Portrait von Mechthild Rawert
Mechthild Rawert
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Mechthild Rawert zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Sabine K. •

Frage an Mechthild Rawert von Sabine K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Rawert,
mit Interesse verfolge ich die seit Wochen anhaltenden Diskussionen um die geplanten und geforderten Bürgschaften für Unternehmen aus dem Automobil- und Bankenbereich. Es ist wirklich erstaunlich, mit welchen Geldbeträgen jeden Tag herumjongliert wird. Und das alles für Branchen, die zum allergrößten Teil durch eigenes Verschulden, durch Misswirtschaft in den Unternehmen in diese prekäre Lage gekommen sind.
Warum ist es möglich, Milliardenbeträge für eine einzige Bank zur Verfügung zu stellen, das Gesundheitswesen aber ständig abzuschmettern? Sind die Arbeitnehmer im Gesundheitswesen weniger wert als die Arbeitnehmer bei Opel & Co.? In den letzten Jahren sind zigtausend Arbeitsplätze im Gesundheitswesen abgebaut worden, ohne dass sich in der Bevölkerung jemand darum geschert hat (es sei denn, er ist gerade in eine Klinik eingeliefert worden, in der Personalmangel herrschte).

Beim Gesundheitswesen hieß es immer wieder, es wäre kein Geld da! Für die Automobil- und Bankenbranche (alles Branchen mit hervorragenden Verdienstmöglichkeiten, von denen andere nur träumen!) erstaunlicherweise schon.

Vorab vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Kühne

Portrait von Mechthild Rawert
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Kühne,

die Beschäftigten im Gesundheitswesen verrichten ihre Arbeit oft unter großer Belastung. Schichtdienst, körperliche und psychische Belastungen sowie Stress sind für viele die tägliche Realität. Ich habe großen Respekt vor den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Gesundheitsbranche, die diese Belastungen täglich auf sich nehmen und dadurch ein funktionierendes und menschliches Gesundheitswesen für uns alle garantieren. Die Gesundheitsbranche ist der wachsende Bereich in Deutschland. Hier arbeiten mehr Menschen als in der Automobilindustrie.

Ich versichere Ihnen, dass mir die Beschäftigten im Gesundheitssystem wert und teuer sind. Deshalb habe ich mich auch im vergangenen Jahr an der Verdi-Aktion "Der Deckel muss weg" beteiligt. Mit der Aktion protestierte die Gewerkschaft dagegen, dass der Kostendruck in den Krankenhäusern vor allem an die Beschäftigten weitergegeben wird. Weitere Informationen über mein Engagement finden Sie auf meiner Homepage unter http://www.mechthild-rawert.de/index.php?nr=2001&menu=1.

Die Schwierigkeiten der Automobil- und Bankenbranche sind unter dem Strich Ergebnis der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Banken sind für das Funktionieren unserer gesamten Wirtschaft absolut notwendig. Sie sind es, die insbesondere den klein- und mittelständischen Unternehmen Kredite bereitstellen und damit Investitionen ermöglichen. Momentan sind wir jedoch in einer Situation, in der sich die Banken kaum gegenseitig trauen und dementsprechend auch weniger Geld verleihen. Wenn aber keine Kredite mehr vergeben werden, gerät die Wirtschaft immer mehr ins Schlingern. Deshalb musste der Staat eingreifen und Bürgschaften für die Banken übernehmen. Durch die Sicherheit, dass der Staat im Notfall einspringen würde, kommt der Kreditkreislauf wieder in Schwung.

Die Finanzkrise entwickelte sich zu einer weltweiten Wirtschaftskrise, unter der besonders die Autoindustrie leidet. Diese exportorientierte Branche ist für Deutschland von enormer Bedeutung. Mehr als eine Million Arbeitnehmer sind direkt in der Produktion oder bei Zulieferbetrieben beschäftigt. Hinzu kommen Arbeitsplätze u.a. im Verkauf, der Reparatur und Wartung. Die Pleite eines deutschen Autobauers hätte schwerwiegende Auswirkungen auf große Teile der Wirtschaft. Weitere Konkurse von Zulieferern wären die Folge. Deshalb diskutiert die Bundesregierung auch über Kreditbürgschaften für Autohersteller wie Opel. In der Automobil- und in der Bankenbranche lauten die aktuell vordringlichsten Fragen: Wie können wir den Kreditkreislauf wieder in Schwung bringen und wie erhalten wir möglichst viele Arbeitsplätze, solange bis es der Wirtschaft wieder besser geht?

Die Personalsituation im Gesundheitssystem ist hingegen eine strukturelle Herausforderung. Diese kann man nicht mit den Mitteln lösen, mit denen wir die Auswirkungen der Finanzkrise angehen und mit denen wir für neue Regeln nach der Krise sorgen müssen. Hier helfen keine Bürgschaften, vielmehr muss dauerhaft Geld in Personal investiert werden.

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz, das der Deutsche Bundestag am 18. Dezember 2008 verabschiedet hat. Durch das Gesetz erhalten die Krankenhäuser im Jahr 2009 zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 3,55 Mrd. Euro. Dies hat die SPD-Fraktion gegen den Widerstand von Teilen der Unionsfraktion und des Kanzleramtes durchgesetzt, die den Krankenhäusern nicht mehr als 1,5 Mrd. Euro zugestehen wollten, was aus meiner Sicht völlig unzureichend gewesen wäre. Die SPD hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass die zusätzlichen Mittel bei den Krankenhäusern dort ankommen, wo sie besonders dringend gebraucht werden -- nämlich bei den Beschäftigten. So haben wir eine Regelung dafür getroffen, dass 50 % der durch die Tarifabschlüsse gestiegenen Personalkosten durch die Krankenkassen finanziert werden. Wir haben dabei dafür gesorgt, dass nur die Krankenhäuser eingeschlossen werden, die auch Tarif bezahlen.

Auch das Programm zur Schaffung neuer Pflegestellen in den Krankenhäusern war ein besonderes Anliegen der SPD. Ursprünglich war im Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Krankenkassen 70% der Kosten für neue Stellen übernehmen sollten. Schließlich konnten wir erreichen, dass nunmehr 90 % der Kosten neuer Pflegestellen von den Kassen finanziert werden. Insgesamt werden damit in den kommenden Jahre 14.000 neue Pflegestellen geschaffen.

Ein zentraler Punkt des Gesetzes ist der Einstieg in eine Neugestaltung der Investitionskostenfinanzierung. Gemeinsam mit den Ländern haben wir uns darauf verständigt, dass leistungsorientierte Investitionspauschalen entwickelt werden sollen, die für jede Krankenhausbehandlung zusätzlich zu den bisherigen Fallpauschalen gezahlt werden sollen. Dieses neue Finanzierungssystem soll ab 2012 bereitstehen, die Länder sollen aber entscheiden können, ob bzw. in welchem Umfang sie danach verfahren. Nun geht es darum, dass die Länder sich zu ihrer Verantwortung bekennen und ihre Krankenhäuser mit den dringend erforderlichen Investitionsmitteln auszustatten.

Auch in unserem Regierungsprogramm zur Bundestagswahl im September haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns mit der Personalsituation in der Gesundheitsbranche befasst. Die Wachstumspotenziale in diesem Bereich sind enorm. Deshalb sieht die SPD auch Investitionen in Gesundheit als Zukunftsinvestitionen. Nur der verantwortliche Umgang aller mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sichert eine gute Zukunft unseres Gesundheitssystems. Daran wollen wir weitere Reformen -- insbesondere auch der Institutionen -- des Gesundheitswesens ausrichten.

Mit freundlichem Gruß

Mechthild Rawert