Frage an Mechthild Rawert von Tim K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Rawert,
im taz-Interview vom 04.09.2007 ( http://www.taz.de/index.php?id=deutschland-artikel&art=4159&no_cache=1 ) sagen Sie u.a., dass Sie mit Kommandeuren, Soldaten usw. gesprochen hätten. Mal abgesehen davon, dass Soldaten auch "ohne Anwesenheit der Offiziere", oder die Auswerter der Tornado-Bilder vorher "geimpft" sein können, zu sagen, was sie sagen sollen: mit welchen (deutschen) NGOs konkret haben Sie gesprochen? Mich würde z.B. interessieren, wie diese NGOs die von "medico international" geschilderte Lage einstufen: "Inzwischen sind fast ein Drittel des Landes No-Go-Areas für zivile Entwicklungshelfer. Dort muss man jederzeit mit Überfällen, Beschuss oder Hinterhalten rechnen. Dorthin schickt kaum eine westliche Regierung oder NGO einen Mitarbeiter" ( http://www.medico-international.de/rundschreiben/2007/01/200701ruttig.asp ). Desweiteren frage ich mich, ob z.B. "Bilder von kaputten Straßen" ausschließlich mithilfe (teurer!) militärischer Apparate geliefert werden können - abgesehen davon, dass sicherlich nicht nur solche Bilder gemacht werden. Abschließend die vielleicht naive Frage eines einfachen Bürgers: wenn die angeblich friedenstiftenden militärischen Einätze - was doch schon ein Widerspruch in sich ist - wirklich den Frieden sichern würden, warum steigen dann weltweit die Rüstungsausgaben ( http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,druck-487849,00.html )? Warum exportierte Deutschland 2006 Waffen im Wert von 3,8 Milliarden Dollar, gegenüber 1,5 Milliarden im Jahre 2005 (siehe dazu auch die "Waldkircher Erklärung" der SPD Waldkirch: http://www.spd-waldkirch.de/index.php?nr=5162&menu=1&__waldkirch=4f498eef39055b29bbfb627c0fbd49d0 )
Müssten die Rüstungsausgaben nach allgemeiner Logik nicht sinken, wenn militärische Einsätze Frieden schaffen? In der Hoffnung, meine Fragen vor der Demonstration am 15.09.2007 ("Bundeswehr raus aus Afghanistan!" http://www.afghanistandemo.de/ ) beantwortet zu bekommen, verbleibe ich mfg, Tim Karsten
Sehr geehrter Herr Karsten,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Antworten auf ihre ersten Fragen finden Sie in meiner bündelnden Antwort auf ihr Mail vom 13.09. ebenfalls hier im Abgeordnetenwatch.
Ihre abschließende Frage halte ich nicht für naiv. Es ist richtig, Friedenspolitik ist mehr als Sicherheitspolitik. Frieden wird in einem Land wie beispielsweise Afghanistan nur dann auf Dauer erreicht werden, wenn ein ganzes Maßnahmebündel politischer, wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Entwicklungskooperationen greift. Sozialdemokratische Friedenspolitik setzt präventiv bei den Ursachen an, dieses sind heute z. B. auch der Klimawandel, ein globaler Umweltschutz und eine weltweite Armutsbekämpfung.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es weltweit dringend geboten ist, in eine Phase neuer Entspannungspolitik einzutreten und dabei wieder vertragsgestützte internationale Rüstungskontrolle und Abrüstung zu einem grundlegenden Ordnungsprinzip der internationalen Beziehungen machen. Die Vereinten Nationen können zur Lösung der Probleme den entscheidenden Rahmen bilden. Auch regionale Bündnisse wie die OSZE und der Europarat können einen wichtigen Beitrag zur präventiven Konfliktlösung leisten. Ich versichere Ihnen, dass das Konzept einer vorausschauenden und umfassenden Friedens- und Sicherheitspolitik mit Vehemenz auch von unserem sozialdemokratischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier vertreten wird.
Die SPD-Fraktion will Abrüstung und Rüstungskontrolle auf der internationalen Tagesordnung wieder stärker nach oben rücken. Unser Ziel bleibt eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen. Ich bin auch der Meinung, dass die konventionellen Streitkräfte in Europa auf dem niedrigstmöglichen Stand gehalten werden sollen. Eine Begrenzung und internationale Kontrolle konventioneller Rüstungsgüter insbesondere von Kleinwaffen sowie der Ächtung von Streuminen wird von mir sehr unterstützt.
Auslandseinsätze der Bundeswehr sind in einem umfassenden politischen Entwicklungs- und Stabilisierungsprogramm eingefügt. Dass an einer verbesserten Koordinierung von zivil-militärischer Zusammenarbeit nicht nur national sondern auch international kontinuierlich weitergearbeitet werden soll, ist für mich selbstverständlich.
Militärische Kräfte können Konfliktparteien trennen und allein durch ihre Präsenz präventiv dazu beitragen, dass aus Krisen keine neuen Konflikte werden, die sehr häufig zu vielen Toten und in der Regel auch zu großen Flüchtlingsströmen führen. Im Augenblick sind mehr als 7.000 Angehörige der Bundeswehr in internationalen Friedensmissionen der EU, der NATO und der Vereinten Nationen im Einsatz. Auf dem Balkan beispielsweise leisten sie einen bedeutenden Beitrag zur Friedenssicherung und unterstützen die politischen Bemühungen zur Schaffung von Frieden und dauerhaftem Wiederaufbau in Bosnien- Herzegowina und im Kosovo.
Ich unterstütze die Präsenz der deutschen Bundeswehr in Afghanistan, bin aber auch der Meinung, dass wir eine Überprüfung und Anpassung der militärischen Strategien und Taktiken vorzunehmen haben. Noch ist es in Afghanistan – ein durch 30 Jahre Bürgerkrieg und Krieg wirklich geschundenes Land – leider nicht so, dass zivile Aufbaumaßnahmen alleine dazu führen würden, dass Frieden quasi aus sich selber heraus entsteht. Noch ist es unverzichtbar, Kampfhandlungen zu unterbinden und im Interesse aller Afghaninnen und Afghanen die Sicherheitslage umfassend zu verbessern. Erst auf einer stabilisierten Sicherheitslage können Nicht-Regierungsorganisationen ihre Arbeit dauerhaft erfolgreich durchführen und ohne militärischen Schutz zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der afghanischen Bevölkerung beitragen. Ich habe immer wieder erklärt, dass ich den Strategiewechsel der NATO, den zivilen Aufbau Afghanistans zu verstärken, für ausgesprochen positiv halte. Auch die vom Deutschen Bundestag beschlossene Mittelaufstockung für den zivilen Aufbau und den Stabilitätspakt auf 125 Mio. Euro in 2008 ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Rüstungsexporte unterliegen in der Bundesrepublik scharfen Ausfuhrregelungen – und das ist auch gut so. Ein Großteil der Rüstungsgüter wurde in EU-, NATO- oder der NATO gleichgestellte Staaten exportiert.
Lieber Herr Karsten,
an der Ausführlichkeit meiner Antwort auf Ihre Frage können Sie ablesen, dass mir Abrüstung grundsätzlich wichtig ist. Ausgaben für militärisch zu verwendende Güter sind auch in den Kontext unserer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu stellen.
Seien Sie versichert, dass mir ein umsichtiger Umgang mit unseren Steuergeldern ein großes Anliegen ist – sparen am Wiederaufbau, an der Freiheit und dem Frieden in Afghanistan möchte ich im Interesse der afghanischen und der deutschen Bevölkerung gleichermaßen nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert