Frage an Michael Hennrich von Werner L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Hennrich,
nun schon vor etlichen Jahren bei der Rentenreform, die zu erheblichen Kürzungen von Leistungen geführt hat (Anrechnung von Ausbildungszeiten,Erhöhung des Renteneintrittsalters, Änderung der Rentenformel etc.) wurde versprochen, diese Änderungen 1:1 auch auf die Beamtenversorgung zu übertragen.
Dies ist bis heute im Wesentlichen nicht geschehen! Angesichts der Rentenerhöhung von 0,25 % in den alten Bundesländern gegenüber der Steigerung der Beamtenpensionen mit voller Höhe der Tariferhöhung ist die Untätigkeit des Gesetzgebers einfach nur empörend!!
Sind Sie da nicht auch meiner Meinung und was wollen Sie unternehmen, um das zu ändern??
Da ich diese Frage auch schon an Rainer Arnold gestellt habe, bitte ch auch um Ihre Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.Ing. Werner Lupke, Kirchheim/Teck, Kirchheim/T.-Nabern
Sehr geehrter Herr Lupke,
ich danke Ihnen sehr für Ihre Email zum Thema Rentenreform und Beamtenversorgung, auf die ich gern antworten möchte.
Ich kann gut nachvollziehen, dass es im Hinblick auf die zu erwartende Rente Unverständnis und Verärgerung gibt. Trotzdem möchte ich Ihnen zunächst einige Informationen zum Hintergrund geben, die den Unterschied zwischen Rente und Pension deutlich machen.
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung handelt es sich um Alterssicherungssysteme, die historisch gewachsen sind und in ihren Anspruchsvoraussetzungen und in ihrer Ausgestaltung deutliche Unterschiede aufweisen. Während die gesetzliche Rente die Funktion einer Regelsicherung erfüllt (1. Säule), die oftmals von einer betrieblichen Altersrente als Zusatzsicherung ergänzt wird hat die Beamtenversorgung die Funktion einer Regel- und Zusatzsicherung („Bifunktionalität“ der Pensionen).
Zudem folgt die Beamtenversorgung einem anderen Prinzip als das System der gesetzlichen Rentenversicherung: Sowohl die Besoldung der aktiven Beamtinnen und Beamten als auch deren Versorgung sind in dem grundsätzlich auf Lebenszeit angelegten Beamtenverhältnis begründet und stellen die Gegenleistung des Dienstherrn für die von den Beamtinnen und Beamten im Rahmen ihres besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zu leistenden Dienste dar.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt, dass das System der gesetzlichen Rentenversicherung und dessen Veränderungen nur insofern zur Bemessung der Versorgungsbezüge herangezogen werden können, als dies mit den strukturellen Unterschieden der beiden Versorgungssysteme vereinbar ist. Insbesondere bilde das Versorgungsniveau von Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann einen tauglichen Vergleichsmaßstab, wenn dabei neben der Rente auch Einkünfte aus einer betrieblichen Zusatzversorgung berücksichtigt werden. Die Regelsicherung der Rente allein könne mithin nicht Maßstab und Richtschnur für die Beamtenversorgung sein.
Bei einem Vergleich von Versorgung und Rente sind auch noch folgende Aspekte
einzubeziehen:
• Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz) gehört das Lebenszeitprinzip. In der Folge sind vom Geltungsbereich des Beamtenversorgungsrechts in erster Linie Lebenszeitbeamtinnen und -beamte erfasst, die in der Regel ihr ganzes Berufsleben lang Dienst geleistet haben. Unmittelbare Folge ist daher eine überwiegend ununterbrochene Erwerbsbiografie mit daraus resultierenden Versorgungsanwartschaften. Anders die Situation in der gesetzlichen Rentenversicherung: Hier ist die ununterbrochene Beschäftigungszeit in vielen Bereichen eben nicht mehr der „Standard“. Fehlzeiten in der Erwerbsbiografie führen zu verminderten Anwartschaften. Dies hat ganz unmittelbar Einfluss auf die sog. Durchschnittsrente.
• Auch ist das durchschnittliche Einkommen von Beamten bei gleicher Qualifikation niedriger als in der freien Wirtschaft. Exemplarisch wird dies bei den verhältnismäßig geringen Einkommen im Polizeidienst oder auch an der Höhe der maximalen Besoldungsstufe. Während diese überhaupt nur von einem verschwindend kleinen Bruchteil aller Beamten erreicht wird, liegen Angestellte im Management eines Unternehmens in der Wirtschaft schnell durchaus beim 10-100-fachen. Ob diese Gehälter gerechtfertigt sind steht auf einem anderen Blatt, der Vergleich soll aber verdeutlichen, dass Beamte in anderen Bereichen Einbußen in Kauf nehmen.
• Die Situation in der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch insoweit nicht mit der Beamtenversorgung vergleichbar, als in die Berechnung grundsätzlich alle Arten von rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung einfließen. Berücksichtigt werden damit sowohl die relativ niedrigen Einkommen nicht qualifizierter bzw. nur geringfügig Beschäftigter wie auch die Einkommen derjenigen, die wegen unterbrochener Erwerbsbiografien nur vorübergehend in die Sozialversicherungssysteme einzahlen.
• In der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen die Einkommen generell nur bis zur Höhe der maßgeblichen Einkommensbemessungsgrenze der Versicherungspflicht.
Auch zu erwähnen ist das System der zusätzlichen Betriebsrenten, dass in vielen Unternehmen existiert und einen weiteren Unterschied zum eingleisigen System der Beamtenpensionen darstellt.
Ich hoffe, dass ich zumindest einige Erklärungen geben konnte, warum es einen Unterschied zwischen den beiden Systemen gibt und die Maßnahmen der Rentenreform nicht in allen Bereichen spiegelbildlich auf die Beamtenversorgung übertragen werden können. Ich verstehe aber gut, dass dies teilweise ungerecht erscheinen mag und bin der festen Überzeugung, dass hier alle rechtlichen Möglichkeiten ergriffen werden müssen, um eine faire und angemessene Situation für alle Bürger in der Alterssicherung zu schaffen.
Durch die versorgungsrechtlichen Reformmaßnahmen des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 in Übertragung der ersten Stufe der Rentenreform 2001 mittels der versorgungsrechtlichen Anpassungsfaktoren des Reformmechanismus des § 69e BeamtVG wurde das Versorgungsniveau in den letzten zehn Jahren um rund 5 % gesenkt im Vergleich zu dem geltenden Recht mit Stand vor den Reformmaßnahmen, d.h. vor 2003. Auch bei der Übertragung der 2. Stufe der Rentenreform bis 2017 wird es weitere Minderungen geben. Hier das komplette Versorgungsänderungsgesetz darzustellen würde zu weit führen, aber anhand der geschilderten Beispiele ist absehbar, dass ein Ausgleich zwischen Renten und Pensionen erzielt werden soll. Für eine umfangreiche Darstellung der Thematik darf ich auf den Prüfbericht
des Bundesministeriums des Innern nach § 69e Absatz 7 des Beamtenversorgungsgesetzes
zu Wirkungen von Versorgungsminderungen aufgrund des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 verweisen, der auf der Internetseite des BMI zu finden ist oder den ich Ihnen auf Wunsch auch gern zusenden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich