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Michael Hartmann
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Frage von Oliver D. •

Frage an Michael Hartmann von Oliver D. bezüglich Recht

Sehr geehrter Hr. Hartmann,

mit großer Freude habe ich Ihren aktuellen Ausruf zur gegenwärtigen NSA Abhördebatte "Es wäre absolut nicht hinnehmbar, wenn es etwa eine Duldung der Ausspähung deutscher Staatsbürger gegeben hat und die Dienste und das Kanzleramt heimlich davon wussten“ gelesen.

Nun ist das allierte Abhörprivileg ja 1968 im Rahmen der G10 Gesetzgegung und geheimer Zusatzabkommen unter der Regierung Brandt in deutsches Recht überführt worden.

http://bit.ly/14NvB8L

Hat die SPD ihre historische Rolle dahingehend schon überprüft?

Plant die SPD das alliierte Abhörprivileg abzuschaffen?

Mit freundlichen Grüßen

Oli Dietzel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dietzel,

vielen Dank für Ihre Email.

Ihre Fragen zum Nato-Zusatzabkommen möchte ich Ihnen hiermit gern beantworten:

Die West-Alliierten räumten den deutschen Behörden nach dem Zweiten Weltkrieg nur sukzessive wieder Hoheitsrechte ein (Aide Mémoire vom 22.11.1948). Trotz Revision des Besatzungsstatutes vom 06.03.1951 und Deutschlandvertrag i.d.F.v. 23.10.1954 (mit NATO-Beitritt 1955 in Kraft) behielten die West-Alliierten Abhörbefugnisse bis 1968. Ab diesem Zeitpunkt mussten die West-Alliierten die deutschen Nachrichtendienste um die Vornahme von Maßnahmen ersuchen.

Die Notstandsverfassung von 1968 traf nicht nur Vorsorge für den Spannungs- und Verteidigungsfall, sondern bezweckte auch die Beendigung der Einschränkung der deutschen Souveränität durch diese so genannten Vorbehaltsrechte. Mit dem Inkrafttreten des G 10-Gesetzes am 01.11.1968 erloschen die Vorbehaltsrechte (mit Ausnahme von West-Berlin).

Nur der Vollständigkeit halber: Nach allem was wir bislang aus der Geschichte des Ministeriums für Staatsicherheit der DDR wissen, hatten dort sowjetische Nachrichtendienste bis zur Wiedervereinigung 1990 entsprechend Möglichkeiten.

Mit dem Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 sollte dem besonderen Interesse der West-Alliierten an der Sicherheit ihrer Truppen in Deutschland nachgekommen werden. Dies ist meines Erachtens verständlich, denn immerhin schützten die West-Alliierten hier die Freiheit der Bundesrepublik vor den Truppen des Warschauer Paktes.

Im Übrigen, so geheim war dieses Zusatzabkommen nicht, denn es wird beispielsweise im G 10 Gesetz zitiert (§ 7a G 10-Gesetz).

Ob die Regelungen heute noch völkerrechtliche Wirkung entfalten und Deutschland verpflichten, ist umstritten. Angewandt werden sie seit Jahren nicht mehr, weil die amerikanischen Nachrichtendienste mittlerweile andere technische Möglichkeiten haben, die sie interessierenden Daten abzuschöpfen. Ein Großteil aller Server stehen in den USA und selbst Inlandsgespräche in der Bundesrepublik werden im paketvermittelten Fernmeldeverkehr regelmäßig über die USA geroutet. Dies spricht aber nicht dagegen, das Abkommen auch offiziell zu beenden.

Noch ein Wort zu dem von mir so geschätzten Willy Brandt. Er war erst ab 1969 (bis 1974) Bundeskanzler, zuvor nur Vizekanzler und Außenminister. Aber auch aus heutiger Sicht braucht sich die SPD für die Beteiligung an der der so genannten Notstandsgesetzgebung nicht zu schämen, denn die damalige Regelung war ein großer Schritt, um die noch viel weiter reichenden, zuvor gültigen Befugnisse der Alliierten zu beenden. Vorher konnten die West-Alliierten hier abhören, ohne deutsche Stellen zu unterrichten, geschweige denn um Erlaubnis zu bitten.

In der Hoffnung, Ihnen somit weitergeholfen zu haben, verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen

Michael Hartmann, MdB