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Michael Hartmann
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Frage von Christa W. •

Frage an Michael Hartmann von Christa W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hartmann,

Beschäftigtendatenschutzgesetz oder doch eher Beschäftigtenausforschungserlaubnisgesetz ?
Diesem Entwurf kann ein SPD-Abgeordneter nicht zustimmen-oder?

Ist es aus Ihrer Sicht richtig,dass

die Regelung in § 32d Abs. 3 eine allgemeine „Lizenz zur Kontrolle“ enthält Arbeitgeber sollen hiernach anlasslose Screenings von E-Mails und Internetzugriffen durchführen können, um zu prüfen, ob es Straftaten aus dem Bereich der Untreue, Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit gegeben hat. Im ersten Durchgang müssen diese Suchläufe anonym erfolgen. Ergeben sich dabei konkrete Verdachtsfälle, kann personenbezogen nachrecherchiert werden. Arbeitgebern fallen damit umfassende Ermittlungskompetenzen zu. Belegschaften werden unter Generalverdacht gestellt. Möglich ist zudem, dass Arbeitgeber Erkenntnisse zu anderen Sachverhalten erhalten und diese arbeitsrechtlich gegen Beschäftigte verwenden.

" Der Entwurf des Beschäftigtendatenschutzgesetzes beinhaltet eine Fülle weiterer Regelungen, durch die die Erhebungs-, Verarbeitungs- und Nutzungsbefugnisse von Arbeitgebern auf Kosten der Beschäftigten massiv ausgeweitet werden.
Im Ergebnis verschlechtert er die datenschutzrechtliche Situation von Beschäftigten grundlegend und erheblich. Der Gesetzentwurf verdient den Namen "Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes" nicht . Der Schutz der Beschäftigtendaten tritt in diesem Entwurf hinter bisherige Regelungen zurück. Richtiger wäre wohl der Name "Beschäftigtenausforschungserlaubnisgesetz".

Dieser Meinung des Direktors und Leiters der Europäischen Akademie der Arbeit der Universität Frankfurt am Main, Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft Herrn Prof. Dr. Peter Wedde schließe ich mich an und bitte Sie, diesem Gesetz nicht zuzustimmen.

Das Gesetz ist eine Mogelpackung!

Welche Rechte von Beschäftigten werden nach Ihrer Meinung durch diesen Entwurf geschützt? Warum dieser Schnellschuss?

Mit freundlichen Grüßen
Christa Wiese

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Wiese,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
Sie haben vollkommen recht, diesem Gesetzentwurf kann und werde ich nicht zustimmen. Mehr noch, wir werden alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen, das Gesetz zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Nach den Bespitzelungsskandalen der letzten Jahre erreichten die Wellen der öffentlichen Empörung über die illegalen systematischen Bespitzelungen auch die Chefetagen der Konzerne und die Koalitionsfraktionen.

Auf einmal war der Beschäftigtendatenschutz Thema. Der erste Entwurf verfehlte allerdings das verkündete Ziel die Beschäftigten besser gegen Bespitzelung am Arbeitsplatz zu schützen.
Das Gegenteil war der Fall: Der Entwurf stellte vielmehr die Interessen der Arbeitgeber
an Ausforschung und Überwachung in den Vordergrund.

Zu Recht wurde der Regierungsentwurf mit massiver Kritik überzogen und zu Recht packte ihn die Koalition wieder in die Schublade. Leider ist er nun nach eineinhalb Jahren wieder aufgetaucht.

Die schwarz-gelbe Koalition holte den Gesetzesentwurf wieder hervor und versah ihn mit ein paar wenigen kosmetischen Änderungen. Verkauft wurde diese fast unveränderte Version als Wohltat für die Beschäftigten und den Schutz ihrer Daten. Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.

Hier ein kurzer Überblick über die Gründe für unsere Ablehnung:

Fragerecht
Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Vorstellungsgesprächen wird zwar eingeschränkt, aber nicht entsprechend der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Europäischem Gerichtshof, wonach eine Frage nach Schwangerschaft, Behinderung nicht erlaubt ist. Das bleibt im Entwurf offen. Die SPD-Fraktion fordert darüber hinaus auch das Verbot der Frage nach öffentlichen Ehrenämtern sowie nach den Vermögensverhältnissen.

Öffentlich zugängliche Datenerhebung
Der Änderungsantrag der Koalition enthält keine explizite Regelung mehr zu der Datenerhebung aus sozialen Netzwerken. Eine ursprünglich enthaltene Regelung wurde gestrichen. Vielmehr soll eine solche Datenerhebung jetzt bei allgemein öffentlich zugänglichen Daten ohne Mitwirkung oder Zustimmung des Betroffenen möglich sein. Dazu zählen auch die für alle Mitglieder offenen Bereiche sozialer Netzwerke. Eine so weite generelle Datenerhebung lehnt die SPDFraktion in ihrem Antrag (Drs. 17/7176, Punkt II. Nr. 1. a) cc) insbesondere für im Internet verfügbare Daten, ab, zumal die Öffentlichkeitseinstellungen von den Anbietern häufig geändert werden (siehe Facebook) oder Daten von Dritten ohne Kenntnis des Betroffenen öffentlich gemacht werden können.

Screening/automatisierter Abgleich
Weiterhin soll ein automatisierter Abgleich von Daten erfolgen dürfen, auch zur vorbeugenden (!)) Bekämpfung von Straftaten und zur Aufdeckung schwerwiegenden Pflichtverletzungen (z.B. außerordentliche Kündigungsgründe) sowie zur Einhaltung von unternehmerischen Compliance-Anordnungen. Dies lehnen wir ab. Die SPD-Fraktion fordert die Zulässigkeit eines Abgleiches lediglich zur Verfolgung ausgewählter, insbesondere korruptionsspezifischer Straftaten – und dies auch nur bei Vorliegen handfester Beweise.

Datenerhebung im Beschäftigungsverhältnis
Weiterhin sind nach § 32 c Abs. 3 Nr. 2 des geplanten Beschäftigtendatenschutzgesetzes ärztliche Untersuchungen bei einem Wechsel der Tätigkeit erlaubt, ohne dass es eine auf einem sachlichen Rechtfertigungsgrund beruhende Einschränkung wie in Abs. 3 Nr. 1 gibt. Das ist zu weitgehend. Zu befürchten ist, dass diese Öffnung insbesondere zulasten älterer Arbeitnehmer geht.

Datenverarbeitung/-nutzung im Beschäftigungsverhältnis
Es fehlt weiterhin die Mitteilung an den Beschäftigten bzw. die betriebliche Interessenvertretung bei Datenübermittlung an Dritte sowie ein entsprechende Haftungstatbestand bei zweckwidriger Verwendung.

Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten zur Aufdeckung und Verhinderung
von Straftaten und anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen (§ 32e)
Der Gesetzentwurf beinhaltet weiterhin die Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten wegen einer Straftat oder einer schwerwiegende Pflichtverletzung sowie entsprechende präventive Maßnahmen. Die Erhebungsgründe in § 32 e Abs. 2 des geplanten Gesetzes sind immer noch zu weit. Die SPD-Fraktion verlangt daher das „Vorliegen von vorab zu dokumentierenden tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht einer Straftat“. Die Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen sowie die präventive Erhebungen sind ausgeschlossen.

