Frage an Michael Hartmann von Peter A. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Herr Hartmann,
Ich bin ein junger Mann aus der Nähe von Bingen am Rhein und frage mich zur Zeit, wie es zu dem Gesetztesentwurf zum Leistungsschutzrecht gekommen ist. Waren es lange und ausfürliche Debatten, oder gab es dabei Interressensvertretung von außerhalb.
Desweiteren frage ich mich, wem denn das Gesetzt nützten würde, den Zeitungsverlegern die sich Mehreinnahmen erhoffen, dadurch dass Google und co. nicht mehr mit Nachrichteschnippsel auf die Seiten der Verleger weiterleiten.? Wie soll ich dann als Benutzter auf die Seiten der Verleger kommen, denn Google und co. werden nicht die Lizengebühren zahlen? Soll ich jede einzelen Internetseite von Verlegern absofort ständig auf Neuigkeiten absuchen?
Für mich macht das Gesetzt keinen Sinn, da es niemand nützen wird, auch nicht den Verlegern!
Meine Position vetritt Größtenteils auch der Sprecher in diesem Video, und ich würde sie bitten sich die Zeit dafür zu nehmen, dieses 16 minütige Video anzusehen:
http://www.youtube.com/watch?v=Sm5Za58rkqg&feature=g-all
Falls sie anderer Meinung sind, bitte ich sie, mir ihre Standtpunkte zu erleutern.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Axt
Sehr geehrter Herr Axt,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Auch wenn ich einige Punkte in dem von Ihnen verlinkten Video nicht unterstützen kann (nur weil etwas nicht verboten ist, kann es trotzdem falsch sein), stimme ich in der Tendenz mit Ihrer Position überein:
Die aktuellen Probleme vieler Tageszeitungen (Frankfurter Rundschau / Financial Times Deutschland) machen deutlich, dass die Finanzierung des Journalismus und die Vergütung der Urheberinnen und Urheber wie auch der verlegerischen Leistungen sichergestellt werden müssen.
Der Schutz vor missbräuchlicher Nutzung von publizistischen Inhalten - insbesondere gegen die unautorisierte Verwendung von Presseerzeugnissen – muss verbessert werden. Dies sind wichtige und berechtigte Anliegen der Presseverleger, vor allem aber auch der Journalistinnen und Journalis-ten als Urheberinnen und Urheber, die berücksichtigt werden müssen. Sie haben ein Recht darauf, dass ihr geistiges Eigentum vor einer unerlaubten Verbreitung durch Dritte geschützt wird. Insbe-sondere, wenn diese Dritte damit wiederum Geld verdienen ohne die Urheber an den Einnahmen zu beteiligen.
Das geplante Leistungsschutzrecht der Bundesregierung (DS 17/11470) zielt jedoch aus Sicht der SPD in eine grundsätzlich verkehrte Richtung und adressiert eben diese Problematik der Rechtsdurchsetzung nicht.
Wir haben bereits seit Jahren deutlich gemacht, dass wir ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage entschieden ablehnen, weil es bis heute keine belastbare Begründung für die Notwendigkeit eines solchen Schutzrechtes gibt. Es gibt zudem erhebliche Bedenken hinsichtlich möglicher Einschränkun-gen beim freien Zugang zu Informationen im Internet. Darüber hinaus ist die im Regierungsentwurf vorgesehene Einbeziehung von so genannten „Snippets“ in dieses Schutzrecht grundlegend falsch. Wenn diese die Überschrift eines Artikels beinhalten, können darunter selbst Links fallen. Es ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers – die von der Rechtsprechung in mehreren Urteilen be-kräftigt wurde -, dass sich kleinste Teile von Nachrichten verbreiten können und keinem Urheber-rechtsschutz unterliegen. Dies halte ich in einer freien Wissens- und Informationsgesellschaft für geradezu notwendig.
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf werden insbesondere Suchmaschinenbetreiber betroffen sein, die aus meiner Sicht jedoch einen elementaren Bestandteil unseres Internets darstellen. Ohne diese Suchmaschinen würde man bestimmte Presseartikel überhaupt nicht finden.
Eine Beteiligung der Verlage an den Werbeeinnahmen der Suchmaschinen ist kaum sinnvoll zu ar-gumentieren. Suchmaschinen verdienen mit der Schaltung von Anzeigen Geld. Diese werden nur bemerkt, da sie eine Dienstleistung - meist kostenlos - für die Internetnutzer anbieten. Diese Dienst-leistung besteht aber eben nicht in der Bereitstellung der Texte aus Nachrichtenangeboten, sondern in der Suchfunktion selbst, die den Nutzer dann auf die Online-Angebote der Verlage weiterleitet.
Die eigentliche Frage müsste daher vielmehr lauten, wie sichergestellt werden kann, dass Presseer-zeugnisse gefunden werden und wie Transparenz erzeugt werden kann, nach welchen Kriterien Suchmaschinen Informationen suchen, gewichten und listen. Gleichzeitig besteht bereits heute für Presseverlage die Möglichkeit, ihre Erzeugnisse für Suchmaschinen zu sperren. Davon wird jedoch in der Regel kein Gebrauch gemacht, weil die Verlage und die Urheberinnen und Urheber natürlich ein Interesse haben, dass ihre Beiträge gelesen werden und weil durch den Zugriff auf Presseartikel Werbeeinnahmen generiert werden.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich in den anstehenden parlamentarischen Beratungen entschie-den gegen das geplante Leistungsschutzrecht aussprechen. Dieses löst einerseits nicht die eigentliche Problematik der Rechtsdurchsetzung, andererseits schafft es erhebliche Rechtsunsicherheit und ist zudem mit erheblichen Kollateralschäden mit Blick auf die Informationsfreiheit und die Vielfalt der Medien verbunden.
Leider zeichnet sich derzeit ab, dass sich die Koalition dem Druck der Verlage - insbesondere des Springer Verlags - beugt. Dieses einknicken der CDU vor den Zeitungsverlagen haben wir bereits in der großen Koalition beim Versuch das so genannte Listenprivileg abzuschaffen erleben müssen.
Der mit dem Gesetzentwurf zum Ausdruck gebrachte Aktionismus der Bundesregierung kann in kein-ster Weise ihr bisheriges Nichtstun im Bereich des Urheberrechts kaschieren. Es ist ein Armutszeug-nis, wenn das Leistungsschutzrecht die einzige Antwort der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen auf die drängenden Fragen bei der Modernisierung des Urheberrechts ist.
Die SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet derzeit im Rahmen unseres Projektes Zukunft ein Positions-papier zum Urheberrecht. Erste Informationen finden Sie hier: http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/web_urheberrecht_10seiter.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartmann