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Michael Hartmann
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Frage von Martin H. •

Frage an Michael Hartmann von Martin H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Hartmann,

ich bin ein wenig erstaunt über das grundsätzliche Verhalten der SPD. Auf der einen Seite forderte diese, nachdrücklich dargelegt durch Herr Grabriel, den Rücktritt des nunmehr ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg. Auf der anderen Seite hält ihre Partei, an einem Justizminister fest, dem, per ordentlichem Gerichtsbeschluß, ein Verfassungsbruch nachgewiesen wurde. Ich glaube, das Sie mir Zustimmen, das ein Justizminister, mit erwiesenem Verfassungsbruch, für ein solches Amt nicht mehr tragbar ist.

Warum hält die SPD, dennoch an Herrn Dr. Bamberger, Justizminister Rheinland-Pfalz, fest?

Hochachtungsvoll

Martin Halweg

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Sehr geehrter Herr Halweg,

zum Fall von Herrn zu Guttenberg:

Herr Guttenberg hat meiner Ansicht nach vorsätzlich betrogen. Ein versehentliches Abschreiben auf so vielen Seiten, in der Einleitung und bei der Strukturierung der Arbeit hat nichts mit Fahrlässigkeit zu tun. Er wollte sich seinen Titel durch Betrug erschleichen, anstatt diesen durch ehrliche wissenschaftliche Arbeit zu erlangen. So wie es aussieht wird ja auch die Uni-Bayreuth in Ihrem Gutachten zu diesem Schluss kommen.

Bei seinen eigenen Untergebenen hat Guttenberg niemals lange gezögert, diese auch nur beim Anschein eines Fehler abzustrafen. Zumindest dann, wenn es für Ihn selbst unangenehm wurde. Sicherlich hat Herrn zu Guttenberg diese Affäre härter getroffen als es bei anderen der Fall gewesen wäre. Dies liegt aber vor allem an seiner vorangegangenen Selbstinszenierung.

Auch hätte Herr zu Guttenberg sich wahrscheinlich noch retten können, wenn er beim Bekanntwerden der Vorwürfe direkt reagiert hätte. Doch hat er sie zu Beginn bestritten und als „abstrus“ bezeichnet.

Die von ihm angebrachten Entschuldigungen „Überarbeitung“ und Belastungen als Familienvater sind nicht akzeptabel. Viele Menschen machen ihren Doktor ehrlich unter schwierigeren Bedingungen oder entscheiden sich die Doktorarbeit abzubrechen.

Außerdem passt sich der Betrug bei der Doktorarbeit in ein Gesamtbild ein, wenn man weiß, dass in Guttenbergs Lebenslauf ein Praktikum bei der Welt zur „freien journalistischen Tätigkeit“ wurde und ein Praktikum in den USA zu einer beruflichen Station. Sein jüngster Versuch zu verhindern, dass das Gutachten der Uni veröffentlicht wird, trägt auch nicht gerade zu einem positiven Bild von Ihm bei.

Zum Fall des Herrn Bamberger:

Zur Zusammenfassung des Vorfalles zitiere ich Jochen Hartloff aus dem Protokoll der Sitzung des Rheinland-Pfälzischen Landtages vom Mittwoch, den 16. Februar 2011:

„… Es ging um die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts in Koblenz. Da waren mehrere Bewerbungen. Zum Schluss waren noch zwei Bewerber da, Herr Graefen, damals und auch heute Präsident des Landgerichtes in Koblenz, und Herr Bartz, damals Präsident des Landessozialgerichts in Rheinland-Pfalz und heute aufgrund des Urteils in einer Abteilung im Ministerium. Das waren die beiden Bewerber.

Beide sind höchst qualifizierte Juristen, die dort noch zur Auswahl standen und zu denen Vorschläge dem Richterwahlausschuss vorgelegt wurden. Es gab eine Stellungnahme des Präsidialrates der Zivilgerichte, die gesagt haben, sie hätten lieber jemanden aus der Ziviljustiz, nicht einen, der aus der Sozialjustiz kommt, das sei etwas anderes. Da gab es also keine Einigung. Das wurde im Richterwahlausschuss kontrovers diskutiert. Auch das war schwierig. Das ist auch nach außen getragen worden. Es war eine schwierige Entscheidung zwischen zwei rheinland-pfälzischen Spitzenjuristen, die beide hervorragend qualifiziert sind. Niemand hat irgendetwas anderes gesagt. Dann ist die Entscheidung gefallen.

Der Minister hat gesagt, dass er den Vorschlag zur Ernennung von Herrn Bartz macht. Der Gegenkandidat hat seine Rechte gewahrt, indem er dann eine einstweilige Anordnung bei dem Verwaltungsgericht Koblenz beantragt hat. Dort hat er verloren. Es ist das übliche Verfahren, dass das geprüft wird. Er ist dagegen ins Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht Koblenz gegangen und hat dort wieder verloren. Dann ist die Ernennung erfolgt. Darüber kommt es dann zum Streit.

Dann hat er an das Verfassungsgericht einen Rechtsbehelf eingelegt. Das Verfassungsgericht hat gesagt: Dann kannst du den ordentlichen Rechtsweg beschreiten, das ist der zu den Verwaltungsgerichten. - Dann hat er bei dem Verwaltungsgericht in Koblenz geklagt. Dort haben mehrere Richterinnen und Richter entschieden: Herr Graefen hat verloren. - Dann ist er in Berufung zu dem Oberverwaltungsgericht Koblenz gegangen.

Dort wurde wiederum die Entscheidung von mehreren Richterinnen und Richtern getroffen. Dort hat Herr Graefen verloren. Dann wurde das Rechtsmittel der Revision zugelassen, also die Überprüfung auf Rechtsfehler. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat nämlich gesagt, ja, die Stelle ist neu auszuschreiben.

Nein, wir treffen keine Entscheidung in der Sache, ob der eine oder andere Bewerber besser ist. Das ist offen.“

Zusammenfassend geht es also um das Verfahren zur Ernennung eines Richters, über das ein juristischer Streit ausgefochten wird. Es gibt keine richterliche Entscheidung darüber, ob der unterlegene Kandidat besser gewesen wäre.

Letzlich klagt der unterlegene Bewerber um seinen Anspruch geltend zu machen. Das ist übrigens nicht sonderlich ungewöhnlich. Ein ähnlicher Fall hat sich nach einer Richterernennung in Hessen 2006 ereignet. Daraus resultierte auch kein Rücktritt des Ministers Hahn.**

Hinzu kommt, dass es auch über das Verfahren bei unterschiedlichen Gerichten offenbar unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen. Somit wäre Herrn Bamberger der Vorwurf zu machen, dass er einer falschen Rechtauffassung gefolgt ist. Wenn dies ein Grund für den Rücktritt wäre, müssten auch alle Richter zurücktreten, deren Urteil in einer höheren Instanz gekippt wird.

Hier liegt auch der Unterschied zwischen den Fällen Gutenberg und Bamberger. Herr Bamberger ist einem, offenbar nicht so ungewöhnlichem, Irrtum in verfahrensrechtlichen Fragen aufgesessen. Herr Guttenberg hat zu seinem eigenen Vorteil bewusst getäuscht.

Dies ist ein entscheidender Unterschied. Im übrigen wird ein Fehlverhalten nicht besser dadurch, dass auf ein anderes Fehlverhalten verwiesen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Hartmann