Frage an Michael Hennrich von Wolfgang M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Hennrich,
Wie einem Artikel des Spiegel zu entnehmen ist, steht zur Zeit eine m.E. gravierende Änderung des Arzneimittelgesetzes zur Gesetzgebung an.
Diese geplante Änderung bedeutet m.E. eine Degradierung des IQWIG zusammen mit dem GBA zu einer reinen Abnickorganisation, mit gravierenden Folgen.
Die Folgekosten dieser Änderung des Gesetzes für das Gesundheitswesen werden im Zeitraum der Realisierung, die von Stuttgart 21, das zur Zeit in aller Munde ist, bei weitem überschreiten, nur dass bei vorgenanntem Projekt keine Menschenleben in Gefahr gebracht werden, wie es leider zu befürchten ist, wenn man die Pharma-Industrie fast unüberwacht gewähren läßt.
Meine Frage lautet nun:
"Wie ernst nehmen Sie nun die mögliche Gefährdung von Menschenleben zu Gunsten der Gewinnnmaximierung der Pharma-Industrie, so Sie der Änderung des Gesetzes zustimmen sollten, und sind Sie bereit, dafür auch persönlich verantwortlich zu sein?"
Mit freundlichem Gruß
Wolfgang Melcher
Lieber Herr Melcher,
vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch.
Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) führt meines Erachtens keinesfalls zu den von Ihnen beschriebenen Befürchtungen.
Das AMNOG sieht – und dass ist der Strukturwandel, den Sie letztlich bemängeln – ein Schnellbewertungsverfahren für neue Arzneimittel vor.
Hier geht es darum, ob ein innovatives Arzneimittel einen tatsächlichen Zusatznutzen erbringt. Nur wenn dies der Fall ist, erstattet die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die Behandlung.
Hintergrund ist, dass sich nach dem bisherigen Verfahren viele Arzneimittel zunächst auf den deutschen Markt kommen konnten, von denen wir erst Jahre später in der Rückschau feststellen konnten, dass es sich bei den vermeintlich „neuen“ Mitteln um Präparate handelt, die in vergleichbarer Form dem Versicherten bereits zur Verfügung standen.
Da der Hersteller, und das ist weltweit fast einzigartig, den Preis für neue Mittel selbst bestimmen konnte, hat dieser Mechanismus in den vergangenen Jahren zu enormen Unkosten im öffentlichen Gesundheitssystem geführt. Diese gilt es vor einem erwarteten Defizit von 11 Mrd. Euro im kommenden Jahr zu deckeln.
Das Schnellbewertungsverfahren, wie es das AMNOG vorsieht, setzt daher voraus, dass der Hersteller den Nachweis erbringt, dass „sein“ Arzneimittel auch tatsächlich neue Wirkungen zeigt, von denen der Patient profitiert.
Dabei handelt es sich um eine sog. Beweislastumkehr. Denn bisher musste das IQWIG als unabhängiges wissenschaftliches Institut diesen Nachweis erbringen bzw. widerlegen. Da das IQWIG selbst keine Studien durchführt und in Folge dessen auf Forschungsergebnisse warten musste, zog sich das Kosten-Nutzen-Verfahren des IQWIGs zum Teil über Jahre.
Innerhalb von drei Monaten wird nun eine erste Bewertung durch den GBA vorgenommen. Kommt dieser zu dem Ergebnis, dass ein Mehrnutzen zu den herkömmlichen Therapien besteht, so kann der Hersteller nach wie vor den Preis verhandeln. Das IQWIG wird auch weiterhin eine Kosten-Nutzen-Bewertung vornehmen.
Besteht laut GBA kein Mehrnutzen, so wird das Präparat den sog. Festbeträgen zugeordnet. In diesem Fall gibt es dann eine Preisbindung.
Sicherlich werden Fälle auftauchen, wo ein Mehrnutzen durch den Hersteller erst nach Jahren nachweisbar ist. In diesem Fall gilt: Nach 12 Monaten kann erneut das Schnellbewertungsverfahren angestrebt werden.
Ich halte daher die geplanten Neureglungen nicht für Innovationsfeindlich. Im Gegenteil. Denn uns geht es nicht darum, echte Innovationen für „kleines Geld“ zu erhalten. Allein die sog. Scheininnovationen sollen herausgefiltert werden, für die wir der Steuerzahler zahlt, ohne dass sie ihm bzw. dem Versicherten zugute kommen.
Ein Schnellverfahren bietet uns allein die Möglichkeit, nicht länger die Katze im Sack kaufen (und vor allem bezahlen zu müssen) – jeder Hersteller kann hier mit Studien Transparenz schaffen und den Mehrnutzen beweisen.
Der Patient soll und wird nach wie vor nach dem neusten medizinischen Behandlungsmethoden profitieren. Und dazu trägt das Schnellverfahren bei.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich