Finden Sie den Französischunterricht an Schulen sinnvoll?
Sehr geehrter Herr Piazolo,
Ich bin Schüler einer 10. Klasse am Gymnasium. Zurzeit habe ich mein fünftes Jahr Französischunterricht, doch leider finde ich in diesem Fach überhaupt keine Motivation mehr. Das liegt daran, dass ich nun grob geschätzt 250h Zeit für das Fach investiert habe und immer noch keinen Sinn dahinter sehe, da ich für die Zukunft keinerlei Pläne habe in Frankreich zu studieren oder zu leben. Klar könnten mir meine Kenntnisse möglicherweise bei der Arbeit helfen, aber ich denke mein flüssiges Englisch sollte normalerweise auch dort ausreichen.
Abgesehen davon finde ich aber auch die Gestaltung des Unterrichts oft sehr schlecht. Ich kann diese Behauptung leider nicht mehr komplett ausführen, da mir der Platz ausgehen würde, aber ich hoffe dennoch, dass ich Sie ein wenig auf die Probleme als Schüler aufmerksam machen konnte, da man sich als solcher oft vergessen vorkommt.
Ich würde mich sehr über eine Antwort ihrerseits freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Marcel W.
Lieber Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Gerne möchte ich Ihnen die Bedeutung des Französischen und des schulischen Französischunterrichts sowie dessen Ausgestaltung genauer darlegen:
Französisch ist die Sprache des Nachbarlandes, mit dem uns eine einzigartige Freundschaft verbindet. Dem Erlernen der französischen Sprache im schulischen Unterricht kommt durch den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, der am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Elysée-Palast unterzeichnet und 2019 mit dem Vertrag von Aachen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron erneuert wurde, eine ganz besondere Bedeutung zu: Der sogenannte Élysée-Vertrag und dessen Neufassung im Vertrag von Aachen legen seither eine weitreichende politische, wirtschaftliche sowie kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich fest. Ein besonderer Fokus des Französischunterrichts liegt daher auf Frankreich, Deutschlands wichtigstem Nachbarland, zu dem besonders enge politische, kulturelle und wirtschaftliche Verbindungen bestehen. Neben schulischen, universitären und kommunalen Partnerschaften, die im deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963 begründet liegen, haben sich Kooperationen auch in vielen anderen Bereichen wie Wissenschaft, Technik, Forschung und Technologie stark ausgeprägt. Der Französischunterricht soll die Bedeutung des deutsch-französischen Verhältnisses für das moderne Europa erkennen lassen und bewusst machen, dass für beide Länder gegenseitiges Verständnis und das Erlernen der jeweils anderen Sprache einen zentralen Stellenwert haben. Durch das Französische eröffnet sich den Schülerinnen und Schülern, die die Sprache in der Schule gelernt haben, u. a. ein erleichterter Zugang zu den Nachbarländern Belgien, Schweiz und Luxemburg. Zudem verfügt Bayern mit Québec über einen weiteren Partner innerhalb des frankophonen Raums. Diese transatlantische Beziehung besteht seit 1989 im Rahmen des bayerisch-québecischen Kooperationsabkommens. Weitere Absichtserklärungen der beiden Regionen sprechen dafür, den Austausch in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur in Zukunft noch weiter auszubauen.
Das Erlernen des Französischen trägt also dazu bei, die Mobilität innerhalb und auch außerhalb Europas zu verbessern, und bietet den Schülerinnen und Schülern berufliche Perspektiven über den deutschen und anglophonen Sprachraum hinaus.
Darüber hinaus ist Frankophonie mit ihren über 200 Millionen Sprechern auf allen fünf Kontinenten einer der großen, bedeutenden Sprachräume der Welt. Französisch ist Amtssprache in über 30 Ländern, Arbeitssprache in vielen internationalen Organisationen (z. B. UNO, UNESCO, Rotes Kreuz, IOC) und darüber hinaus anerkannte Sprache der Diplomatie. Zudem ist Französisch eine der am meisten gelernten Fremdsprachen der Welt. Auf dem afrikanischen Kontinent, der zusammen mit Asien eine der entwicklungsstarken Regionen der Zukunft darstellt, ist Französisch eine weit verbreitete Bildungs- und Handelssprache. Die gesicherte Sprachkompetenz im Französischen, die die Schülerinnen und Schüler am Gymnasium erwerben, erweitert also ihre internationale Kommunikations- und Handlungsfähigkeit, bereitet sie so auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vor und bietet nicht zuletzt Zugang zu faszinierenden Kulturräumen und den dort lebenden Menschen.
Verständnis für ein anderes Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner wird am besten über den Zugang zu ihrer Sprache erreicht. Insofern ist es auch das Ziel des bayerischen Gymnasiums, jedem Schüler und jeder Schülerin Kompetenzen in mindestens zwei modernen Fremdsprachen zu erwerben. Über Kontakte zu französischen Schülerinnen und Schülern, die auf zahlreichen Wegen möglich sind, könnten Sie einen Zugang zur Lebenswelt von französischen Gleichaltrigen bekommen und erkennen, wie wertvoll die Sprachkompetenzen sind, die Sie im Französischunterricht erwerben können. Ihr Französischlehrer bzw. Ihre Französischlehrerin wird Sie hierbei sicherlich gerne kompetent beraten.
Lieber Herr W., ich hoffe, Ihnen die Bedeutung, die dem Unterrichtsfach Französisch zukommt, nachvollziehbar dargelegt zu haben und wünsche Ihnen für das verbleibende Schuljahr viel Erfolg, bon courage und gutes Gelingen.
Viele Grüße
Michael Piazolo