Frage an Mechthild Rawert von Julian S. bezüglich Soziale Sicherung
Ich wohne im Schöneberger Norden und bekomme vom BaföG-Amt eine Wohnpauschale von 250€. Damit ist es in Berlin quasi unmöglich ein angemessenes Zimmer zu finden. In großen Teilen deutscher Städte können Normalverdiener gar nicht mehr wohnen, Studierende ohne elterlichen Zuschuss erst recht nicht. Der Tagesspiegel zeigte kürzlich in welchen Vierteln Menschen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete opfern müssen (https://interaktiv.morgenpost.de/mieten-grossstaedte-deutschland/). Allein von 2010 bis 2016 schrumpfte die Zahl der Sozialwohnungen von fast 1,7 Millionen auf nur noch knapp 1,3 Millionen. Und von 2020 an wird den Bundesländern noch mehr Geld fehlen: Dann stoppt der Bund nämlich seine jährlichen Überweisungen für die soziale Wohnraumförderung. Wie wollen Sie dagegen vorgehen? Was halten Sie von der Mietpreisbremse? Und wie sehen Sie eine Reformierung der Grundsteuer, die Spekulation mit brachliegenden Wohngrundstücken verhindert?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage vom 13. August, die ich gern wie folgt beantworten möchte.
Als Abgeordnete aus der Mieter*innenstadt Berlin weiß ich, wie dringend und wichtig funktionierende Maßnahmen und Verbesserungen sind. Rasant steigende Mieten sind leider in allen Großstädten und den Ballungsräumen zu verzeichnen. Wir Sozialdemokrat*innen in der Bundestagsfraktion wollten den Mietanstieg mit der Mietpreisbremse verhindern. Bei Neuvermietung einer Wohnung sollte die zulässige Miete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt höchstens auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10 Prozent angehoben werden dürfen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat auf ihrer Jahresklausur 2017 klare Positionen für bezahlbaren Wohnraum für Mieter*innen beschlossen. Sie finden Informationen dazu unter www.mechthild-rawert.de/inhalt/2017-02-13/spd_will_bezahlbares_wohnen_m_glich_machen .
Diese Forderungen waren auch Gegenstand des letzten Koalitionsgipfels – wurden von der Union aber abgelehnt. Der Verhandler der Union, Jan-Marco Luczak - der hier im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg kandidiert - , rühmt sich jetzt damit, dass er die Mietpreisbremse entschärft hat. Und leider hat er damit recht. Denn um überhaupt ein Gesetz auf den Weg bringen zu können und den Mietanstieg zumindest ansatzweise zu lindern, mussten wir Sozialdemokrat*innen die ausgelegten Kröten schlucken. So gilt die Mietpreisbremse jetzt nicht bei Vermietung eines Neubaus - hier kann jeder Phantasiepreis erheben - und auch nicht nach umfassenden Modernisierungen. Die Tränen, die Herr Luczak vergießt beim Feststellen, dass die Mietpreisbremse nicht wirkt, sind Krokodilstränen. Ich möchte, dass wir in der kommenden Legislatur die Mietpreisbremse zu einem wirksamen Instrument der Mietenregulierung machen. Doch das allein wird hinsichtlich eines bezahlbaren Wohnraumes für alle noch nicht reichen. Wir Sozialdemokrat*innen wollen zudem einen besseren und transparenten Mietspiegel, wollen die Mieterhöhungen nach Modernisierungen begrenzen und die Modernisierungskosten nicht mehr einseitig den Mieter*innen aufbürden. Die Umgehungsmöglichkeiten der Eigenbedarfskündigung werden wir durch Konkretisierungen im Gesetz begrenzen. Außerdem wollen wir die Höhe des Wohngeldes regelmäßig anpassen und neben dem Ausbau des sozialen Wohnungsbaus auch gezielt in Studierenden- und Ausbildungswohnheime investieren, denn die Berufs- und Ausbildungschancen sollen nicht vom Wohnort und dem Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Für viele ist das BAFöG neben der Gebührenfreiheit das wichtigste Instrument für mehr Chancengleichheit in der Bildung. Dessen Leistungen werden wir dem Bedarf entsprechend erhöhen und die Förderung stärker auf neue Lebenssituationen ausrichten. Der Wegfall der Bundeszuschüsse zur Sozialen Wohnraumförderung ist mit der Föderalismusreform 2006 vereinbart worden. Seit dem tragen die Länder die ausschließliche Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung. Als Ausgleich für den Wegfall der Bundesfinanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung erhalten die Länder bis einschließlich 2019 jährlich 518,2 Millionen Euro vom Bund. Das Land Berlin hat bereits vor einigen Jahren - genau aus diesem Grund - das Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten mit sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften begründet und ein neues Wohnraumversorgungsgesetz beschlossen, dass seit dem 01.01.2016 in Kraft ist.
