Frage an Michael Fuchs von Irmgard R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr Fuchs!
Sie argumentieren ständig, dass der Mindestlohn Arbeitsplätze kosten wird.
Dabei erwähnen Sie aber nicht, dass schon jetzt ausländische Billigarbeiter, z.B. im Fleischerhandwerk, zunehmend zum Problem für einheimische Arbeiter werden. In dieser Branche gibt es nämlich keinen Tarifvertrag.
Wo es keinen Tarifvertrag gibt, kann man es nicht den Tarifparteien überlassen. Das blenden Sie immer aus.
Ebenso blenden Sie völlig aus, dass Kapital m.E. gleichbehandelt werden muss. Wenn ein Unternehmer gute Löhne bezahlt, dem Konkurrenten seine Arbeitnehmer über ALG II mitfinanzieren muss, wird er sich sicherlich überlegen, warum er das in Zukunft noch machen sollte.
Am Ende wird die Qualität darunter leiden. Weil man gute Arbeit " Made in Germany" eben nicht für chinesische Löhne bekommen kann.
Sie sind immer für Liberalisierungen. Dienstleistungsrichtlinie, Postdienstleistung, EU-Freizügigkeit usw.
Warum sind Sie dann nicht auch für Mindeststandards?
Ich glaube, dass wir 2009 oder 2011 einen Mindestlohn bekommen müssen. Wenn wir nicht das gleiche Übel erleben wollen, welches wir auf dem Bau erleben mussten.
Und dann gibt es da noch christliche Gewerkschaften, wo z.T. Ihre Parteifreunde Mitglied sind. Laut ARD-Monitor, wurden da Mini-Löhne vereinbart. Warum unterstützen mache Unionspolitiker solche Gewerkschaften? Jeder kann sehen, dass diese sehr niedrige Löhne aushandeln.
Mit freundlichen Grüßen
Irmgard Resch
Sehr geehrte Frau Resch,
haben Sie Dank für Ihre Anfrage vom 24. März, auf die ich gerne antworte. „Arbeit für alle“ – das ist eine der zentralen Forderungen der Union und bestimmt maßgeblich unsere Politik. Jedoch müssen wir uns sehr genau ansehen, wo die Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt liegen, um wirkungsvolle Instrumente zu finden, die diese Probleme effektiv und nachhaltig lösen.
Seit letztem Herbst diskutieren wir in Deutschland sehr viel über Mindestlöhne, ob in der Politik oder in den Medien. Die Forderung nach einem flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn wird meistens mit dem Argument begründet, dass zahlreiche Arbeitnehmer in Deutschland trotz einer Vollzeitbeschäftigung nicht von ihrer Arbeit leben könnten. Richtig ist, dass etwa 10.000 Beschäftigte in Deutschland trotz Vollzeitbeschäftigung nicht dauerhaft ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dies ist sehr bedauerlich und für den Einzelnen sicher schwierig. Dennoch dürfen wir hier nicht die Relationen aus den Augen verlieren. Von 40 Mio. Beschäftigten insgesamt sind 28 Mio. Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt; davon haben 22 Mio. eine Vollzeitstelle. Der Anteil am gesamten Arbeitsmarkt beträgt also 0,045 Prozent. Die große Mehrheit der sogenannten „Aufstocker“ - also Vollzeitbeschäftigte, die mit ALG II aufstockt - tut dies, weil ihr Einkommen für die Existenzsicherung der Familie nicht ausreicht. Hiervon betroffen sind insgesamt 382.000 Arbeitnehmer. Selbst mit einem Bruttostundenlohn von 10 Euro ist jedoch eine alleinerziehende Arbeitnehmerin mit einem Kind auf zusätzliche Leistungen des ALG II angewiesen. Insgesamt beziehen knapp 1,2 Mio. Erwerbstätige ALG II. Davon sind etwa 700.000 Teilzeitkräfte oder geringfügig Beschäftigte – sie verdienen sich entweder etwas zum ALG II dazu oder arbeiten auf geringerer Stundenbasis, da es bereits eine voll erwerbstätige Person in ihrem Haushalt gibt.
Mindestlöhne werden vorschnell als besonders sozial gerecht empfunden. Dem steht jedoch die Gefahr entgegen, dass gerade Menschen aus Problemgruppen keine Arbeit finden und dauerhaft auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Durch zu hohe Lohnuntergrenzen werden gerade Jobs für Geringqualifizierte überproportional verteuert. Die Chancen für Langzeitarbeitslose oder (gering qualifizierte) Berufseinsteiger eine Beschäftigung zu finden, sinken damit gegen Null. Zudem ziehen höhere Löhne auch höhere Preise nach sich – wie gerade im Fall der Bahn deutlich zu beobachten ist, wo nach Abschluss der höheren Tarifverträge für die Lokführer ein deutlicher Preisanstieg für Bahnfahrten bereits angekündigt wurde. Höhere Preise für Produkte und Dienstleistungen des Alltags treffen aber vor allem Menschen mit einem niedrigen Einkommen. Daher halte ich einen Mindestlohn für das falsche Instrument. Sie fragen, warum Mindestlöhne Arbeitsplätze kosten. Es gibt drei Strategien, wie Unternehmen mit höheren Lohnkosten umgehen können: Entweder gelingt es den Unternehmen, die durch den Mindestlohn entstehenden höheren Lohnkosten auf die Preise umzulegen und so direkt an die Verbraucher weiterzugeben. Dies wird sich negativ auf die Nachfrage nach deutschen Produkten und Dienstleistungen auswirken. Alternativ kann Personal eingespart oder Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert werden, um die hohen Lohnkosten einsparen zu können. Dies vernichtet nachhaltig Arbeitsplätze in Deutschland. Nach Expertenschätzungen gefährdet ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro bis zu 1,1 Mio. Arbeitsplätze.
Sie kritisieren zu Recht, dass in einigen Branchen Lohn-Dumping betrieben wird, vor allem durch den Einsatz „ausländischer Billigarbeiter“. Auch ich kritisiere das. Daher setze ich mich ausdrücklich für ein Verbot von sittenwidrigen Löhnen ein. Die CDU/CSU hat dies im Januar in ihrer Wiesbadener Erklärung auch klar gesagt: sittenwidrige Löhne werden wir nicht hinnehmen und per Gesetzt verbieten. Es ist richtig, dass es in einigen Branchen keine Tarifverträge gibt bzw. die Tarifbindung nur sehr gering ist. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass in diesen Branchen Dumping-Löhne gezahlt werden. Klassische Berufe ohne Tarifvertrag sind vor allem zu finden bei abhängig Beschäftigten der freien Berufe wie Rechtsanwälte, Notare, Steuer- und Unternehmensberater – Branchen, von denen nicht bekannt ist, dass die Arbeitnehmer unter Dumping-Löhnen zu leiden hätten. Die Situation in dem von Ihnen angeführten Fleischerhandwerk, muss man sehr differenziert betrachten. Es gibt in der Fleischwarenindustrie für neun Regionen Flächentarifverträge und über 80 Haustarife (Stand 2005). Der Stundenlohn schwankt dabei je nach Region zwischen 7,08 Euro und 10,50 Euro. Auch für Schlachthöfe waren 2005 zahlreiche Haustarifverträge registriert – mit Stundenlöhnen, die über 10 Euro lagen. Auch wo keine flächendeckenden Tarifverträge existieren, gibt es in den Unternehmen Betriebsräte – und diese können für ihre Beschäftigten Haustarife aushandeln. Insgesamt sind mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland von Tarifverträgen erfasst.
Meistens wird beim Thema Mindestlohn auf das Ausland verwiesen und als Argument angeführt, dass der Arbeitsmarktentwicklung in unseren europäischen Nachbarländern würde der Mindestlohn auch nicht schaden. Diese Behauptung lässt sich bei genauerem Hinsehen nicht aufrecht erhalten, da die Rahmenbedingungen völlig unterschiedlich sind. Deutschland hat immer noch die dritthöchste Abgabenlast der OECD-Staaten. Großbritannien, auf das gerne verwiesen wird, hat eine fast 20 Prozent geringere Belastung der Arbeitskosten und eine wesentlich dynamischere Wirtschaftsentwicklung als Deutschland. Der Mindestlohn fällt also deshalb nicht ins Gewicht, da er durch günstigere Rahmenbedingungen überkompensiert wird. In Frankreich fehlen diese Rahmenbedingungen weitgehend, so dass der Mindestlohn zu einem deutlichen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auf über 20 Prozent beigetragen hat. Die Erfahrungen aus der hiesigen Bauwirtschaft zeigen, dass ein Mindestlohn nicht zu einer Reduzierung des Anteils ausländischer Arbeitnehmer führt. Im Gegenteil hat ein hoher Mindestlohn zu einem starken Anstieg der Schwarzarbeit im Baugewerbe geführt.
„Made in Germany“ - das ist ein wertvolles Markenzeichen und steht für hohe Qualität der Produkte, für hervorragende Arbeit und eine faire Unternehmensführung. Daher müssen wir alles dafür tun, dass unsere Güter und Dienstleistungen auch in Zukunft ein erstklassiges Aushängeschild für unser Landes bleiben. Nur so können wir im globalen Standortwettbewerb bestehen. Den Preiskampf gegenüber Schwellenländern werden wir immer verlieren, gewinnen können wir nur durch herausragende Qualität der Produkte und durch exzellent qualifizierte Arbeitnehmer.
Dies alles sind für mich genügend Argumente gegen einen flächendeckenden Mindestlohn und es würde mich freuen, wenn Sie meine Bedenken nachvollziehen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Fuchs MdB