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Michael Hartmann
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Frage von Wolfgang R. •

Frage an Michael Hartmann von Wolfgang R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Wieso ist der Arbeitsmarkt in Deutschland so schlecht
Wieso gibt es so viel Arbeitslose
Wieso werden 1 Euro Jobber aus der Arbeitslosenstatistik herausgerechnet
Wieso sagen die Politiker nicht die Wahrheit das es nicht genug Arbeit in Deutschland gibt
Wieso leben andere im Saus und Braus und andere in Deutschland haben keine Arbeit und nichts zu essen.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ross,

herzlichen Dank für Ihre Frage, die ich hiermit beantworte.

Wir hatten im vergangenen Jahr ein sattes Wachstum von 2,5 Prozent. Diese positive Entwicklung wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen, alle Prognosen sprechen dafür. Die Auftragseingänge entwickeln sich weiterhin gut, die Investitionen in neue Maschinen und Ausrüstungen ziehen an. Das Frühjahrsgutachten spricht von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für dieses Jahr von 2,4 Prozent. Für das nächste Jahr werden ebenfalls 2,4 Prozent erwartet. Aktuell wächst die deutsche Wirtschaft stärker als unser langjähriges Wachstumsvorbild USA. Europäische Topmanager bezeichnen Deutschland mittlerweile als das wettbewerbsfähigste Land der Eurozone.

Auch auf dem Arbeitsmarkt wird endlich Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Es sind zwar immer noch rund 3,75 Mio. Arbeitslose (Stand: Juli 2007) und jeder einzelne ist einer zu viel. Eine leichte Zunahme, wie sie verzeichnet wurde, ist allerdings in diesem Sommermonat nichts Außergewöhnliches, da viele Lehrlinge dann ihre Ausbildung beenden und erst nach der Sommerpause wieder einen neuen Job finden. Wir reduzieren die Anzahl der Arbeitslosen weiter: Viele arbeitslose Menschen finden jetzt wieder eine reguläre Beschäftigung. 26,7 Mio. Menschen arbeiten wieder sozialversicherungspflichtig, also mit vollem Versicherungsschutz und einem eigenen Einkommen. 26,7 Mio. Menschen, das ist der höchste Stand seit November 2003.

Die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten (den sogenannten „1-Euro-Jobs“) ist ein Instrument unter verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten. Der Fallmanager im JobCenter wird auf dieses Instrument nur dann zurückgreifen, wenn er dies für notwendig hält, um perspektivisch die Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen.
Welche Vorteile bieten nun gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten für Arbeitsuchende selbst?

- Arbeitsgelegenheiten kommt eine Brückenfunktion zu: An eine Dauerbeschäftigung ist dort nicht gedacht; der Fallmanager handelt nur dann erfolgreich, wenn es ihm im Ergebnis gelingt, den Arbeitsuchenden in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine Arbeitsgelegenheit kann hier nur eine Lösung auf Zeit sein.
- Hinzu kommt, dass Arbeitsgelegenheiten nur für im öffentlichen Interesse liegende und zusätzliche Arbeiten geschaffen werden sollen. Übersehen wird in der Diskussion oftmals auch, dass die Arbeitsgelegenheiten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) solche nach dem heutigen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ersetzen; der Nettoeffekt ist insofern entsprechend geringer.
- Daher kann auch hierdurch kein Vorschub für Lohndumping geleistet werden.
- Wer einer solchen Tätigkeit nachgeht, erhält weiterhin die staatliche Hilfeleistung, also das Arbeitslosengeld II; die Mehraufwandsentschädigung in Höhe von beispielsweise1 bis 2 Euro je Stunde wird zusätzlich gezahlt. Der Arbeitsuchende kann dadurch seine finanzielle Situation wesentlich verbessern. Leicht ergeben sich Einnahmen von 850 bis 1.000 Euro monatlich.
- Die Arbeitsgelegenheiten begründen zwar kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz sind aber entsprechend anzuwenden.
- Im Vordergrund steht die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Auch wenn dies nicht immer im Anschluss an die Arbeitsgelegenheit möglich sein wird, so ist aber der Aspekt der Qualifizierung von nicht zu unterschätzender Bedeutung – zumal in Zeiten, in denen das lebenslange Lernen immer mehr zu einer Schlüsselqualifikation wird. Umso wichtiger ist es, dass die Arbeitsgelegenheit bestimmten Qualitätskriterien entspricht.
- Nicht zu vernachlässigen ist schließlich der psychologische Effekt: Nicht wenige der Betroffenen haben angesichts erfolgloser eigener Bemühungen um einen Arbeitsplatz innerlich kapituliert, haben das Gefühl „von der Gesellschaft nicht mehr gebraucht zu werden“ oder gar von der selben ausgeschlossen zu sein. Die Ausübung einer gemeinnützigen Tätigkeit kann hier helfen – zumal wenn sie einen Dienst am Gemeinwohl darstellt.

Sehr geehrter Herr Ross, die Politik kann dazu beitragen, dass die Wirtschaft neue Arbeitsplätze schafft. Allerdings sehe ich die Unternehmen in der Pflicht, durch kluge und vor allem soziale Unternehmensführung auch die den Menschen Arbeit zu geben. Dies schafft man nicht, wenn man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen beschäftigt oder Betriebe in Billiglohnländer verlagert. Politik kann viel erreichen, aber vieles eben nur, wenn auch die Unternehmen der Wirtschaft mitziehen!

Leider geht es in Deutschland nicht allen Menschen gleich gut, und ja, leider klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Dem müssen wir alle entgegenwirken! Wir müssen Politik gestalten, die notwendige Reformen anpackt und dabei nicht allein jene belastet, die ohnehin mit weniger auskommen müssen. Wir müssen auch erreichen, dass jene, denen es besser geht als vielen anderen auch bereit sind, Verantwortung für Menschen ohne diese Privilegien zu übernehmen. Wir Sozialdemokraten stehen für die soziale Gerechtigkeit, in der alle die gleichen Chancen zu haben, hohe Ziele zu erreichen, ohne dass es darauf ankommt, woher sie kommen oder aus welchem Elternhaus sie abstammen.

Seit 1998 tragen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag Verantwortung als Regierungsfraktion. Wir haben mit Gerhard Schröder den Mut aufgebracht, die notwendigen Reformen anzupacken. Trotz starker öffentlicher Widerstände, innerparteilicher Konflikte, schlechter Wahlergebnisse haben wir Kurs gehalten. Dieser Mut und diese Ausdauer zahlen sich jetzt aus. Die von uns umgesetzten Reformen und die begleitenden konjunkturfördernden Maßnahmen sind ausgewogen und in ihrer Wirkung richtig dosiert. Sie haben in Wirtschaft und Gesellschaft die richtigen Impulse gesetzt, um einen soliden wirtschaftlichen Aufschwung in Gang zu setzen. Jetzt kommt es darauf an, dass dieser Aufschwung allen zugute kommt. Alle Menschen sollen von einem Vollzeitjob auch leben können. Dafür stehen wir Sozialdemokraten, nicht nur mit unserer Forderung, Mindestlöhne in Deutschland gesetzlich einzuführen. Die menschenwürdige Gestaltung der Arbeitsgesellschaft hat für die SPD höchste Priorität und wird ihr unverwechselbares Markenzeichen bleiben. Unsere Arbeitsmarktpolitik muss auch gerade denjenigen helfen, die langfristig chancenlos sind und nicht aus eigener Kraft eine Arbeit finden.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Michael Hartmann