Frage an Michael Hennrich von Joachim K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie beurteilen Sie das Verfahren zur Wahl des Bundespräsidenten? Sollte dieser nicht besser vom Bürger in einer direkten Wahl gewählt werden ? Wenn man den Medien glauben schenkt, so ist die klare Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für eine Direktwahl ohne parteipolitisches Gezänke. ? Was tun Sie konkret um diesem Begehren Rechnung zu tragen ?
Sehr geehrter Herr Kipke,
vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch vom 16. Juni 2008.
Tatsächlich genießt das Amt des Bundespräsidenten in der Politik, den Medien und in der Bevölkerung über alle Grenzen hinaus eine hohe Wertschätzung und Respekt. Diese Wertschätzung und diesen Respekt hat sich das Amt durch die Amtsführung der bisherigen Bundespräsidenten erworben, die sich nie in aktuelle parteipolitische Auseinandersetzungen hineinziehen ließen.
Alle bisherigen Präsidenten setzten sich - zumindest bei der erstmaligen Wahl - in einer Kampfabstimmung durch. Dies ist in einer Demokratie ein normaler Vorgang. Richtig ist auch, dass nach einer Wahl der gewählte Bundespräsident selten parteipolitisch mißbraucht wurde.
Das bisherige Wahlsystem hat sich bewährt. Die Alternative wäre die Wahl durch das Volk. Gerade bei einer Volkswahl wäre der Wahlgang ganz erheblichen parteipolitischen Auseinandersetzungen unterworfen. Sowohl Frankreich als auch Österreich kennen die Volkswahl des Präsident. In beiden Ländern ist der jeweilige Wahlkampf über viele Monate hinweg parteipolitisch geprägt.
Würde der Bundespräsident in einer Volkswahl gewählt, müßten ihm erheblich mehr Kompetenzen zugestanden werden. Bisher vertritt er als Staatsoberhaupt die Bundesrepublik Deutschland nach innen und außen. Er schlägt den Bundeskanzler vor und ernennt ihn im Anschluss. Er entnennt und entlässt auf Vorschlag des Kanzlers die Minister und zeichnet die beschlossenen Gesetze gegen (nach einer juristischen Prüfung). Außerdem kann er in bestimmten, eng begrenzten Fällen, den Bundestag auflösen.
Diese Kompetenzen sind allesamt wichtig. Aber natürlich ist unser Staatsoberhaupt in 1. Linie eine moralische Instanz.
Bitte vergleichen Sie den Kompetenzkatalog des Bundespräsidenten mit jenen des Reichspräsidenten der Weimarer Republik oder des französischen Präsidenten. Mehr Kompetenzen bedeutet natürlich auch: Mehr tagesaktuellen Entscheidungsbedarf. Damit würde der Bundespräsident unweigerlich in die parteipolitischen Auseinandersetzungen einbezogen.
Welche zusätzlichen Kompetenzen kann der Bundespräsident erhalten: Die leichtere Auflösung des Bundestages? Eine eigenständige Personalpolitik am Bundestag vorbei? Eine eigene Gesetzgebungskompetenz? - Genau dies sind die Kompetenzen, die beispielsweise der französische Präsident besitzt und die wir aus gutem Grund bei der Erarbeitung des Grundgesetzes 1949 ausgeschlossen haben.
Um das Amt des Bundespräsidenten in seiner Funktion und Wirkung zu erhalten, bin ich gegen eine Volkswahl und halte die Bundesversammlung aus Bundestag und Abgesandten der Länder für das richtige Gremium.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich