Frage an Michael Hartmann von Fabian B. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Hartmann,
als "meinen Wahlkreiskandidat" möchte ich Sie nach Ihrer Position zu dem Bahn-Privatisierungsmodell von Herrn Tiefensee fragen:
- Warum benötigen die Bürger als Kunden eine Privatisierung?
Die Bahn ist ohnehin als "Global Player" tätig (Schenker). Bereits heute wurden mehrere hundert Bahnhöfe geschlossen, mehrere tausend Kilometer Gleis still gelegt und Personal entlassen.
- Warum benötigt der Bund eine Privatisierung?
Per Grundgesetz ist er für die Bereitstellung der Infrastruktur zum "Wohl der Allgemeinheit" verpflichtet. Wird diese Verpflichtung, wenn (wie in diesem Fall) auch nur "operativ" abgegeben und die privatwirtschaftliche Organisation der Infrastruktur scheitert, muss der Bund finanziell "in die Bresche springen". Des weiteren wird der Bund die Infrastruktur (über die er einen Teil seiner Stimmrechte abgibt) ohnehin weiter jährlich mit 2,5 Milliarden Euro finanzieren.
Der Englische Staat zahlt inzwischen eine vielfaches seines Verkaufserlöses, um das Netz instand zu halten. Die privaten Unternehmen wiesen jahrelang Gewinne aus, statt ihren Aufgaben nachzukommen. Bevor man sie in die Pflicht nehmen konnte, waren sie Pleite.
(Zum Thema "privatwirtschaftlicher Verantwortung für die Allgemeinheit " denke man an die derzeitige Lage der Finanzmärkte: Auch hier müssen die Zentralbanken geradestehen, nachdem sich Investoren ausgelebt haben).
-Wofür benötigt die Bahn eine weitere Privatisierung?
Im Sinne von Herrn Mehdorn ist sie bereits heute auf wichtigen Wachstumsmärkten gut positioniert. Mit den dort erwirtschafteten Mitteln könnte auch das Kerngeschäft "Personen- und Güterverkehr, Deutschland" weiter auf Wachstumskurs gebracht werden. Und das ohne künftige Dividendenausschüttung.
Ich möchte mich im vornherein für Ihre Antwort und Mühe bedanken und wünsche weiterhin gutes Wirken.
Mit freundlichem Gruße,
Fabian Bauer
Sehr geehrter Herr Bauer,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de, die ich hiermit beantworte.
Deutschland wir in Zukunft schon allein wegen seiner zentralen Lage in Europa besonders von der anhaltenden Expansion des Weltmarktes und des internationalen Handels profitieren. Gerade der Handel mit den mittel- und osteuropäischen Staaten wird in Deutschland weiterhin deutlich zunehmen. Diese zunächst allgemein positive wirtschaftliche Entwicklung wird unter anderem auch eine hohe Güterverkehrsnachfrage zur Folge haben, und das Verkehrsaufkommen wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Güterverkehrsaufkommen bis zum Jahre 2050 um knapp die Hälfte zunehmen (von 3,7 Milliarden auf fast 5,5 Milliarden Tonnen) und die Güterverkehrsleistung sich mehr als verdoppeln wird (von heute etwas weniger als 600 Milliarden Tonnenkilometern auf dann mehr als 1.200 Milliarden Tonnenkilometer). Auch bereits kurzfristig wird ein klarer Anstieg des Güterverkehrs prognostiziert – zwischen 2004 und 2008 nimmt die Güterverkehrsleistung aller Landverkehrsträger insgesamt um rund 22,4% zu. Beim Personenverkehr wird bis zum Jahre 2030 im südwestdeutschen Raum bis zu 75% mehr grenzüberschreitender Personenverkehr erwartet.
Fest steht: Die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Transportinfrastruktur wird in Zukunft einen noch stärkere Rolle spielen. Wir, die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, wollen, dass der Schienenverkehr eine große und entscheidende Rolle an der Übernahme dieser Zukunftsaufgabe einnimmt.
Durch eine Teilprivatisierung der Bahn würde die notwendige Kapitalausstattung des Unternehmens wesentlich gestärkt, ihr Mobilitätsangebot verbessert und erweitert und sie wird wettbewerbsfähig für die Anforderungen für morgen. Mit einem Gesetz zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG kann der Wettbewerb auf der Schiene gestärkt werden. Davon profitieren auch die Bahnkunden, durch faire Preise und bedarfsgerechte Angebote. Zugleich geht es darum, das Unternehmen Deutsche Bahn AG zu stärken: Indem wir die Bahn für eine Teilprivatisierung öffnen, steht ihr mehr Kapital zur Verfügung, um moderne Züge zu beschaffen, Bahnhöfe zu renovieren und einen attraktiven Personenverkehr anzubieten. Wir wollen weitere Investitionen finanzieren und so Arbeitsplätze langfristig sichern und schaffen. Zum Vergleich: In den letzten 24 Jahren des Bestehens der Bundesbahn bis 1994 wurden lediglich 50 Milliarden Euro investiert; dagegen wurde das System Schiene allein im Zeitraum von 1994 bis 2005 mit rund 92 Milliarden Euro im Rekordtempo modernisiert. Eine Fortsetzung dieser Investitionsoffensive scheint ohne privates Kapital nicht möglich.
Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering hat zurecht betont, dass unter einer Teilprivatisierung der Bahn der Regionalverkehr und letztlich der Fahrgast nicht leiden dürfe. Diese Meinung teile ich ausdrücklich.
Sehr geehrter Herr Bauer, eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG kann eine gute Chance darstellen, das „Wie“ in der endgültigen Umsetzung, als Beispiel sei hier der viel beachtete Vorschlag des Volksaktienmodells genannt, wird allerdings entscheidend sein und darüber muss auch noch detailliert geredet werden. Wir befinden uns noch in einem schwierigen Entscheidungs- und Abwägungsprozess – auch ich ganz persönlich – der noch nicht abgeschlossen ist. Mit Sicherheit werden allerdings alle Argumente bis zum Bundesparteitag der SPD in Hamburg im Oktober diesen Jahres ausgetauscht worden sein. Ich darf Ihnen für Ihre kritischen Anmerkungen danken. Sie sind eine große Hilfe auf dem Weg zu einer sachgerechten Entscheidung in dieser schwierigen Frage.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Michael Hartmann, MdB