Frage an Mechthild Rawert von Wieland Dr. H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Rawert,
zur populistischen Forderung "Mehr Netto fürs Brutto" gibt es nur die vage Ankündigung eines Steuerkonzepts der SPD. Werden Sie in der SPD-Fraktion deutlich machen, dass es gilt, einen weiteren Anschlag auf den Sozialstaat abzuwehren? Die Differenz von Brutto und Netto ist die Solidarität (Steuern und Beiträge). Weniger Solidarität heißt weniger Zukunfsinvestitionen, mehr Reichtum und mehr Armut. Die Forderung muss deshalb lauten: Mehr Brutto fürs Netto. Dann müssen wir nicht Schlusslicht in der Bildung sein und vermeiden Altersarmut. Und deutsche Wettbewerbsvorteile als Billiglohnland tun auf Dauer niemandem gut.
Mit freundlichen Grüßen Wieland Hempel
Sehr geehrter Herr Dr. Hempel,
ich bedanke mich sehr für Ihr Email und Ihre engagierte Position zu den Themen Steuer, Solidarität, und Sozialstaat. Auch ich bin der festen Überzeugung, dass Solidarität grundlegend für unseren Sozialstaat ist. Viele scheinen in den vergangenen Jahren vergessen zu haben, dass adäquate Steuereinnahmen für unseren Sozialstaat überlebenswichtig sind.
Die Forderungen der Neoliberalen nach Steuersenkungen sind auch deshalb vermessen und dienen nicht der Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens Wahlgeschenke dieser Art, die den Blick auf die Realität verloren haben, wird es mit mir nicht geben. Die Position der SPD-Fraktion ist klar: Die Zeiten für vollmundige Steuersenkungsversprechen sind vorbei. Die gegenwärtige Finanzkrise und die wirtschaftliche Unsicherheit, die für viele Bürgerinnen und Bürger damit verbunden ist, lassen derzeit kaum steuerliche Spielräume. Der Staat ist als handelnder Akteur gefragter denn je. Der Wahnsinn der internationalen Spekulationsblasen hat auch in Deutschland Bankinstitute schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auch bei Industrieunternehmen wie Opel könnte der Staat in unmittelbarer Zukunft unter Umständen als Bürge bzw. Miteigentümer gefragt sein. Hinzukommen umfangreiche Verpflichtungen und Zukunftsaufgaben von Bund, Ländern und Kommunen. Ich erwähne hier gern das kommunale Investitionspaket, die Steigerung der Bildungsausgaben und den steigenden Steuerzuschuss im Gesundheitsbereich.
Und vergessen werden sollte auch nicht, dass es die SPD war, die mit der Steuerreform im Jahr 2000 gerade die Menschen im mittleren und unteren Einkommensbereich massiv entlastet hat. Insgesamt gab es hier Steuererleichterungen von fast 60 Milliarden Euro; ein Steuerentlastungspaket, das es so zuvor noch nie gegeben hatte.
Mehr Brutto und auch mehr Netto, Sie haben das Thema erwähnt, heißt auch für mich zuallererst die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, die die meisten europäischen Länder seit langem haben. Auch um dieses Thema wird es bei der kommenden Bundestagswahl gehen und um die Abgrenzung zwischen vernünftigen und gerechten Positionen der Sozialdemokratie und der neoliberalen Sichtweise.
Fakt ist und bleibt: Die SPD steht auch in Zukunft für eine seriöse Finanzpolitik mit Frank-Walter Steinmeier an der Spitze. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns auf diesem Weg unterstützen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihre Mechthild Rawert