Frage an Michael Hartmann von Christiane M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Hartmann,
aus welchen Gründen genau stimmen Sie nicht für den Abbau der ´Kalten Progression´? Warum verwehren Sie uns mehr netto im Geldbeutel? Wohin soll das führen? Stimmen Sie auch gegen Ihre Diätenerhöhung, weil Sie nicht wissen, wer die bezahlen soll?
Gruß
Christiane Mohr
Sehr geehrte Frau Mohr,
das mit der Mehrheit von Schwarz-Gelb verabschiedete Gesetz diente nicht primär der Beseitigung der kalten Progression. Vielmehr wird diese populäre Forderung vorgeschoben um Steuersenkungen zu rechtfertigen, die die öffentlichen Haushalte massiv belasten. Die von Schwarz-Gelb behaupteten heimlichen Steuererhöhungen durch die kalte Progression erweisen sich bei genauerer Betrachtung als Scheinproblem. Der Effekt der kalten Progression tritt ein, wenn Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen und durch das gestiegene Nettoeinkommen dennoch zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen. Diesen Effekt zu kompensieren ist in der Tat sinnvoll, um eine Schlechterstellung der Steuerpflichtigen zu vermeiden. Sämtliche Experten und selbst die Bundesregierung müssen aber einräumen, dass die kalte Progression durch die in den vergangenen Jahren durchgeführten Tarifsenkungen vollständig korrigiert wurde. Die Behauptung der Staat profitiere von heimlichen Steuererhöhungen ist also falsch.
Um die Steuersenkungen trotz der Erfordernisse der Schuldenbremse zu rechtfertigen, geben Bundesregierung und Koalitionsfraktionen vor, dass bereits jetzt ein verfassungsrechtlich gebotener Entlastungsbedarf beim Grundfreibetrag besteht. Trotz beharrlicher Nachfragen der SPD-Fraktion ist Schwarz-Gelb aber einen Nachweis dafür in den Gesetzesberatungen schuldig geblieben. Es ist unbestritten, dass der Grundfreibetrag an die Entwicklung des existenznotwendigen Bedarfs der Steuerpflichtigen angepasst werden muss. Wird eine solche Notwendigkeit im Rahmen eines ordentlichen Existenzminimumsberichts dargelegt, wird sich die SPD einer Anhebung selbstverständlich nicht verweigern. Schwarz-Gelb will den Grundfreibetrag aber ohne echte Berechnungsgrundlage im Vorgriff auf einen noch zu erstellenden Existenzminimumbericht anheben. Der angebliche Anpassungsbedarf beim Grundfreibetrag ist lediglich ein Vorwand für die Durchsetzung der ohnehin politisch gewollten Steuersenkung.
Die Bundesregierung verantwortet mit ihrem Gesetz zum Abbau der kalten Progression gesamtstaatliche Einnahmeausfälle von rund 6 Milliarden Euro. Trotz einer einmaligen Kompensation, die der Bund in Höhe von 1,2 Milliarden Euro leistet, entfallen auf Länder und Kommunen etwa im Jahr 2017 noch Einnahmeverluste von rund 2,4 Milliarden Euro – wovon die Kommunen mindestens 600 Millionen Euro zu tragen haben. Für diese Maßnahmen hat die Bundesregierung keine Gegenfinanzierung vorgesehen. Es handelt sich offensichtlich um Steuersenkungen auf Pump zur Eröffnung des schwarz-gelben Wahlkampfs.
Diese Einnahmeausfälle werden vor allen Anderen die vielen Kommunen nicht verkraften, die ohnehin schon mit ihren Schulden zu kämpfen haben. Ich befürchte das Ergebnis dieses Gesetzes ist nicht nur eine Steuersenkung auf Pump, sondern auch Kommunen in finanzieller Schieflage, die alle freiwilligen Leistungen für ihre Bürger, wie öffentliche Schwimmbäder, Büchereien und soziale Angebote, einstellen müssen.
Da ich Steuersenkungen zu Lasten unserer Kinder und zu Lasten der Kommunen nicht mittragen möchte, habe ich dem „Gesetz zum Abbau der kalten Progression“ nicht zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartmann