Frage an Michael Hennrich von Wolfgang R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Hennrich!
In der Sendung Monitor vom 10.7. http://www.wdr.de/tv/monitor/ wird über den dramatisch und auch sträflich hohen Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung berichtet. Dass diese Wirkstoffe zur Bildung von resistenten Keimen führen und beim Fleischverzehr auch die Menschen gefährdet ist ja lange bekannt und aktuelle Studien belegen: Die Gefahren für den Menschen sind deutlich größer als bisher bekannt. Selbst wenn die Deutschen Bürger den Fleischkonsum drastisch reduzieren würden, wird das Problem nicht gelöst, weil die Deutsche Fleischindustrie, unterstützt von der Bundesregierung, Exportweltmeister werden will.
Eine neue Erkenntnis ist, dass auch Vegetarier den Antibiotikaauswirkungen ausgesetzt sind, weil mit den enormen Güllemengen über die Antibiotika Krankheitserreger in den Böden gefördert werden, welche sich in den Wurzeln von Gemüse akkumulieren und beim Verzehr dann Infektionen auslösen können.
Sehen Sie einen Handlungsbedarf der Politik um die Bevölkerung zu schützen?
Eine Möglichkeit wäre eine artgerechte Tierhaltung, denn dort ist der Antibiotikaeinsatz sehr gering. Mit einem entsprechenden Gesetz würde die Politik endlich dem Tierschutz im GG Rechnung tragen.
Mit freundlichem Gruß,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11. Juli zum Thema Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung, auf die ich gern eingehen möchte.
Leider werden tatsächliche Ansatzpunkte und Notwendigkeiten, die moderne Nutzierhaltung hinsichtlich Tierwohl aber auch Auswirkungen auf die Umwelt weiter zu entwickeln, oftmals mit Vorurteilen und einem einseitigen Blick auf die konventionelle Tierhaltung vermengt. Dies lässt ein Zerrbild von der Landwirtschaft entstehen. Die Aussage ‚Früher lebten die Tiere besser‘ ist falsch. Leider haben viele Verbraucher dieses romantisierte Bild einer früheren Landwirtschaft in den Köpfen.
Früher lebten die meisten Tiere in dunklen, feuchten Ställen. Kühe z. B. waren häufig ihr Leben lang im Stall angekettet und haben keine Weide gesehen; Schweine standen in engen Koben eingepfercht. Weder das Tierwohl war früher höher als heute, noch die Stallhygiene entsprach den heutigen, modernen Standards. Wir haben in Europa und insbesondere in Deutschland die höchsten Tierschutzstandards weltweit.
In Umfragen empfinden Verbraucher aber häufig selbst schon Ställe mit 100 Tieren als „Massentierhaltung“.
Das Tierwohl hängt nicht davon ab, ob ein Landwirt 10, 500 oder 2000 Tiere hält. Entscheidend ist das Tierwohl jedes einzelnen Tieres, nicht in erster Linie die Gesamtzahl. Hierfür ist maßgeblich, wie der Betrieb geführt wird, ob die Tiere regelmäßig versorgt werden oder wie sich die Qualität der Stallanlagen darstellt. Selbst der SPIEGEL stellte in einem Beitrag über einen Bio- und einen konventionellen Schweinemäster klar: „Große Herden bedeuten nicht automatisch Tierquälerei.“
Tatsache ist auch, dass das Kaufverhalten und Marktanteile von Ökofleisch aufgrund der hohen Kosten gering sind: Der Marktanteil von Öko-Schweinefleisch liegt bei 0,4 Prozent, Geflügelfleisch bei 0,8 Prozent. Hier ordnungspolitisch einzugreifen würde dazu führen, dass die Kosten für die Haltung explodierten. Um den Verbrauchern aber eine bessere Orientierungsmöglichkeit an der Fleischtheke im Supermarkt zu geben, hat die Bundesregierung den Tierschutzbund bei der Einführung des Tierschutzlabels erheblich finanziell unterstützt. Das Label weist die Produkte aus, bei denen die Haltungsbedingungen der Tiere oberhalb der gesetzlichen Standards liegen.
Nationale Alleingänge bei der Anhebung von Standards helfen in der Regel wenig. Sie führen zur internationalen Wettbewerbsnachteilen und Abwanderung der Produktion in Länder mit niedrigeren Standards. Ziel muss es sein, zumindest europaweit - möglichst weltweit - einheitliche Standards zu schaffen.
Höhere Standards kosten Geld– bislang war insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und letztlich die Mehrheit der Verbraucher nicht bereit, den Landwirten höhere Standards zu honorieren.
Hinsichtlich des Antibiotikaeinsatzes teile ich Ihre Meinung insofern, als das gelten muss: Antibiotika sollte nur dann eingesetzt werden, wenn es nicht anders möglich ist, d.h. wenn eine Krankheit vorliegt. Die Vorwürfe, Antibiotika würden in der Nutztierhaltung großflächig als Wachstumsförderer von den Tierhaltern eingesetzt, ist aber nicht haltbar. Seit 2006 ist dies EU-weit verboten.
Mit einer zu häufigen Anwendung von Antibiotika steigt allerdings die Gefahr von antibiotikaresistenten Keimen. Dies kann Folgen für die Wirksamkeit von Antibiotika in der Humanmedizin haben. Bislang zeigen Studien zwar, dass die aus der Landwirtschaft stammenden Keime in Krankenhäusern eine untergeordnete Rolle spielen. Trotzdem ist es wichtig, dass der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung das notwendige Mindestmaß nicht überschreitet.
Die Behauptung der Grünen, große Bestände („Massentierhaltung“) würden ohne häufige Verwendung von Antibiotika nicht funktionieren, ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Tatsache ist, dass große Bestände höhere Ansprüche an das Stallmanagement und die Sachkenntnis des Tierhalters stellen. Aber auch in kleinen Beständen oder in der Biohaltung kann schlechtes Herden- und Hygienemanagement zu verstärktem Krankheitsdruck und entsprechendem Einsatz von Antibiotika führen.
Die Regierung hat daher bereits in der letzten Legislaturperiode mit der Arzneimittelgesetz-Novelle ein ambitioniertes Antibiotika-Minimierungs-Konzept beschlossen. Künftig muss jeder Betrieb, der Masttiere hält, seinen Antibiotikaeinsatz melden. Liegt er über dem Durchschnitt, muss er verpflichtend Reduktionsmaßnahmen mit seinem Tierarzt bzw. der Veterinärbehörde ergreifen. Durch die Orientierung an den Besten (best-practice) wird künftig der Antibiotikaeinsatz auch in den Betrieben sinken, die noch zu häufig Antibiotika einsetzen. Ich glaube, dass wir hier auf einem guten Weg sind um einerseits den von Ihnen richtigerweise kritisierten Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung und andererseits die hohen Qualitäts- und Hygienestandarts in der Lebensmittelproduktion in Einklang zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich