Frage an Michael Hartmann von Charly H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hartmann,
In Berlin demonstriert seit einigen Wochen eine Gruppe Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor. Sie haben zuvor einen Fußmarsch über 600 Kilometer auf sich genommen, bewusst ihre Residenzpflicht verletzt und damit ihre Abschiebung riskiert, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen.
Asylbewerber flüchten aus teils schwierigsten Verhältnissen, Kriegen, politischer oder ethnischer Verfolgung nach Deutschland. Der Umgang des deutschen Staates mit diesen Menschen ist meines Erachtens nicht dem Selbstverständnis einer freiheitlichen, pluralistischen und sozialen Demokratie genügend. Zu kritisieren sind die materielle Versorgung, der Mangel an Anwälten und Dolmetschern für die Asylverfahren, die Dauer der Asylverfahren, auch durch Kettenduldung, Abschiebehaft für Menschen in schwacher Verfassung über einen teils langen Zeitraum, das Arbeitsverbot mit nachfolgendem Nachrang, die Residenzpflicht, die Sammellager an der Peripherie von Städten, bürokratische Hürden, die z.B. die Aufnahme eines Studiums erschweren.
Die Flüchtlingszahlen in Deutschland sind lange Zeit rückläufig gewesen, stehen auch heute in keinem Vergleich zu denen der 90er-Jahre und stellen erst recht keine Bedrohung für die ökonomische Stabilität oder den sozialen Friedens Deutschlands dar. Deutschland ist das bevölkerungsstärkste Land Europas und eines mit weitverbreitetem Wohlstand, die pro Kopf getragene Last ist in unserem Land bei Weitem nicht die größte in Europa.
Die Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor sind inzwischen bei Eiseskälte ein zweites Mal in den Hungerstreik getreten, da sie sich von politischen Entscheidungsträgern nicht gehört fühlen.
Ich möchte daher gerne wissen, ob Sie und andere Mitglieder Ihrer Fraktion mit Asylbewerbern am Brandenburger Tor oder anderswo in den Dialog getreten sind oder treten wollen und was Sie zu tun beabsichtigen, um die Lage der Asylbewerber in Deutschland zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Charly Heberer
Sehr geehrter Herr Heberer,
vielen Dank für Ihre Anregungen zu diesem auch für mich sehr wichtigen Thema.
Der Hungerstreik der Flüchtlingen am Brandenburger Tor war erfolgreich.
Am Donnerstag dieser Woche werden die protestierenden Asylbewerber über ihre Forderungen nach Reformen des Asylrechts mit mir und vielen anderen Abgeordneten der Bundestagsfraktionen sowie der Integrationsbeauftragten des Bundes, Frau Maria Böhmer, diskutieren. Die Ergebnisse des Gesprächs sollen dann in die Konferenz der Integrationsminister im März 2013 einfließen.
Zudem waren meine Kollegen Daniela Kolbe, MdB und Rüdiger Veit, MdB, als Vertreter der Arbeitsgruppe Inneres der SPD-Bundestagfraktion vor Ort am Brandenburger Tor und haben mit den Asylbewerbern gesprochen.
Als SPD-Bundestagsfraktion fordern wir seit jeher mehr Bewegungsfreiheit für Asylsuchende und Geduldete. Schon im Mai 2011 haben wir einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht.
Darüber hinaus fordern wir die Abkehr vom Sachleistungsprinzip und der Unterbringung in Sammelunterkünften als Regelmaßnahmen. Sie sollten nur für eine Übergangszeit von sechs Wochen gelten. Wichtig für Asylsuchende und Geduldete ist zudem, dass sie Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
Und wir brauchen endlich der Menschenwürde angepasste Leistungen für Asylbewerber, wie sie auch vom Bundesverfassungsgericht eingefordert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem klar gestellt, dass es keine Menschenwürde erster und zweiter Klasse gibt. Die Grundbedürfnisse des Menschen richten sich nicht nach seiner Staatsangehörigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartmann, MdB