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Frage von Regina S. •

Frage an Mechthild Rawert von Regina S. bezüglich Jugend

Warum gilt sexuelle Selbstbestimmung nicht auch für Männer? Seit 2012 sind Jungen vor Beschneidung nicht mehr geschützt, in den ersten 6 Monaten darf ihnen sogar ohne Narkose die Vorhaut entfernt werden. Das Schmerz zu großen Traumata führen kann, ist bewiesen und in den USA und in Afrika sterben jedes Jahr Kinder und Jugendlich an diesem Ritual. Warum werden Jungen anders behandelt als Mädchen? Warum dürfen Jungen nicht über ihrer Sexualität selber bestimmen, obwohl es Männer gibt die unter ihrer MGM leiden. Nachlesen kann das man mittlerweile in zwei Büchern:

Ent-hüllt! Die Beschneidung von Jungen - Nur ein kleiner Schnitt?: Betroffene packen aus über - Schmerzen - Verlust - Scham Taschenbuch – 22. Mai 2015
von Clemens Bergner (Autor)

Unaussprechliche Verstümmelungen: Beschnittene Männer sprechen darüber Taschenbuch – 14. September 2015
von Lindsay R. Watson (Autor), Ulf Dunkel (Übersetzer)

MfG

R. Schiebel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schiebel,

herzlichen Dank für Ihre Frage, die ich gern wie folgt beantworten möchte: Im Dezember 2012 mussten sich alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf der Einführung eines § 1631d - Beschneidung des männlichen Kindes - in das Bürgerliche Gesetzbuch verhalten. Für mich war diese namentliche Abstimmung eine der schwierigsten Entscheidungen, die ich als Abgeordnete zu treffen hatte. Hier trafen und treffen zwei Grundrechte, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Religionsfreiheit, zusammen. Eine Abwägung zu treffen, war sehr schwer. Vorausgegangen war ein Urteil des Landgerichts Köln, das die Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet und zu einer breiten öffentlichen Diskussion zur Zulässigkeit von Beschneidungen geführt hatte. Diese Debatte war zeitweise äußerst stark von antisemitischen und antimuslimischen Rassismus geprägt. Eine sachliche Auseinandersetzung, wie ich sie gern geführt hätte, war vielfach unmöglich.

Als Gesundheitspolitikerin war für mich bei der Debatte natürlich auch die gesundheitliche Perspektive wichtig. Doch auch hier fanden sich keine einheitlichen Aussagen. Während die einen von traumatisierender Wirkung der männlichen Beschneidung durch die entstehenden Schmerzen sprachen, stellten andere wie zum Beispiel die Weltgesundheitsorganisation die Verringerung von Übertragungswahrscheinlichkeit verschiedener Geschlechtskrankheiten in den Vordergrund. Fakt war jedoch, dass wir in Deutschland zu diesem Zeitpunkt keinerlei gesetzliche Regelungen für die männliche Beschneidung ohne medizinische Indikation hatten. Ärzte, die bislang auch nicht medizinisch indizierte Zirkumzisionen durchgeführt hatten, waren ebenso verunsichert wie Religionsgemeinschaften bei denen eine Zirkumzision seit eh und je zur Religionsausübung gehörte. Letztendlich habe ich schweren Herzens dem Entwurf zum Gesetz der Einführung des § 1613d BGB zugestimmt. Entscheidend war für mich, dass gesetzlich geregelt wurde, dass das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Entscheidung für oder wider einer Zirkumszision gerückt und auch festgeschrieben wurde, dass eine Beschneidung nur dann zulässig ist, wenn die Beschneidung des Jungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird.

Die von Ihnen benannten Todesfälle können auch nur dann vermeiden werden, wenn Bescheidungen nicht in die Illegalität verdrängt werden. Hygienische Voraussetzungen gehören zur fachgerechten Durchführung. Auch die Kindeswohlregelung des § 1613d BGB wirkt. So gab es bereits Gerichtsentscheidungen, die eine Beschneidung von Jungen untersagten, da sie dem Kindeswohl widersprachen.

Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert