Frage an Michael Bürsch von Jörg S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Bürsch,
Sie haben für das BKA-Gesetz gestimmt, obwohl bei der Online-Untersuchung in diesem Gesetz keine Richter-Unterschrift zwingend ist.
Ihr Kollege, Herr Jörg Tauss, hat als einer der wenigen 20 Aufrechten innerhalb der SPD gegen das BKA-Gesetz gestimmt und ist auch sofort durch Ihre Fraktionsspitze abgestraft worden dergestalt, dass man ihm die Sprecher-Funktion bzw. Koordination für Datenschutzfragen innerhalb der SPD aberkannt hat und stattdessen Sie nun in Zukunft damit betraut hat.
Ich habe mir nun im Netz "einen Wolf" recherchiert, aber ich habe keinerlei Statements oder Äußerungen von Ihnen finden können, die nun gerade Sie für dieses Thema derartig prädestinieren, außer einem vor einer Woche von Ihnen initiierten "Handelsblatt"-Artikel.
Was zeichnet nun ausgerechnet Sie für dieses immer wichtigere Thema aus? Gibt es Stellungnahmen von der Zeit vor dem 12.11.2008 von Ihnen, die ich nachlesen könnte und die mir die Eingebung Ihrer Fraktionsspitze eventuell nachvollziehbarer erscheinen lassen könnte?
Mit freundlichen Grüßen
J.Stöckel
Sehr geehrter Herr Stöckel,
danke für Ihre Mail.
Mit dem Thema Datenschutz befasse ich mich als Mitglied des Innenausschusses bereits seit fünf Jahren. In den Jahren 2003 und 2004 war ich Berichterstatter der SPD-Fraktion für das Informationsfreiheitsgesetz. Darüber hinaus habe ich verschiedene Reden zu Datenschutz im Bundestag gehalten. Unter folgenden Adressen finden Sie einige Beispiele:
Protokoll der 149. Sitzung vom 17. Dezember 2004 (15. Wahlperiode)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/15/15149.pdf#P.13945
Protokoll der 179. Sitzung vom 3. Juni 2005
http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/15/15179.pdf#P.16950
Protokoll der 58. Sitzung vom 20. Oktober 2006 (16. Wahlperiode) http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16058.pdf
Protokoll der 85. Sitzung vom 8. März 2007
http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16085.pdf
Protokoll der 165. Sitzung vom 4. Juni 2008
http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16165.pdf
Um Ihnen zu verdeutlichen, weshalb ich trotz Bedenken für das BKA-Gesetz gestimmt habe, füge ich im Folgenden eine Erklärung bei, die ich vor der Abstimmung im Bundestag am 12. November diesen Jahres abgegeben habe:
Erklärung nach §31 GO zum heutigen Abstimmungsverhalten
zu TOP 3:
- 2./3. Les. CDU/CSU und SPD-Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt
- 2./3. Les. Reg.-Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt
Die Entscheidung, das Bundeskriminalamt mit der Gefahrenabwehr des internationalen Terrorismus zentral und ausschließlich zu betrauen, ist bereits vom Deutschen Bundestag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit vor über 3 Jahren beschlossen worden. Damals ist das Grundgesetz entsprechend geändert worden. Diese generelle Aufgabenzuständigkeit wird nun mit den Änderungen zum BKAG einfachgesetzlich nachvollzogen und ausgefüllt. Dies ist richtig und notwendig.
Das Gesetz übernimmt eine große Anzahl bereits vorhandener und bewährter Polizeibefugnisse aus längst geltenden Gesetzen der deutschen Länderpolizeien und orientiert sich strikt an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Konzentration und Zentralisierung der Polizeibefugnisse auf Bundesebene in einem zentralen Kriminalitätsfeld zur Gefahrenabwehr und zur Straftaten-Verhütung werden allerdings erstmals auf Bundesebene polizeiliche Befugnisse im Rahmen der Terrorismusbekämpfung geschaffen, die den ausschließlich den Nachrichtendiensten vorbehaltenen Aufgaben sehr nahekommen.
Für den Bereich der Onlinedurchsuchung halte ich die für die Praxis vorgestellten Eilfälle für sehr konstruiert. Auch bin ich skeptisch, ob die zur Auswertung von eventuellen Kernbereichserkenntnissen eingesetzten BKA-Beamten einschließlich des BKA-Datenschutzbeauftragten ausreichend neutral und unabhängig entscheiden können.
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass der Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, deren Schutz der Entwurf in § 21u des Bundeskriminalamtsgesetzes anordnet, zu eng gefasst ist. Patientinnen und Patienten haben ein Recht darauf, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis vertraulich bleibt. Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten müssen daher Geistlichen, Strafverteidigern und Abgeordneten in diesem Zusammenhang gleichgestellt werden.
Dennoch kann ich diesem Gesetz insgesamt zustimmen, weil durch die gesetzlich verankerte unabhängige Evaluierung dieser Streitfragen und die Befristung der Bestimmung zur Onlinedurchsuchung im neuen BKA-Gesetz gewährleistet ist, dass nicht nur das eventuell angerufene Bundesverfassungsgericht, sondern auch der Gesetzgeber selbst zwingend gehalten ist, das grundsätzlich einzuhaltende Trennungsgebot zwischen polizeilichen Aufgaben und nachrichtendienstlicher Zuständigkeit strikt einzuhalten und so auch die hohen Anforderungen für besonders intensive Grundrechtseingriffe evaluiert und überprüft werden.
Berlin, den 12.11.2009
Michael Bürsch