Frage an Michael Hennrich von Elisabeth W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Hennrich,
nun meine ganz konkrete Frage:
Vor dem Hintergrund, dass jeder Bürger darauf hingewiesen wird, auch das Kleingedruckte in Verträgen zu lesen frage ich mich, wieso stimmen Sie über einen Vertrag ab,in dem die in der Nacht zuvor auf dem EU-Gipfel beschlossenen Finanzhilfen nicht konkret enthalten sind und schon am Tag darauf von den Beteiligten die getroffenen Beschlüsse unterschiedlich interpretiert werden?
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Walk
Sehr geehrte Frau Walk,
ich danke Ihnen sehr für Ihre Email vom 5. Juli und beziehe gern dazu Stellung. Tatsächlich ist die Stabilisierung der Eurozone derzeit immer noch eines der wichtigsten Themen, über das wir als Parlamentarier zu entscheiden haben. Und selbstverständlich überprüfen wir sehr genau und gewissenhaft eine Vorlage, bevor wir über sie beschließen.
Wir haben in der letzten Juniwoche ein umfassendes Gesetzespaket zur Euro-Stabilisierung auf den Weg gebracht. Das ist ein starkes Signal für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit unserer Währung. Und dass es heute in Europa keine Eurobonds, Schuldentilgungsfonds und schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme gibt, ist auf die Standfestigkeit unserer Bundesregierung zurückzuführen.
In der Öffentlichkeit haben aber scheinbar die Beschlüsse des Eurogipfels für einige Verwirrungen gesorgt. Tatsache ist: Die Gipfelbeschlüsse haben keine Auswirkungen auf die gerade im Bundestag beschlossenen Gesetze. Hilfen aus EFSF und ESM werden weiterhin nur unter besonderen Bedingungen und Kontrollen gewährt. Schließlich ist beim Gipfel auch vereinbart worden, dass die länderspezifischen Empfehlungen zukünftig in die Auflagen für Empfängerländer von ESM-Hilfen einfließen sollen. Diese Auflagen müssen nach dem ESM-Vertrag in einer Vereinbarung (sog. Memorandum of Unterstanding) niedergelegt sein und von den Finanzministern in der Eurogruppe einstimmig akzeptiert werden.
Bevor die Gipfelbeschlüsse überhaupt erst bei uns in Gesetzesform gegossen werden, bedarf es einiger Vorarbeiten, wie etwa Regelungen zur europäischen Bankenaufsicht. Erst dann stellt sich die Frage, ob der ESM verändert werden muss.
Mit dem Fiskalvertrag und dem ESM konnten wir eine neue Stabilität für Europa zu errichten. Diese gemeinsame Kraftanstrengung von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen war schwer, aber wichtig um die Krise an ihren Wurzeln zu bekämpfen. Wir brauchen in den von der akuten Krise betroffenen Mitgliedsstaaten solide Staatsfinanzen und Strukturreformen für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.
Auch wird immer wieder einmal behauptet, dass wir mit dem ESM die Verantwortung für unsere nationalen Haushalte aus der Hand geben und wir keine Kontrolle über das Handeln des ESM haben. Diese Behauptung ist falsch und gehört zu den vielen angesprochenen Fehlinterpretationen, sie kursieren.
Fakt ist: Alle wesentlichen Entscheidungen, die der ESM treffen kann, einschließlich der Gewährung von Finanzhilfen oder Änderungen am gezeichneten Kapital, müssen einstimmig durch den Gouverneursrat des ESM getroffen werden. Deutschland verfügt bei allen wichtigen Entscheidungen des ESM über ein Vetorecht, welches dem Deutschen Bundestag übertragen wurde. Hat der deutsche Vertreter kein Votum des Bundestages, so muss er mit Nein stimmen.
Das Plenum des Deutschen Bundestages muss immer vorher zustimmen, wenn der ESM ein neues finanzielles Risiko eingeht. Die Zustimmung des Haushaltsausschusses ist z. B. dann notwendig, wenn die Bedingungen von Hilfsprogrammen geändert werden sollen. Zudem ist er vor Auszahlungen einzelner Tranchen bereits genehmigter Programme zu beteiligen.
Die Bundeskanzlerin hat hier den Forderungen anderer Eurostaaten standgehalten und im Sinne unseres Landes entschieden. Bitte seien Sie sicher, dass wir das Vermögen Deutschlands nicht leichtfertig auf´s Spiel setzen. Denn Eurobonds lösen die grundlegenden Probleme nicht und Überlegungen aus Brüssel zu strukturellen Reformen mit dem Endziel der Einführung einer gemeinschaftlichen Haftung sind nicht hilfreich und mit uns nicht zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich