich als sehr treffend empfinde. Wir sprechen hierbei von Brückenbau innerhalb der Gesellschaft, wobei wir alle Mitglieder dieser Gesellschaft einbeziehen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich von Jedem ein Bild zu machen, um nicht auf Informationen von Dritten angewiesen zu sein. Jedes Urteil wäre so immer nur ein Vor-Urteil, das kein wirklich eigenes wäre. Missverständnisse, Fehlinterpretationen, Vor-Verurteilungen wären so vorprogrammiert.
In einer gesellschaftlichen Realität, die zunehmend von einer vermeintlichen Individualisierung geprägt zu sein scheint, sind Einrichtungen wie das Soziokulturelle Bildungszentrum als Brückenbauer von unschätzbarem Wert. Hier werden Begegnungen zwischen den verschiedensten Gruppen ermöglicht – ein Dialog von Kulturen, Religionen, Altersgruppen, sozialen Schichten, Nationalitäten. Integration und Teilhabe sind Grundgedanken. Kommunikation, Verständnis und Zusammenarbeit sind die Ziele. Vor dem Hintergrund einer aktuell auseinander driftenden Welt der Kulturen, Religionen, Altersgruppen, sozialen Schichten und Nationalitäten kann ich mir kaum sinnvollere Tätigkeiten vorstellen. Sie haben dabei immer meine vollste Unterstützung.
Dass nun gerade in dem betreffenden Bereich gespart wird, kann ich genau so wenig verstehen wie Sie. Es gibt aber Erklärungen. Ein Artikel im Nordkurier vom 24. August 2006 gibt dafür ein plastisches Beispiel. In ihm wird darüber berichtet, dass die Wirtschaftsverbände Mecklenburg-Vorpommerns die Regierungsarbeit der letzten 4 Jahre bewertet haben. Dabei haben sie der rot-roten Regierung attestiert, zu viel in den sozialen Bereich investiert zu haben. Der Verbandspräsident wird zitiert: „Das ist verschwendetes Geld!“ Dieses Zitat drückt vor allem aus, wie stark der Gegenwind ist, wenn es darum geht, bei Hauhaltsdiskussionen finanzielle Mittel einzufordern. Trotzdem und gerade deshalb lohnt es sich, Kraft in eine Lobbyarbeit zugunsten sozialer und kultureller Ideen zu investieren. Das will ich aus erwähnten Gründen tun.
Kulturförderung ist eine Aufgabe quer über die Ressorts hinweg. In der jetzt auslaufenden Legislatur haben die Koalitionsparteien einen entsprechenden Antrag eingebracht und angenommen, der die Ressorts beauftragt, Kultur in ihrer jeweiligen Zuständigkeit zu fördern. Diese Form der Förderung entspricht auch meinem Verständnis von „kultureller Grundversorgung“. Jeder Lebensbereich hat sein ganz eigenes Grundbedürfnis und bedarf der entsprechenden Unterstützung und Förderung.
Um die Neubrandenburger auch in Zukunft kulturell versorgen zu können, werden wir nicht umhin kommen, effektivere Strukturen zu finden. Es gibt in vielen Fällen mehrere Vereine, die gleiche oder ähnliche Bedürfnisse bedienen und aus demselben Fördertopf finanzielle Mittel beziehen. Politiker und Vereinsverantwortliche werden sich in Zukunft trauen müssen, offen über Alternativen zur heutigen Vereinslandschaft zu reden. Das SKBZ ist in diesem Zusammenhang ein sehr schönes Modell, wie unter einer Führung vielfältige Angebote zur kulturellen Grundversorgung gemacht werden können.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Stieber