Frage an Michael Hennrich von Sven L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Hennrich,
1. Wirtschaft:
2002 wurde durch Rot-Grün mit der Unternehmenssteuerreform eine Entlastung der Unternehmen vorangetrieben, welche aus dem Ruder gelaufen ist:
- Verrechnung von Zinskosten + Betriebsausgaben für Arbeitsplatzverlergungen ins Ausland ohne Rückforderung bereits erhaltener Subventionen?
- Verrechnung von Verlusten im Ausland mit Gewinnen im Inland
- ständig steigende Gewinne + Dividendenausschüttungen vs. Entlassungen, Subventionen, steuerbilanzieller Verlustausweisungen z.L. des Staatshaushaltes (Quelle: Asoziale Marktwirtschaft, Hein/Schmiederer, 2005)
Wann wird das geändert und wie genau?
2. Wirtschaft:
Warum lassen Sie zu, dass in den letzen Jahren ca. 1,8-2,6 Mio. sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen wegfielen und z.T. durch Niedriglohnverhältnisse, Leiharbeiter, Minijobber ersetzt wurden? (Quelle: BM f. Arbeit/"Machtwahn" v. Albrecht Müller, 2007). Warum demontieren Sie diesen Staat und die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte ohne die Auswirkungen Ihres Handelns zu prüfen?!? Immerhin sind die Reallöhne in Dtl. lt. OECD-Studie von 2009 um über 1% gesunken in den letzten Jahren, trotz steigenden BIP`s ... wie kann das sein? (siehe auch OECD Economic Outlook Nr. 78 v. 2005, und nein, es wurde NICHT besser seitdem)
Gesundheitspolitik:
Warum werden Arzneimittelpreise in Dtl. nicht durch Gesundheitsmin./Kr.kassen in Verhandlungen m.d. Pharmaunt. ausgehandelt? Andere Länder tun dies.
Soziales:
Trotz sinkender Sozialbeiträge/Steuereinnahmen wg. ständig sinkender Vollzeitbeschäftigungen frage ich mich, warum Beamte/Abgeordnete noch immer KEINEN Beitrag zur Sicherung der Sozialsysteme leisten und dennoch Ansprüche (Rente, steuerfreie Pauschalen, nicht zu belegende Aufw. etc.) erwerben/haben, welche selbst ein "Otto-Normal-Arbeitnehmer" nach 80-100 Jahren Erwerbstätigkeit nicht erreichen kann ((1,7-TE-Rente, "Büropauschale" 13 TE p.a., 3,8 TE Aufwandspauschale (mtl.) für Abgeordnete, Diätenselbstbestimmung usw.)).
Sehr geehrter Herr Lips,
vielen Dank für Ihre Fragen zu den Themen Wirtschaft, Gesundheit und Soziales.
Ihre erste Frage zeigt, dass uns durch die Wirtschaftskrise die Schwächen der Unternehmenssteuerreform vor Augen geführt worden sind und wir eine krisenfeste Regelung auf diesem Gebiet brauchen. Allerdings sieht die Union Steuererhöhungen, wie Sie sie vorschlagen, äußerst kritisch. Wichtig für den Standort Deutschland ist, dass wir Unternehmen motivieren, sich hier anzusiedeln. Aus diesem Grund wird es wachstumsfeindliche Steuerpolitik mit CDU und CSU nicht geben. Darüber hinaus gehend bitte ich um Verständnis, dass es wenige Tage nach der Wahl und noch vor Bildung des neuen Bundestages weder einen genauen Zeitplan noch konkrete Informationen über die Ausgestaltung zukünftiger Regelungen gibt, die ich an Sie weiterleiten könnte. Gerne werde ich Sie aber auf dem Laufenden halten. Sofern Sie dies wünschen, kommen Sie bitte erneut auf mich zu.
Die genannten Zahlen in Ihrer zweiten Frage decken sich nicht mit den mir bekannten Statistiken. Nach meiner Information wurde bis zu Beginn der Krise der internationalen Finanzmärkte und der Weltwirtschaft mit weit über 40 Millionen Erwerbstätigen ein historischer Höchststand in Deutschland erreicht. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war seit Amtsantritt von Angela Merkel um über 1 Million auf weit über 27 Millionen angestiegen. Dabei ist es zudem erstmals seit der deutschen Wiedervereinigung gelungen, den Rückgang der Vollzeitbeschäftigung umzukehren. So waren noch im Herbst 2008 knapp 600.000 Menschen mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als ein Jahr zuvor, davon entfielen knapp zwei Drittel auf Vollzeitstellen. Niemand kann ersthaft bestreiten, dass sich auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Wirtschaftskrise negative Entwicklungen ergeben haben. Die Ihrerseits erhoben Vorwürfe einer Demontierung des Staates weise ich jedoch zurück. Meines Erachtens haben die Maßnahmen der Regierungskoalition im Gegenteil schlimmeres verhindert und die Situation stabilisiert.
Zu Ihrer dritten Frage: Was Ihren Vorschlag anbetrifft, dass Arzneimittelpreise durch Verträge zwischen den Krankenkassen und den Pharmaunternehmen ausgehandelt werden soll, so haben wir diesen im April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz aufgegriffen.
Seit diesem Zeitpunkt können die gesetzlichen Krankenversicherungen vertragliche Vereinbarungen mit Arzneimittelherstellern über die exklusive Belieferung mit bestimmten Arzneimitteln des Herstellers abschließen. Ziel der sog. Rabattverträge ist es, die Kosten bei den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zu senken und auf diesem Wege letztlich zur Absenkung der Lohnnebenkosten beizutragen.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten stößt das System nun bei den Kassen auf große Akzeptanz mit der Folge, dass wir einen Wettbewerb zugunsten des Versicherten erreicht haben.
Die Ihrerseits in der vierten Frage angesprochene Diskussion um den Bestand des Beamtentums halte ich nur teilweise für nachvollziehbar. So werden zum Beispiel das Renteneintrittsalter auch für Bundestagsabgeordnete und Beamte schrittweise auf 67 ebenso erhöht wie bei anderen Arbeitnehmern. Die Landesregierung Baden-Württemberg wollte sogar aus Kostengründen das Pensionseintrittsalter für Beamte etappenweise bereits bis zum Jahr 2020 auf 67 Jahre erhöhen und hat hierfür von den Gewerkschaften heftigen Protest geerntet. In anderen Bundesländern und beim Bund soll das Pensionseintrittsalter jedenfalls bis 2029 angehoben werden. Hinsichtlich der Rentenhöhe sind die von Ihnen befürchteten Diskrepanzen nicht so groß wie vermutet. Es mag sein, dass die durchschnittlichen Beamten-Pensionen höher sind, als die durchschnittliche Rente in Deutschland. Das liegt meiner Ansicht nach aber darin begründet, dass hier oft ein unverhältnismäßiger Vergleich beider Gruppen herangezogen wird. Vielmehr kann die Durchschnittspension nicht mit der Durchschnittsrente gleichgestellt und dann verglichen werden, sondern es sollten vergleichbare Berufsgruppen aus beiden Systemen herangezogen werden. Ein Beamter im höheren Dienst hat im Regelfall ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Daher sollte seine Pension auch mit der Rente eines Angestellten in vergleichbarer Position verglichen werden - hier werden Sie keine großen Unterschiede feststellen, im Gegenteil. Gleiches gilt, wenn Sie sich die durchschnittliche Pension von Polizeibeamten aus Baden-Württemberg ansehen - hier kann von einer Besserstellung keine Rede sein.
Die von Ihnen kritisierte Ungleichbehandlung aufgrund eines fehlendenen Beitrags der Beamten in die Sozialen Sicherungssysteme kann man diskutierten. Dabei sollte man aber bedenken, dass die Beamten nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen auch keine Leistungen der sozialen Sicherung in Anspruch nehmen, sondern aus einem anderen "Topf" versorgt werden. Alles in Allem ist hier also eine differenzierte Betrachtungsweise angezeigt, wobei ich gut nachvollziehen kann, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise der sichere Arbeitsplatz und die damit verbundene Absicherung von Beamten beim Bürger auf Unmut stößt. Bei all dem sollten aber die Leistungen und Erfolge, die wir unseren Polizisten, Lehrern und anderen Beamten verdanken, nicht in Vergessenheit geraten.
Gerne können wir uns nach der Bundestagswahl persönlich über die angesprochenen Themen unterhalten. Sollten Sie Interesse haben, vereinbaren Sie bitte einen Termin mit meinem Wahlkreisbüro.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich