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Michael Hartmann
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Frage von Achim F. •

Frage an Michael Hartmann von Achim F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Hartmann!
Was kann ich als Bürger tun, um im Bundestag die Abstimmung für eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verhindern? Je eher der Ausstieg kommt desto besser ist es für die Umwelt ( Endlager) und die Menschen!
Ihr Achim Fritzsche

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fritzsche,

als Bürger haben Sie eine ganze Reihe von Möglichkeiten Ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.
So können Sie zum Beispiel an einer der zahlreichen Protestaktionen teilnehmen, in Ihrem direkten Umfeld Überzeugungsarbeit leisten, sich über die politischen Parteien einbringen oder Kontakt mit den Bundestagsabgeordneten Ihres Wahlkreises aufnehmen. Die letzte Möglichkeit haben Sie ja auch schon wahrgenommen. Ich möchte Sie aber dennoch ermutigen auch die Abgeordneten der Fraktionen anzuschreiben, die sich für die Verlängerung der Laufzeiten aussprechen.

Dass die Schwarz-Gelbe Regierung im Bereich zukunftsorientierter Energiepolitik auf Abwegen wandelt, zeigt sich auch in der geplanten Absenkung der Solarförderung. Hier wird ein erfolgreiches Instrument voreilig und ohne ausreichende Prüfung gekürzt. Im Falle dieser Kürzung werden viele bereits geplante und finanzierte Projekte im Bereich der Photovoltaik nicht umgesetzt werden können.
Die Bundesregierung arbeitet gegen eine dezentrale Energieversorgung durch lokale Anbieter, gegen einen echten Wettbewerb der Energieversorger und gegen eine Subventionierung zukunftsgerichteter Umweltfreundlicher Energiegewinnung. Stattdessen steht Schwarz Gelb für die Subventionierung einer rückwärts gerichteten Energiewirtschaft ohne Zukunft, für hohe Profite der Energieriesen und für ein hohes Risiko für die Bürger.

CDU, CSU und FDP entscheiden sich mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg und der Kürzung der Solarförderung gegen einen Wirtschaftszweig, der in den letzten Jahren einen wahrhaften Boom erlebt hat. Mit dieser unverantwortlichen Politik werden ganz nebenbei auch tausende Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet.

Um Sie in Ihrer Überzeugung zu bestärken und Ihnen die Argumentation in Zukunft noch zu erleichtern möchte ich Ihnen noch einige Fakten mit auf den Weg geben:

- Atomenergie ist nicht klimafreundlich. Auch wenn bei der reinen Stromproduktion in AKW kaum Kohlendioxid freigesetzt wird: Der Bau der AKW sowie der von Wiederaufbereitungsanlagen und Endlagerstätten ist mit CO2- Emissionen verbunden. Hinzu kommt: Erschließung, Abbau, Transport und Veredelungsprozess von Uran sowie die Aufbereitung der Brennstäbe verursachen erhebliche Mengen klimaschädlicher Gase. Ein deutsches Atomkraftwerk produziert zwischen 31 und 61 Gramm CO2 pro KWh (Kilowattstunde). Eine KWh aus Windenergie erzeugt lediglich 23 Gramm!
- 4.500 Tonnen hochradioaktiver Atommüll entstehen zusätzlich, wenn die Laufzeiten der AKW nur um zehn Jahre verlängert werden. Die sichere Endlagerung von Atommüll ist nach wie vor weltweit nicht gelöst. Es gibt nirgendwo auf der Welt ein in Betrieb befindliches Endlager. Auch im Fall des geplanten Endlagers Gorleben zeichnet sich immer mehr ab, dass es kein ergebnisoffenes und objektives Auswahlverfahren gab. Dabei zeigen gerade die Probleme im Lager Asse wie gefährlich und teuer ein unklug gewähltes Endlager sein kann.
- AKW sind nicht sicher. Stetige Vorfälle und Sicherheitslücken zeigen, dass deutsche AKW keinesfalls störungsfrei und zuverlässig laufen. Die Sicherheit des Anlagenbetriebs nimmt mit längerer Laufzeit ab, denn auch Reaktoren altern (Korrosion, Risse an der Oberfläche oder an Schweißnähten im Reaktordruckbehälter, Materialermüdung). Alte AKW sind trotz aller Nachrüstungen allein aufgrund der Baukonstruktion (keine Kuppelform, unterschiedliche Wanddichten der Reaktordruckbehälter etc.) weniger sicher als neuere.
- Die epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken kommt zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Kinder unter fünf Jahren, an Leukämie zu erkranken, zunimmt, je näher ihr Wohnort an einem Atomkraftwerksstandort liegt.
- AKW machen die Versorgung nicht zuverlässiger. Durch die klimawandelbedingte Zunahme extremer Wetterereignisse ist die Versorgungssicherheit bei Atomstrom gefährdet. Denn AKW müssen bei Wassermangel, zu hoher Wassertemperatur in den Flüssen oder im Fall von Überschwemmungen immer häufiger ihre Leistung drosseln oder ganz abgeschaltet werden.
- 100 Prozent abhängig ist Deutschland vom Uranimport als Grundlage zur Atomstromproduktion. Das Gerede von der Importabhängigkeit von Gas als Argument für Atomenergie ist Volksverdummung.
- Nur 5,4 Prozent macht der Anteil der Atomenergie am deutschen Endenergieverbrauch aus. Dem stehen 8,5 Prozent gegenüber, die schon heute die Erneuerbaren Energien beisteuern.
- Insgesamt haben die Bürgerinnen und Bürger die Atomenergie mit Milliarden Euro an Subventionen gestützt. Einige Beispiele:
- 1,7 Mrd. Euro für Hamm-Uentrop, Betriebszeit 423 Tage
- 2,2 Mrd. für die Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe, stillgelegt 1991
- 3,7 Mrd. Euro Forschungszentrum Karlsruhe
- 2,2 Mrd. Euro Atommülllager der DDR Morsleben, stillgelegt 1991
- 1,77 Mrd. Euro Gorleben

Dies ist nur die Spitze des Eisberges. Zurückhaltende Rechnungen gehen von 45-100 Mrd. Euro Subventionen aus Steuergeldern für die Atomenergie aus. Unter Einbeziehung von steuerfreien Rückstellungen der AKW-Betreiber, Forschungsförderung etc. kommen Studien auf insgesamt sogar 258 Mrd. Euro seit 1950.
Hinzu kommt außerdem, dass die Betreiber von AKWs von der Haftung freigestellt sind. Das heißt im Klartext: Kommt es zu einem Umfall, trägt der Steuerzahler die Kosten. Müssten die Betreiber das Risiko eines Unfalles versichern, wäre Atomstrom wegen der immensen Versicherungsprämien nicht Konkurrenzfähig.

- Längere Laufzeiten senken nicht den Strompreis. Die Internetseite des BMU: "Der Strompreis wird an der Leipziger Strombörse gebildet und hängt vom jeweils teuersten Anbieter ab. Das sind praktisch nie die vollständig abgeschriebenen Atomkraftwerke. Die Erfahrung zeigt, dass Strompreise laufend ohne erkennbaren Anlass angehoben werden. Die vier großen Energieunternehmen setzen hohe Strompreise aufgrund ihrer Marktdominanz durch." ( http://www.bmu.de/dossier_atomenergie/doc/43036.php )
- Durch die längeren Laufzeiten werden die bisherigen Monopolisten weiter den Wettbewerb massiv behindern. Durch die günstigen Entstehungskosten bei den abgeschriebenen Atomkraftwerken lohnt es sich nicht für kleinere Anbieter, etwa Stadtwerke, in Kraftwerke zu investieren. Bei Laufzeitverlängerung der AKW wäre ein rentabler Betrieb nicht möglich. Der dezentrale Ausbau der Energiegewinnung und die Förderung des Wettbewerbs werden durch längere Laufzeiten verhindert, denn Atomstrom verstopft die Netze und verhindert die Einspeisung alternativer Energie. Ausgerechnet die marktgläubige FDP verhindert einen neuen Markt.

Ich hoffe Ihnen einige Möglichkeiten aufgezeigt zu haben sich in die aktuelle Diskussion weiter einzubringen. Seien Sie sich sicher, dass die SPD alles in Ihrer Macht stehende tun wird, um eine Verlängerung der Laufzeiten zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Hartmann