Überwachung
Mit dem Entwurf wird die Videoüberwachung nicht plötzlich unzulässig, vielmehr ist auch in dieser Fassung weiterhin eine präventive und zeitlich unbegrenzte Videoüberwachung zulässig. So ist unter anderem zur rechtlich verpflichtenden (d.h. auch durch vertragliche Verpflichtungen selbst geschaffene) Qualitätskontrolle, zur Wahrnehmung des Hausrechts, zur Zutrittskontrolle, zur Sicherheit des Beschäftigten, zum Schutz von Eigentum, zur Sicherung von Anlagen und zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Betriebes die Videoüberwachung erlaubt. Lediglich in überwiegend privat genutzten Räumen - und das dürften in den meisten Betrieben lediglich die sanitären Anlagen und Umkleideräume sein - bleibt eine Videoüberwachung unverändert verboten. Zudem fehlt eine Aufklärungsverpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern, hinsichtlich Zeit, Ort und Zweck der Kontrolle, wie er im SPD- Antrag (Drs. 17/7176, Nr. 1 b) hh)) gefordert wird.

Ortungssysteme
Die SPD-Fraktion fordert eine klarstellende Regelung, dass anfallende Daten aus Ortungssystemen nicht auch zur Verhaltens- und Leistungskontrolle genutzt werden dürfen. Diese eindeutige Beschränkung fehlt. Gerade bei Ortungssystemen liegt ein entsprechender Missbrauch nahe (siehe Drs. 17/7176, Nr. 1 b) ii) sowie Änderungsantrag Nr. 3 h)). Diese fehlt nach wie vor im Koalitionsentwurf.

Biometrische Verfahren
Die SPD-Fraktion fordert eine Beschränkung der Erhebung zu Authentifizierungszwecken für besonders sicherheitsrelevante Bereiche, eine Einwilligung des Beschäftigten sowie eine Beschränkung auf die Nutzung für einen Ad-hoc- Abgleich, nicht aber zur Speicherung von Eingangs- und Ausgangsdaten (Drs. 17/7176, II. 1. b) ii)).

Nutzung von Telekommunikationsdiensten § 32 i
Callcenter-Mitarbeiter können unter Dauerüberwachung gestellt werden. Insbesondere hinsichtlich der Verhaltens- und Leistungskontrolle gibt es keine zeitliche Begrenzung. Eine dauerhafte Überwachungsmaßnahme ist nach der Rechtsprechung aber wegen der Schaffung eines andauernden und ständigen Überwachungsdrucks unwirksam und verfassungswidrig, weil eine solche Maßnahme mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar ist. Weiterhin wird nicht geregelt, wie entsprechende Kontrollen bei erlaubter oder privater Nutzung von Kommunikationsdiensten erfolgen können. Die SPD-Fraktion fordert eine vorab zu dokumentierende und anlassbezogene, auf tatsächlichen Anhaltspunkten für Fehlverhalten beruhende Verhaltenskontrolle sowie ein Verbot der generellen Inhaltskontrolle auch bei Callcentern (Drs. 17/7176 Nr. 1 kk), ll)).

Insgesamt können einige wenige kleine Verbesserungen, die die Koalition in ihrem Änderungsantrag vorgenommen hat, den Entwurf nicht entschärfen. Es bleibt bei einem Gesetzesentwurf, der die Interessen der Wirtschaft und Unternehmen in den Vordergrund und Arbeitnehmerrechte hinten an stellt. Mit einem Beschäftigtendatenschutzgesetz hat dies nichts zu tun. Vielmehr sind das Gesetz und das groß gefeierte Verbot von heimlichen Videoüberwachungen eine Mogelpackung, die den Abbau von Arbeitnehmerrechten kaschieren soll. Mit dem Gesetz werden die Überwachungs- und Bespitzelungsmöglichkeiten ausgeweitet statt eingeschränkt!

Einen ersten Erfolg konnten wir schon verzeichnen: Die Koalition hat den Entwurf von der Tagesordnung des Innenausschuss abgesetzt. Sie reagiert damit auf den Gegenwind, den sie von Gewerkschaften, Journalisten und von unserer Fraktion bekommen hat. Hoffentlich bleibt der Entwurf nun endgültig dort, wo er so lange geruht hat: In der Schublade.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartmann