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Mechthild Rawert
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Frage von Michael S. •

Frage an Mechthild Rawert von Michael S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Rawert,

in vielen Fällen werden Vätern mit Kindern, die aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit auf ALGII angewiesen sind, von den Berliner JobCentern offenbar systematisch die notwendigen Möglichkeiten verweigert, um einen kindgerechten Kontakt mit den Kindern zu leben. Familiengerichtliche Umgangsurteile werden schlichtweg ignoriert.

Diese Väter werden als "alleinstehend" behandelt und zum Umzug in 1-Raum-Wohnungen aufgefordert. Wie soll man aber z.B. drei Töchter im Pubertätsalter in einer 1-Raum-Wohnung unterbringen?

Was sollen diese Kinder essen, während sie beim Vater sind, der nur den Regelsatz für eine Person erhält?

Ist aktive Vaterschaft nur für zwei Wickelmonate erwünscht und soll man ältere Kinder vergessen, falls man arbeitslos wird?

Ist die grundgesetzliche Elternverantwortung erloschen, sobald man ALGII-Bezieher wird? Gilt der Sozialstaat nur für Mütter?

Warum haben Sie als Politiker keinerlei gesetzliche Grundlagen geschaffen, um die aktive Elternschaft von Vätern auch bei Arbeitslosigkeit zu gewährleisten?

Mit freundlichen Grüßen
M.Stiefel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Stiefel,

vielen Dank für Ihren Brief zum Thema Familien und Unterstützung durch das Jobcenter. Natürlich ist die grundsätzliche Verantwortung der Eltern auch bei Bezug von ALGII weiter zu gewährleisten. Der Sozialstaat hat hier die Aufgabe allein- oder getrennt erziehenden Müttern und Vätern zu helfen.

Zu den aktuellen Fakten, die Ihnen hoffentlich weiterhelfen. Ich darf Sie auf die letzte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 03.03.2009 - AZ.: B 4 AS 50/07 R - verweisen.

Danach steht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen - geschieden und getrennt wohnenden Eltern - ein hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehende bei Erziehung und Pflege des gemeinsamen Kindes zu. Voraussetzung ist: Die abwechselnde Erziehung und Betreuung des gemeinsamen Kindes erfolgt in größeren, mindestens eine Woche umfassenden zeitlichen Intervallen und die anfallenden Kosten werden in etwa hälftig geteilt. Der sogenannte Mehrbedarf soll unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfes in Form einer Pauschale gewährt werden. Nach meinem Verständnis auch dann, wenn der hilfebedürftige Vater oder die hilfebedürftige Mutter leistungsberechtigt im Sinne des SGB II und alleinerziehend sind. Dies könnte auch in Ihrer Situation der Fall sein. Das Gericht erkennt in seinem Urteil an, dass es in dieser Situation nicht angemessen ist, hilfebedürftigen Arbeitslosen den Mehrbedarf (eine Teilzahlung) wegen Alleinerziehung ganz abzulehnen. Aber auch die Zahlung des vollen Mehrbedarfs ist – laut Urteil – nicht angemessen.

Hier wird auch die Auslegung nach § 21 Abs 3 SGB II erwähnt. Die aus meiner Sicht entscheidende Frage lautet: Haben getrennt Erziehende, von denen mindest eine/r ALG II-Leistungen bezieht, Anspruch auf Mehrbedarf, wenn sie sich das elterliche Sorgerecht teilen. Die Antwort des Bundessozialgerichts klingt kryptisch. Ich vermute, dass in Ihrem Fall aber einiges dafür spricht, dass Ihnen mehr als der Regelsatz für eine Person zusteht. Tritt in Fällen, in denen sich das Kind also mindestens für eine Woche bei dem einen, die andere Woche bei dem anderen Elternteil befindet, in der Betreuungszeit keine umfassende Entlastung bei der Pflege und Erziehung ein, scheint die Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs gerechtfertigt zu sein.

Bitte setzen Sie sich erneut mit Ihrem Job-Center in Verbindung und fragen bitte auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung erneut nach.

Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeitsplatzsuche viel Erfolg und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Ihre Mechthild Rawert