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Mechthild Rawert
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Frage von Andreas D. •

Frage an Mechthild Rawert von Andreas D. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Rawert!

Die Veranstaltung zur Nachnutzung des Flughafen-Areals in der Columbiahalle habe ich besucht und war sehr enttäuscht!
Vorschläge, wie „Baseball- und Softballplatz, begehbare Landkarte, Bauernhof“ etc. wurden favorisiert. Zur Nutzung des Gebäudes gab es überhaupt keine Ideen.

Sie schreiben, dass der Steuerzahler derzeit mit diesen Millionen (es sind wohl ca. 10 Mio.) belastet wird, verschweigen aber, dass nach der Schließung Tempelhofs die Belastungen auf 25 - 45 Mio. jährlich steigen werden!

Sie schreiben, der BBI reicht aus, um die Bedürfnisse der Stadt und der Region gerecht zu werden. Woher wissen Sie das? Die Passagierzahlen haben sich völlig anders entwickelt haben, als 1996 angenommen - der BBI wird bereits zu seiner Eröffnung voll ausgelastet sein!
Berlin muss all seine Flughäfen schließen, während in Brandenburg die Regionalflughäfen aktuell ausgebaut werden. Der Geschäftsfüher des Flughafen Schönhagen erklärt deutlich, dass er die künftige Rolle Schönhagens als „Entlastungsflughafen zum BBI“(!) sieht und der Betreiber in Finow strebt sogar eine Startbahn bis 85t Abfluggewicht an! Warum?

Warum wollen auch Sie die Entwicklung des BBI-Bau´s und die des Flugverkehrsaufkommen in Berlin-Brandenburg bis 2011 nicht abwarten – der Flughafen Tegel ist schon heute an seiner absoluten Auslastungsgrenze angekommen – dieses Sicherheitsrisiko wird akzeptiert?!!

Für Tempelhof gibt es konkrete Investitionsangebote die das Areal und das Gebäude einbinden, sie bringen wirtschaftliche Impulse für die Stadt.
Als einer von den 16% Arbeitslose empfinde ich die Senats-Planspiele als Hohn und die Entwidmung während eines laufenden Volksbegehren mehr als nur eine Trickserei!

NEIN – Softballplätze & Co. sind abzulehnen. Der BBI wird eine Entlastung von den kleinen Geschäftsfliegern nötig haben und diese Rolle muss gerechter weise Berlin zu fallen.

Dafür von mir ein klares JA zum Volksbegehren!

MfG

Andreas Donati

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Donati,

Ihre negativen Äußerungen zur Schließung des Flughafens Tempelhof habe ich gelesen und möchte dazu natürlich Stellung nehmen.

Bei der Veranstaltung zur Nachnutzung des Flughafen-Areals war enttäuschend, dass die lautstarken Zwischenrufe einiger weniger Befürworter des Volksbegehrens es sehr erschwert haben, den Inhalten der Vorträge zu folgen, in denen die Nachnutzungskonzepte präsentiert wurden. Auch Gegner der Schließung des Flughafens Tempelhof sollten sich zumindest informieren lassen, um sachgerecht diskutieren zu können.

Sie schreiben, Sie seien einer der Erwerbslosen dieser Stadt. Der Flughafen Berlin-Brandenburg International ist das größte Infrastrukturprojekt der Region. Hier werden rund 40.000 Arbeitsplätze geschaffen. BBI ist ein Jobmotor! Auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ist daher alles zu tun, damit dieser Jobmotor ans Laufen kommt. Sie wissen: BBI war von Anfang an als Single Airport in der Region Berlin-Brandenburg geplant. Von dieser Entscheidung wieder abzuweichen, stellt eine riesengroße Gefahr für das größte wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Zukunftsprojekt unserer Region dar. Hier werden rund 40.000 Arbeitsplätze sichergestellt oder neu geschaffen. Ich kenne Ihre Ausbildung nicht, vielleicht finden Sie ja hier auch einen neuen Arbeitsplatz. Es würde mich sehr freuen.

Die von Ihnen angesprochene Verhöhnung erkenne ich nicht. Vielmehr ist es doch genau umgekehrt: Der Beschluss der Schließung des Flughafens Tempelhof und später auch Tegels liegt seit langem vor und ist gerichtlich erneut bestätigt worden. Sie wissen, dass das Bundesverwaltungsgericht am 04. Dezember 2007 die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bestätigt hat, dass der Flughafen Tempelhof zum 31. Oktober 2008 geschlossen werden kann. Bestätigt wurde damit erneut der Planfeststellungsbeschluss für den künftigen Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI). Die Schließungsverfügung ist damit endgültig unanfechtbar. Ausdrücklich bestätigt hat das Bundesverwaltungsgericht auch, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Interessen der einzelnen Akteure -- auch der Fluggesellschaften -- in einem ausreichenden Maße berücksichtigt hat.

Dass insbesondere die Berliner CDU zusammen mit ICAT das Volksbegehren massiv vorantreibt, ist stadtbekannt. Über deren landespolitische Ambitionen will ich mich nicht weiter äußern. Es sind auf jeden Fall nicht die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner rund um den Flughafen Tempelhof, die im Mittelpunkt des Volksbegehrens "Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen!"* *stehen. Es sind auch nicht die Interessen der mehr als 160.000 Berlinerinnen und Berliner, die durch die Schließung der Flughäfen mittelfristig vollständig vom Fluglärm befreit werden. Das Abrücken vom gültigen Planfeststellungsbeschluss gefährdet die Inbetriebnahme von BBI und damit den wichtigsten Wachstums- und Innovationsmotor für Berlin-Brandenburg. Es ist mir auch ein Rätsel, warum seitens der Protagonisten des Volksbegehrens die Bürgerinnen und Bürger in der Region Schönefeld nicht erwähnt werden, die nun unbestreitbar einer höheren Lärmbelastung ausgesetzt sind. Liegen hier noch tief verwurzelte Ressentiments im Berliner Ost-Westverhältnis zu Grunde?

