Frage an Mechthild Rawert von Karlheinz B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
In unserem Grundgesetz im Artikel 140 steht zwar :Es besteht keine Staatskirche.: Das bedeutet aber anscheinend nicht, das es eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche gibt.
Wird es nicht Zeit das, in anbetracht der sinkenden Mitgliederzahlen, diese Trennung allmählich vollzogen wird?
Da bis heute die beiden grossen Religionsgemeinschaften gegenüber kleineren Religionsgemeinschaften und sekularen Weltanschauungsgesellschaften bevorzugt werden, was wiederum dem GG wiederspricht, siehe
Art. 3: „Niemand darf wegen […] seiner […] religiösen […] Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“, Art. 33 „Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“ sowie Art. 140 i.V.M. Art. 137 WRV „Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.“
wäre es da nicht an der Zeit, endlich die strickte Trennung von Staat und Kirche zu vollziehen.
Wie stehen Sie und ihre Partei zu diesen Thema?
Sehr geehrter Herr B.,
gern beantworte ich Ihre Frage.
Das Verbot der Staatskirche, dass mit dem Ende der Monarchie in Deutschland einhergeht und in der Weimarer Verfassung manifestiert wurde, war die Abkehr vom Prinzip Cuius regio, eius religio - wessen Gebiet, dessen Religion. Es garantiert den Kirchen die staatliche Unabhängigkeit. Aber die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb kein laizistischer Staat. So existieren unzählige Kirchenstaatsverträge in den einzelnen Bundesländern, die die Aufgabe haben, einen Ausgleich staatlicher und religiöser Interessen zu gewährleisten.
In Artikel 3, Abs 3 GG, den Sie anführen, sind die Benachteiligungsverbote festgeschrieben. Artikel 3 ist eine unmittelbare Konsequenz der nationalsozialistischen Verfolgungs¬ und Selektionspolitik. Er beschreibt nicht das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, sondern ist ein Grundrecht jedes einzelnen Menschen. Niemand darf wegen seines Glaubens oder religiösen Anschauung benachteiligt werden. Artikel 33, Abs. 3 GG wiederholt das schon in den Grundrechten niedergelegte Benachteiligungsverbot. Im Maunz/Dürig - Kommentar zum Grundgesetz nennt der Verfasser Maunz (Maunz/Dürig/Maunz, 53. EL Oktober 2008, GG 33 Rn. 24-31, beck-online) dies eine "gesetzgebungstechnische Unebenheit", aus "der insbesondere keine Verstärkung der Wirkung einer Vorschrift abgeleitet werden kann."
In der SPD gibt es sowohl den Arbeitskreis Christen in der SPD als auch die Gruppe Laizistische Sozis. Muslime haben sich im Arbeitskreis muslimischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zusammengefunden. Die Meinung zu dem Thema ist breit gefächert und wird wohl auch noch über Jahre hinweg geführt werden.
Für mich gehören die Religionsgemeinschaften mit ihren vielen ehrenamtlich Tätigen, die in den Gemeinden vielfältige Angebote im sozialen Bereich, denken wir beispielsweise an die Jugendarbeit mit unzähligen Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche, unbedingt zum vielfältigen Kanon der Gesellschaft, die ich nicht missen möchte.
Ich hoffe, Ihre Frage wurde umfassend beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert