Frage an Michael Buchmann von Helga M. bezüglich Verkehr
Hallo Herr Dr. Buchmann,
Wie soll eine Volksabstimmung i.S. Stuttgart 21 vonstatten gehen? Welche Regionen wollen Sie einbeziehen? Finanziell betrifft es Deutschlands Steuerzahler. Nutznießer oder Belastete sind die Einwohner der Region. Durch die Baumaßnahmen am meisten belastet sind die Stuttgarter Bürger.
Ist Ihre Forderung verfassungskonform? Kann nach einer beschlossenen Maßnahme mit geschlossenen Verträgen im Nachhinein ein Bürgerentscheid über das Einhalten von geschlossenen Verträgen durchgeführt werden mit dem Ziel, die beschlossene Maßnahme zu kippen?
Im voraus vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Münch,
Sie sprechen hier eine Reihe schwieriger juristischer und praktischer Fragen an. Da ich kein Jurist bin, versuche ich mich den von Ihnen angesprochenen Problemen mit meinem - hoffentliche gesunden - Menschenverstand zu nähern (der meines Erachtens in vielen Instanzen der Planungsgeschichte dieses Megaprojektes nicht eingeschaltet wurde).
Zunächst einmal bin ich der Ansicht, dass geschlossene Verträge eingehalten werden müssen (nach dem Grundsatz: "Pacta sunt servanda").
Wenn aber behördliche Zustimmungen auf Grund von Gutachten, die fehlerhaft waren, erteilt wurden, wenn Zahlen offensichtlich schöngerechnet wurden oder klar ist, dass Kosten gar nicht eingehalten werden können, wenn die versprochene Leistungsfähigkeit nicht eingehalten werden kann oder sich im Verlauf neue Erkenntnisse zu ökologischen oder geologischen Risiken ergeben, liegen meines Erachtens hinreichende Gründe vor, von entsprechenden Verträgen zurückzutreten. Etwas überspitzt: Wenn Sie in einer Gaststätte ein Filetsteak für 23.- € ordern und sollen dann einen Hamburger essen und 30.- € bezahlen, machen Sie das auch nicht mit.
Wen man im Einzelnen in eine Volksabstimmung einbezieht muss wohl auch differenziert betrachtet werden. Wenn es um Streckenführung oder Tunnel durch geologisch risikobehaftete Gebiete geht, so sind die entsprechenden Regionen einzubeziehen.
Für mich persönlich ist das viele Geld, das in dieses Projekt gesteckt werden soll, auch nicht für sich genommen das Problem. Man sollte in den Ausbau des ÖPNV und des Schienennetzes durchaus investieren. Das Problem besteht für mich darin, dass derart viel Geld in ein einziges, vielfach risikobehaftetes Projekt gesteckt werden soll, von dem bereits jetzt absehbar ist, dass es einerseits die darin gesetzten Erwartungen nicht erfüllen wird und andererseits am Bedarf vorbei geplant wird.
Speziell den Bahnhof Stuttgart betreffend bin ich der Ansicht, hier wird in erster Linie die Stuttgarter Bevölkerung betroffen sein, auch durch die sich ergebenden möglichen Konsequenzen für das Stuttgarter (Mineral-)Wasser, das Stadtbild, mögliche folgende Immobilienprojekte, Veränderungen im Preisgefüge etc.
Was die Verfassungskonformität betrifft, so ergibt sich hier wahrscheinlich die Notwendigkeit von Veränderungen. Auf jeden Fall sollte die Möglichkeit einer direkteren Beteiligung der Bürgerschaft verbessert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Buchmann