Das Bündnis hat sich verpflichtet:
• Bei Vermietung freiwerdender Wohnungen:
55 % der freiwerdenden Wohnungen im Bestand der landeseigenen Wohnungsunternehmen an Haushalte mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein wieder zu mieten.
- 20 % davon an besondere Bedarfsgruppe wie Obdachlose, Flüchtlinge, betreutes Wohnen und vergleichbare Bedarfsgruppen zu vergeben.
- 80 % werden an Haushalte mit einem Einkommen von 80 bis 100 Prozent der Einkommensgrenze nach § 9 Absatz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 13. September 2001 vermietet. Die Förderung darf nur Haushalte begünstigen, deren Einkommen die Grenzen für das jährliche Einkommen nicht überschreiten. Die Einkommensgrenze beträgt für einen Ein-Personen-Haushalt 12.000 €, für einen Zwei-Personen-Haushalt 18.000 € und zuzüglich für jede weitere zum Haushalt rechnende Person 4.100 €. Sind zum Haushalt rechnende Personen Kinder, erhöht sich die Einkommensgrenze für jedes Kind um weitere 500 €.
• Die landeseigenen Wohnungsunternehmen werden bei Mieterhöhungen folgende mietpreisbeschränkenden Regeln einhalten:
- Die Miete soll sich innerhalb von vier Jahren um nicht mehr als insgesamt 15 Prozent erhöhen.
- Die nach Mieterhöhung zu entrichtende Miete soll auf Antrag des Mieterhaushaltes nicht über den Betrag erhöht werden, welcher 30% beziehungsweise 27% (bei einem Gebäude mit einem Endenergieverbrauchswert von größer als 170 kWh/m²) des vollständigen, nachzuweisenden Haushaltsnettoeinkommens entspricht, sofern die zulässige Wohnungsgröße nicht überschritten wird.
• Bei der Durchführung von Mieterhöhungen nach Modernisierung gelten die folgenden Grundsätze:
- Die Nettokaltmiete darf höchstens um neun Prozent der aufgewendeten Modernisierungskosten erhöht werden,
- die Nettokaltmiete ist auf einen Betrag begrenzt, der die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich der durch die Modernisierung bewirkten Betriebskosteneinsparungen nicht übersteigt und
- bei einer starken Mieterhöhung greift die allgemeine Härtefallregelung, sodass der Haushalt höchstens 30% Nettokaltmietbelastung zu zahlen hat.
Ihre Frage nach der Reformierung der Grundsteuer kann ich nicht nachvollziehen. 2016 ist es der Finanzministerkonferenz der Ländern nach jahrzehntelangen Diskussionen gelungen eine Reform der Grundsteuer zu beschließen ( www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/weg-frei-gerechte-grundsteuer-meilenstein-alle-kommunen ). Das war ein erster Erfolg – die Diskussionen sind aber noch nicht beendet. Deshalb haben wir in unserem SPD-Regierungsprogramm ( www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Regierungsprogramm/SPD_Regierungsprogramm_BTW_2017_A5_RZ_WEB.pdf , S. 55) festgehalten, dass wir die Grundsteuer verfassungsfest reformieren. Damit stärken wir auch die Kommunen, für die diese Finanzquelle auch künftig unverzichtbar ist. Wir Sozialdemokrat*innen verfolgen das Ziel der gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen, in Stadt und Land, in Ost und West, in Nord und Süd.
Meinen Sie, dass eine Erhöhung der Grundsteuern dem Spekulantentum ein Ende setzen würde? Ich kann mir nicht vorstellen, dass erhöhte Grundsteuern einen Spekulanten von seinen Vorhaben abbringen kann. Zudem kann die Grundsteuer über die Betriebskosten an die Mieter*innen weitergegeben werden.
Hilfreicher sind meines Erachtens die Milieuschutzverordnungen und Erhaltungssatzungen. Die sozialen Erhaltungsverordnungen haben gemäß § 172 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 Baugesetzbuch zum Ziel, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem Gebiet aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhalten und einer sozialen Verdrängung entgegenzuwirken bzw. vorzubeugen. Dabei sind soziale Erhaltungsverordnungen kein Instrument des aktiven Mieterschutzes, sondern stellen ein städtebauliches Instrument dar, um die gewachsenen Strukturen der angestammten Bevölkerung zu schützen. Im Milieuschutzgebieten ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig und nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das gilt auch für Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen. Sofern durch solche Maßnahmen der Schutzzweck der Milieuschutzverordnungen betroffen ist, werden die Maßnahmen versagt.
Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen umfänglich beantwortet und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert