Im Herbst soll CETA ratifiziert werden. Warum, wenn es hier um weitere Nachteile für die Bevölkerung geht, ist dieses Handelsabkommen für Deutschland wichtig?
Bei CETA geht es um die Verhinderung von Verbraucherschutzklagen gegen Konzerne, die Einrichtung von undemokratischen Ausschüssen, die ohne Rücksicht auf Verbraucher entscheiden werden.
Diese ermöglichen es ausländischen Investoren, nationale Gerichte zu umgehen und Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, wenn z.B. ein neues Klimaschutzgesetz ihre Gewinne schmälern könnte.
Schon die Androhung einer Klage ausländischer Unternehmen kann Klimaschutz, Gesundheit oder andere sinnvolle nationale Maßnahmen blockieren oder deutlich verteuern.
2016 wurde die größte Verfassungsbeschwerde der BRD gegen den demokratiegefährdenden Teil von CETA eingereicht.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-022.html
Das Gericht hält zentrale Argumente der Verfassungsklage für berechtigt, wie es vor wenigen Monaten entschied.
Werden Sie für CETA stimmen?
Sehr geehrter Herr S.
vielen Dank für Ihre Frage.
- CETA ist ein Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, es geht also hierbei nicht nur um die deutschen, sondern auch um die europäischen Interessen. Obwohl die Verhandlung eines solchen Handelsabkommens im Einzelnen sehr komplex ist, ist klar: grundsätzlich profitieren wir davon. Denn wenn die EU ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Kanada weiter ausbaut, dann bedeutet das bessere Möglichkeiten für Handel und Investitionen. Dadurch wird u.a. ein besserer Zugang zu wichtigen Rohstoffen und zu klimafreundlichen Technologien gewährleistet und die Lieferketten sind robuster. Im Idealfall bringt ein Handelsabkommen auch niedrigere Preise mit sich. Es geht also bei der Ratifizierung vor allem um die Frage, wie wir das Abkommen bestmöglich ausgestalten. Das heißt aus Sicht der Grünen: Handel muss auf Grundlage sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards stattfinden. Dafür haben wir uns eingesetzt und uns mit den anderen Parteien der Ampel auf eine Handelsagenda geeinigt. Diese stellt sicher, dass diese Standards bei der Ratifizierung von CETA gewährleistet sind und bleiben.
- CETA ist seit September 2017 in vorläufiger Anwendung. In der von Ihnen zitierten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese vorläufige Anwendung auch verfassungskonform ist. Es geht also nicht um die grundsätzliche Frage CETA ja/nein, sondern darum, den Ratifizierungsprozess abzuschließen. Die prozessuale Ausgestaltung von CETA und die Möglichkeit zu Investor-Staat-Schiedsverfahren wurden von den Grünen immer kritisch gesehen. Es ist aber nicht richtig, dass es bei CETA darum geht, Verbraucherschutzklagen gegen Konzerne zu verhindern. Vielmehr war es bis jetzt problematisch, dass die Investitionsschutzklauseln in dem Abkommen Definitionen wie „billige und gerechte Behandlung“ und „indirekte Enteignung“ enthalten, die missbräuchlich ausgelegt und den Schutz von Umwelt, Verbraucher*innen, Gesundheit und Menschenrechten untergraben können. Um diesen Missstand aufzulösen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unter Führung von Robert Habeck in Absprache mit der EU-Kommission eine Interpretationserklärung erarbeitet. Diese Erklärung definiert detailliert die Sonderklagerechte und die Ausgestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit, um möglichen Missbrauch zu verhindern.
Bei der Öffentlichen Anhörung zu CETA am 12. Oktober 2022 sprach sich die überwiegende Mehrheit der geladenen Fachleute für eine baldige Ratifizierung des CETA-Gesetzes aus. Prof. Dr. Holterhus von der Fakultät für Staatswissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg beispielsweise, lobte die Nachbesserungen im Zuge der Interpretationserklärung ausdrücklich und bezeichnete das CETA-Abkommen - bei Annahme der Änderungen - als „Goldstandard“ für zukünftige Freihandelsabkommen. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen Deutschland durch ein Unternehmen hielt die große Mehrheit der Sachverständigen für gering.
Nach der überaus positiven Einschätzung der Experten, werden meine Fraktion und ich - unter der Bedingung der Annahme der Interpretationserklärung im Gemischten CETA-Ausschuss - für das CETA-Ratifizierungsgesetz stimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Melis Sekmen