Frage an Mechthild Rawert von Martin M. bezüglich Verbraucherschutz
1.) Unterstützen Sie die Forderung nach einem 1:1-Restatement des unübersichtlichen deutschen Arbeitsrechts in einem kodifizierten Arbeitsvertragsgesetzbuch (s. a. www.arbvg.de), welches noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird?
Ein 1:1-Restatement ändert materielles Recht grundsätzlich nicht. Nach Auskunft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht diese zu den am 22.04.2008 beschlossenen Forderungen nach einer Kodifikation und versucht weiterhin, diese zu zeitnah realisieren, allerdings, „da der Koalitionspartner SPD diesbezügliche Bemühungen der CDU/CSU-Fraktion blockiert ... ist leider in dieser Legislaturperiode nicht mit einer Novellierung des Arbeitsgesetzbuches zu rechnen ...“ [zitiert aus einer Antwort der CDU/CSU-Bundestagsfraktion].
2.) Werden Sie die Pläne des Bundesumweltministers unterstützen, eine Kodifikation des Umweltrechts in einem Umweltgesetzbuch (s. a. www.umweltgesetzbuch.de) mit einem Inkraftreten noch zum 01.01.2009 umzusetzen?
Sehr geehrter Herr Magdziak,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Auch ich denke es wäre ein Verbesserung, wenn Betriebe und ArbeitnehmerInnen Streitfragen durch einen Blick ins Gesetz klären könnten - vor allem aber auch würden -, anstatt regelmäßig Dutzende von ExpertInnen hinzuziehen zu müssen. Dass eine Vereinfachung des Arbeitsrechts hilfreich ist, ist daher unumstritten. Es wäre ein Fortschritt, das Individualarbeitsrecht in einem einheitlichen Gesetzbuch zusammenzufassen.
Aus diesem Grund hat Olaf Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales, Anfang des Jahres 2008 eine Initiative für eine Vereinfachung gestartet. Die Basis für einen Gesetzentwurf sollte dabei ein gemeinsamer Vorschlag der Sozialpartner (ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften) sein. Bei dieser Aufgabe geht es beispielsweise um politisch hochsensible Themen wie Kündigungsschutz und Zeitarbeit. Während des Zusammentreffens der Sozialpartner stellte sich heraus, dass die Hürden für eine inhaltliche Annäherung allerdings noch hoch sind. Mitte des Jahres stiegen die Arbeitgebervertreter aus den Gesprächen aus, was zum Abbruch führte. Die BDA hat damit eine Chance vertan, mehr Transparenz, Klarheit und Sicherheit im Arbeitsrecht zu schaffen. Gerade für kleine und mittlere Betriebe wäre eine solche Vereinheitlichung eine große Entlastung gewesen, die Arbeit erspart und Konfliktstoff eingedämmt hätte.
In Ihrer Anfrage beziehen Sie auf den Kölner Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, der von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Autoren sind die Gutachter Prof. Dr. Martin Henssler und Prof. Dr. Ulrich Preis von der Universität zu Köln. *Konzept der Bertelsmann-Stiftung für ein neues Arbeitsvertragsgesetz ist es, das heutige Wirrwarr im Arbeitsrecht durchschaubarer zu machen und* im Interesse von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern* weiterzuentwickeln.*
Betrachtet man sich den Kölner Entwurf genauer, dann fällt auf, dass er nicht ausgewogen ausgefallen ist. Er enthält Verschlechterungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer- und einem solchen Vorhaben werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten niemals zustimmen. Wir sind der Überzeugung, dass ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetzbuch anstelle von Einzelregelungen die soziale Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Verbesserungen und die vorgesehenen Flexibilisierungen tatsächlich für mehr und bessere Beschäftigung sorgen müssen und nicht einer Verschlechterung dienen dürfen.
Laut Michael Schubert, Fachanwalts für Arbeitsrecht in Freiburg (Breisgau), Mitglied der bundesweiten Kooperation ArbeitnehmerAnwälte, ist der Entwurf auch keine Zusammenfassung der bisherigen einzelgesetzlichen Regelungen und des bisherigen Richterrechts. Auch die Behauptung von den Autoren, sie hätten nur eine "ganz geringe Zahl materieller ... in der Gesamtschau sehr ausgewogener Änderungen" vorgenommen (so im Vorwort zur Entwurfsfassung von November 2007), wird von Schubert widerlegt.
"Indem sich der Entwurf auf das (private) Arbeitsvertragsrecht beschränkt, lässt er das öffentlichrechtliche Arbeitsrecht (Arbeitszeitschutz, Arbeitssicherheitsschutz, Mutterschutz et cetera) und das kollektive Arbeitsrecht (zum Beispiel Betriebsverfassungsgesetz oder Tarifvertragsgesetz) scheinbar unberührt. Doch das Arbeitsrecht entfaltet seine Wirkung gerade durch das Zusammenwirken von privatrechtlichen, öffentlichrechtlichen und kollektivrechtlichen Schutzelementen. Eben dies spiegelt sich auch in den - für die einzelnen EU-Staaten immer wichtiger gewordenen - EU-Richtlinien wider, die in Deutschland in entsprechende Gesetze umgesetzt wurden und werden (zum Beispiel in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder das Teilzeit- und Befristungsgesetz).
Der Henssler/Preis-Entwurf zieht aus den verschiedenen Arbeitsrechtsgesetzen den privatrechtlichen Teil heraus, ohne zu sagen, was mit dem - häufig für die Schutzwirkung entscheidenden - "Rest" geschehen soll. Wer mit einem solchen Arbeitsvertragsgesetz arbeiten müsste, würde - jedenfalls solange öffentlichrechtlicher und kollektivrechtlicher Arbeitnehmerschutz besteht - vielfach auf die falsche Fährte gelockt.
Die Behauptung, die materiellen Änderungen seien "ganz gering" an Zahl und "sehr ausgewogen", erweist sich bei näherem Hinsehen als irreführend. Tatsächlich werden in entscheidenden Regelungsbereichen ganz neue, eindeutig arbeitgeberorientierte Änderungen vorgeschlagen. (Michael Schubert, in Arbeitsrecht à la Bertelsmann, Erstveröffentlichung dieses Textes erschien in der Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft Ossietzky, Heft 19 / 2008.)
*Unabhängig von der schwierigen Verhandlung mit unserem Koalitionspartner gab es kein Zeitfenster für eine Gesetzesinitiative. Es bestehen unsererseits auch erhebliche *Bedenken hinsichtlich des Inhaltes des Diskussionsentwurfs. Eine Zusammenfassung von Normen des Arbeitsrechts lässt sich nur bei einem grundsätzlichen Konsens der Sozialpartner verwirklichen. Ein solcher Konsens ist derzeit nicht erkennbar.
Unabhängig hiervon stellt sich die Frage, ist die vorgeschlagene Kodifikation tatsächlich geeignet, die rasanten Veränderungen der Arbeitswelt, die seit den 70er Jahren zu verzeichnen sind, aufzunehmen und bestandsichernd und sozialverträglich in ein zukunftsfähiges Arbeitsvertragsrecht einzuarbeiten. Eine unabdingbare Voraussetzung für eine Kodifikation des Arbeitsrechtes ist für die SPD, dass sich die Bedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht verschlechtern dürfen. Wir wollen die Verbesserungen der Arbeits- und Mitbestimmungsregularien.
Mit freundlichem Gruß
Mechthild Rawert