Befürworter des Volksbegehrens verschweigen auch gerne, dass das Tempelhofer Feld eine ausgesprochen bedeutsame stadtökologische Bedeutung hat. Erwähnt wird nicht die Tatsache, dass wir die in Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten reinere Luft auch dank der Freifläche des Tempelhofer Feldes haben. Wollen die Befürworter des Volksbegehrens wirklich zur stärkeren Luftverunreinigung beitragen?

Was ist gegen eine Freizeitnutzung des Geländes einzuwenden? Touristen in New York schwärmen immer wieder vom Central Park und für die New Yorker selber ist dieses Naherholungsgebiet ein sehr kostbares Kleinod. Sie wissen aber auch, dass dieses Konzept nur ein Teil des Nachnutzungskonzeptes ist.

Zur Nachnutzung des denkmalgeschützten Flughafengebäudes einige Zahlen zur Vermietungssituation 2006:

Für 28% des Gebäudes bestanden unbefristete Mietverträge (18% sind an die Polizei vermietet). Untergebracht ist dort auch die Verkehrsmanagementzentrale (VMZ). Für 5% existieren befristete Mietverträge. 9% der Mietverträge laufen voraussichtlich mit der Flughafennutzung aus. 40% des Gebäudes steht leer, 24% sind aufgrund von Bauschäden nicht oder nur eingeschränkt nutzbar. Das Gebäude wird also "nur" zu 9% durch Einrichtungen/ Institutionen genutzt, die mit der Flughafentätigkeit als solches zu tun haben. Das Nutzungsproblem des Gebäudes ist also keineswegs neu, wie es die Befürworter des Volksbegehrens gerne glauben machen.

Die Eigentümerschaft für Fläche und Gebäude liegt zurzeit zu 83% beim Bund und zu 17% beim Land Berlin. Berlin hat stets darauf hingewiesen, dass an diesem innerstädtischen Standort Potentiale u. a. für Bundesministerien bestehen.

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hat im Zusammenhang mit dem am 30.11.2007 unterzeichneten Hauptstadtvertrag die Vereinbarung zu Tempelhof als eine "tragfähige Lösung für die Zukunft des Flughafens" bezeichnet. Bundespolitische Rückendeckung für landespolitische Ambitionen gibt es daher wohl nicht. Die Haltung des Senats ist also nicht nur gerichtlich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden sondern auch von der Bundesregierung. Berlin wird das Flughafenareal nach der Schließung nun aus einer Hand weiterentwickeln können. Abzuwarten bleibt noch das Urteil einer beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Klage des Landes Berlin hinsichtlich des ehemaligen Reichsvermögens, zu dem das Tempelhofer Feld gehört. Mit einem Urteil ist meiner Kenntnis nach noch in diesem Jahr zu rechnen. Die weitere Kostenentwicklung für das Land Berlin bzw. für den Bund kann sich dann noch neu gestalten.

Berlin ist ein Magnet in Deutschland und weltweit -- und das ist gut so! Laut einer gemeinsamen Studie des Instituts für Verkehrswissenschaft der Uni Köln und der Wirtschafts- und Verkehrsberatung KE-Consult aus dem Jahr 2005 werden für den Flughafen BBI im Jahr 2012 ca. 23 Mio. Passagiere erwartet (die Erweiterungskapazitäten für den BBI lassen zudem eine Passagierzahl von 40 Mio./Jahr zu). Die Kapazitäten des Flughafens Tempelhof stellen angesichts der erwartbaren, für Berlin ausgesprochen positiven Entwicklung lediglich einen "Tropfen auf den heißen Stein" dar. Der logistische und vor allem auch finanzielle Aufwand sowie die Belastungen für Umwelt und Anwohnerinnen und Anwohner stehen -- abgesehen von der rechtlichen Situation -- in keinem den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber zu verantwortbaren Verhältnis bei der Verausgabung von Steuergeldern.

Zum Vergleich: Zwar gab es im Jahr 2006 steigende Passgierzahlen für den Flughafen Tempelhof (ca. 630.000 Fluggäste in 2006, für alle Berliner Flughäfen ergibt sich eine Summe von ca. 18,5 Mio. Passagieren). Allerdings muss man sehen, dass ein erheblicher Teil des Passgieranstiegs einer Verbindung nach Köln/Bonn geschuldet war. Die betreibende Fluggesellschaft (dba) hat aber im November 2006 diese Verbindung nach Tegel verlegt. Nach aktuellen Angaben der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH hatte der Flughafen Tempelhof 2007 nur 350.181 Passagiere. Das entspricht einem Rückgang von 44,8% im Vergleich zu 2006.

Dass eine Offenhaltung des Flughafens Tempelhof für Privat- und Geschäftsflieger für Berlin Vorteile brächte, ist meiner Meinung nach eine große Augenwischerei der Befürworter des Volksbegehrens. Selbst die ICAT schreibt, dass Tempelhof erst bei 1,5 Mio.Fluggästen pro Jahr schwarze Zahlen schreiben würde.

Sachgerechte Argumente scheinen nach und nach zu wirken. Die Berlinerinnen und Berliner sind zunehmend besser darüber informiert, welche wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch negativen Konsequenzen das Volksbegehren für BBI mit sich bringt. Ich bin der festen Überzeugung, dass letztlich nicht die wenigen eh schon privilegierten Privatflieger von der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner unterstützt werden. Die sachgerechte Entscheidung des Senates für die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Zukunft unserer Region wird sich durchsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Mechthild Rawert