Frage an Michael Hennrich von Christian W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hennrich,
aktuell findet durch die Türkei ein völkerrechtswidriger Angriff auf eine syrische Minderheit in Afrin statt. Organisationen vor Ort sprechen von hunderten verletzten und getöteten Zivilisten durch das türkische Militär.
Türkei ist sowohl NATO-Mitglied als auch Beitrittskandidat der EU. Darüber hinaus sind deutsche Waffen an diesem Angriffskrieg beteiligt.
Welche Maßnahmen gedenken Sie als regierende Partei einzuleiten, um die türkische Regierung zum Einlenken zu bewegen? Haben Sie verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich Waffenlieferungen an die Türkei?
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch vom 16. März 2018.
Die Lage in Afrin kann einen gar nicht anders als mit großer Sorge erfüllen. Mit Entsetzen haben wir in Berlin auf den jüngsten Militäreinsatz der Türkei um Afrin reagiert. Nun fragen Sie zurecht, welche Maßnahmen die Politik hier ergreifen kann.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen an der Grenze zu Syrien hat die Türkei zunächst das Recht auf Selbstverteidigung und das Recht und die Pflicht, die eigene Bevölkerung vor terroristischen Angriffen zu schützen, wie wir sie immer wieder in den vergangenen Jahren gesehen haben. Allerdings haben wir die Türkei aufgefordert, äußerst zurückhaltend zu agieren und das humanitäre Leid, das in der Region bereits herrscht, nicht weiter zu vergrößern.
Nichts desto trotz ist gerade in der aktuellen Situation eine gute und enge Zusammenarbeit mit der Türkei entscheidend. Die Türkei hat eine Schlüsselrolle mit Blick auf die zahllosen Flüchtlinge aus Syrien inne. Mit der Versorgung von mittlerweile etwa 2,2 Million Flüchtlingen erbringt die Türkei einen enormen Einsatz wie kein anderes NATO-Land in der Versorgung der Menschen. Entscheidend wird sein, dass die Flüchtlinge in der Türkei so gut untergebracht werden, dass sie nicht als Ausweg ansehen, sich auf den unsicheren und gefährlichen Weg Richtung Europa machen zu müssen, sondern nahe ihrer Heimat auf eine Rückkehr warten können
Wie Sie vielleicht in den Medien verfolgt haben, fand am 01. Februar 2018 eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag „Haltung der Bundesregierung zum Einmarsch der Türkei in die nordsyrische Region Afrin unter Einsatz von Panzern aus deutscher Produktion“ statt. Die Redebeiträge der Unionsabgeordneten finden Sie online im Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages.
So bezeichnete der Unionsabgeordnete Roderich Kiesewetter das türkische Vorgehen bei der „Operation Olivenzweig“ in Syrien als klar „völkerrechtswidrig“. Die Bundesregierung habe deshalb völlig richtig gehandelt, als sie entschieden habe, eine geplante Aufrüstung von türkischen Panzern aus deutscher Produktion auszusetzen.
Herr Kiesewetter machte deutlich, dass es nun auf Verhandlungen im Nato-Rat und im UN-Sicherheitsrat ankomme. Es gelte zu verhindern, dass sich mit einem weiteren Vorrücken der türkischen Armee auf in Nordsyrien stationierte US-Soldaten zwei Nato-Partner gegenüberstünden. Bei einer solchen Entwicklung sei das Assad-Regime der „lachende Dritte“ und Russland wäre es gelungen, einen Keil zwischen Nato-Partner zu treiben.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich