Frage an Mechthild Rawert von Ulli D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Rawert,
ich habe Fragen zum Thema CETA /TTIP.
Die geheimen Verhandlungen zum „Freihandelsabkommen“ sind weder transparent noch demokratisch. Demokratische Rechte und Pflichten werden mit den Füßen getreten, auch die der Abgeordneten.
Wie stehen Sie dazu, dass die Verhandlungen dazu geheim stattfinden, Sie als Entscheidungsträgerin, die für die Interessen der Bürger/innen handeln sollen, ausgeschlossen werden? Welchen Einfluss wollen Sie geltend machen, damit Vertrauen in die Politik nicht weiter schwindet?
Freihandel ist gut, wenn er allen Menschen nützt, doch ich fürchte, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergeht. Er sollte nicht nur Konzerne mächtiger machen. In Mexiko, Afrika etc. haben Freihandelsabkommen meines Wissens zu größerer Armut, Machtkonzentration, größerer Ungerechtigkeit sowie Gewalt geführt. Für viele Menschen scheint Flucht der einzige Ausweg zu sein.
Schiedsgerichte entsprechen nicht den Maßstäben funktionierender, rechtsstaatlicher Demokratien. Auch hat man als Bürgerin den Eindruck, Politiker lassen sich stärker von Lobbyisten leiten als vom Wähler-Auftrag.
Wie stehen Sie dazu? Welche Interessen vertreten Sie?
Der Mittelstand, Kernstück einer gesunden Volkswirtschaft, wird doch den Kürzeren ziehen. TTIP/CETA hätten immense Auswirkungen auf kleinere Betriebe, den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Erkämpfte Rechte für ArbeitnehmerInnen gelten nicht mehr für alle (Post, Amazon, …). Welche Auswirkungen wird TTIP/CETA auf deren Rechte haben? Werden sie noch stärker beschnitten, Gewerkschaften noch stärker ausgebremst, als es derzeit schon der Fall ist.
Werden Umweltschutz und Lebensmittelstandards noch stärker verwässert?
Ich bitte Sie, sich für transparente und faire Abkommen einzusetzen, die allen BürgerInnen nützen und uns nicht vor vollendete, nicht wiedergutzumachende Tatsachen setzt.
Wie stehen Sie dazu? Was werden Sie tun? Verlangen Sie Einsicht in die Verträge, Mitbestimmung für die Verhandlungen.
Sehr geehrter Herr Domahs,
vielen Dank für Ihre Frage. Viele Menschen diskutieren gegenwärtig mit uns über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz: CETA) und die Verhandlungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Ich kann Ihnen versichern, dass ich Sie in Ihren Bestrebungen unterstütze, dass die Abkommen TTIP und CETA in der geplanten Form nicht zustande kommen.
Zum Verfahrensstand und Zeitablauf: Das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) ist ausverhandelt, aber noch nicht unterschrieben. Es können also noch Änderungen vorgenommen werden. Derzeit ist der Text im Verfahren der Prüfung der Rechtsförmlichkeit, bevor ein entsprechender Rechtstext dem Rat der Europäischen Union zur Billigung vorgelegt werden kann. Das Abkommen geht dann in das Ratifizierungsverfahren des Europäischen Parlaments und der einzelnen Mitgliedsstaaten. Aufgrund der Ratifizierung in den nationalen Parlamenten kann nicht mit einem Inkrafttreten vor 2018 gerechnet werden.
Bei TTIP könnte das Europäische Parlament frühestens Ende 2016 oder Anfang 2017 mit der Ratifizierung beginnen. Ich rechne jedoch mit deutlich längeren Verhandlungen. Wir werden also einen langen Atem benötigen.
Die vielfach geäußerte Sorge, TTIP und CETA könnten von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt oder ohne ausreichende demokratische Legitimation abgeschlossen und in Kraft gesetzt werden, kann ich eindeutig widerlegen. Die Abkommen stehen unter dem Zustimmungsvorbehalt des Europäischen Parlaments, des Rates und auch unter dem Zustimmungsvorbehalt der 28 nationalen Ratifizierungsprozesse. Da es sich um sogenannte gemischte Abkommen handelt, muss dazu in Deutschland auch der Deutsche Bundestag seine Zustimmung geben. Die Bundesregierung hat dies zu CETA bereits 2014 klargestellt - analog gilt dies auch für TTIP: "Sofern nur ein Mitgliedstaat das Abkommen nicht ratifiziert, tritt CETA nicht in Kraft. Das gilt auch im Falle einer Ablehnung von CETA durch den Bundestag."
Ich werde mir im Vorfeld der Ratifizierung ganz genau anschauen, ob die folgenden inhaltlichen Anforderungen an die Abkommen erfüllt sind. Nur wenn dies der Fall ist, werde ich zustimmen.
Innerhalb der SPD gibt es zudem die klare Verabredung vor einer Entscheidung den Parteitag oder den Parteikonvent zu befassen. Im Europäischen Parlament hat die Fraktion der europäischen SozialdemokratInnen (S&D-Fraktion) zudem klargestellt, dass eine Zustimmung nur dann möglich ist, wenn die verhandelten Abkommen die inhaltlichen Ansprüche im konkreten Wortlaut zweifelsfrei sicherstellen. Dass das EP seine Funktion sehr ernst nimmt, hat unter anderem die Ablehnung des ACTA-Abkommens (Schutz des geistigen Eigentums im digitalen Bereich) im Jahr 2012 bewiesen.
Die SPD hat bereits auf Ihrem Parteikonvent am 20. September 2014 umfangreiche und detaillierte Anforderungen an die Freihandelsabkommen beschlossen. Diese sind in enger Abstimmung insbesondere mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund ausgearbeitet worden. Für diverse Bereiche ist von vorneherein klargestellt, dass sie für die EU nicht verhandelbar sind. Die SPD wird auf der Grundlage dieses Beschlusses und der aktuellen Bewertung von Vertragstexten und Verhandlungsergebnissen entscheiden, ob sie den Abkommen zustimmen kann oder eben nicht. Den Beschluss des Parteikonvents der SPD vom 20.9.2014 können Sie hier nachlesen:
http://www.spd.de/linkableblob/123760/data/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip.pdf.
Rote Linien für die Verhandlungen
Wir SozialdemokratInnen haben damit rote Linien dafür definiert, was in den Abkommen geht bzw. nicht geht. Gerne möchte ich Ihnen diese inhaltlichen Ansprüche im Folgenden näher erläutern:
Transparenz
Die mangelnde Transparenz hat den Verhandlungen von ihrem Beginn an sehr geschadet. So wurde verständlicherweise Misstrauen gegenüber den Gesprächen und Unklarheit über die verhandelten Themenbereiche geschürt.
Durch den Druck des Europäischen Parlaments und dabei insbesondere auf das Drängen der S&D-Fraktion hat sich die Informationspolitik der EU-Kommission hinsichtlich der TTIP-Verhandlungen grundlegend verändert: Heute sind dem Europäischen Parlament alle EU-Verhandlungsdokumente zugänglich.
Die Europäische Kommission informiert inzwischen auf ihrer Internetseite ( Link: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm ) öffentlich über ihre Positionen. Wir europäische SozialdemokratInnen haben zudem durchgesetzt, dass ein regelmäßiger Dialog zwischen der EU-Kommission und VertreterInnen der Zivilgesellschaft vor und nach den Verhandlungsrunden geführt und durch eine permanente Beratungsgruppe mit 15 ExpertInnen aus Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden begleitet wird. Diese verfügt über Zugang zu den Verhandlungsdokumenten. Zudem hat es auf Seiten der Mitgliedsstaaten ein Umdenken gegeben. So hat der EU-Ministerrat Anfang Oktober 2014 die Veröffentlichung des TTIP-Verhandlungsmandats beschlossen. Zusätzlich dazu hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen zivilgesellschaftlichen TTIP-Beirat in Deutschland ( http://www.bmwi.de/DE/Ministerium/beiraete,did=639536.html ) eingerichtet, um Transparenz und Teilhabe zu erhöhen. Die SPD unterstützt die gesellschaftliche Debatte zudem, so etwa auf einer Konferenz im Willy-Brandt-Haus am 23. Februar 2015 gemeinsam mit der SPD-Bundestagsfraktion und 700 kontrovers diskutierenden TeilnehmerInnen.
Gleichwohl sind in Sachen Transparenz noch weitere Verbesserungen nötig. Ich unterstütze die Forderung, alle politisch relevanten Verhandlungsgrundlagen öffentlich zugänglich zu machen.
Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) ist nicht erforderlich
Investorenschutz und private Schiedsgerichte sind das am kontroversesten diskutierte Thema im Rahmen von Freihandelsabkommen. Meine Auffassung ist, dass private Schiedsgerichte demokratisch und rechtsstaatlich nicht akzeptabel sind. Das ergibt sich schon aus dem grundgesetzlich verankerten Rechtsprechungsmonopol.
Schiedsgerichte dürfen internationales, europäisches und nationales Recht nicht einfach nach eigenem Gutdünken auslegen und interpretieren - dies ist legitime Aufgabe öffentlicher Gerichte. Diese berücksichtigen in ihren Entscheidungen die Grund- und Menschenrechte, während Schiedsgerichte einseitig den Investitionsschutz betrachten. ISDS würde es Investoren ermöglichen, die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten jenseits vom normalen juristischen Verfahren vor internationalen Schiedsstellen direkt auf Entschädigung für entgangene Gewinne oder Enteignungen zu verklagen. Das ist nicht hinnehmbar. Der Parteikonvent der SPD hat deshalb sehr zu Recht beschlossen, dass wir SozialdemokratInnen solche privaten Schiedsgerichte ablehnen.
Sowohl die SPD als auch die Bundesregierung haben bereits erklärt, dass sie Schiedsgerichte für unnötig halten, weil sowohl die USA als auch Kanada und Europa entwickelte und verlässliche Rechtssysteme haben.
Andere Mitgliedstaaten der EU und insbesondere Unternehmen halten unserer Position entgegen, dass sie vor dem komplizierten und teuren Rechtsweg in den USA geschützt werden müssten. Wir SozialdemokratInnen machen uns diese Argumentation nicht zu eigen. Im Gegenteil hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel inzwischen erreicht, dass sich die sozialdemokratischen Regierungschefs und Parteivorsitzenden in der EU am 21. Februar 2015 mit einem gemeinsamen Papier klar positioniert haben. Darin heißt es:
"Zuallererst müssen Staaten in der Lage sein, ihre regulatorische Tätigkeit weiterhin uneingeschränkt ausüben zu können. [...] Ein Investor kann nicht erwarten, dass Gesetze nicht geändert werden und dass Änderungen von Gewinnmargen - auch erhebliche aufgrund von Regierungsmaßnahmen - als solche eine Verletzung von Schutzstandards darstellen können. Nichts sollte Parlamente von der Umsetzung legitimer öffentlicher Politik abhalten. Wir drängen darauf, dass Vertragsstaaten weiterhin das umfassende Recht haben, die Schutzstandards eines Abkommens auszulegen, auch nachdem dieses in Kraft getreten ist. In Anbetracht des bestehenden hohen Investitionsschutzniveaus gemäß den Rechtssystemen der EU und ihrer Mitgliedstaaten soll zudem ausländischen Investoren innerhalb der EU grundsätzlich keine bessere materiell-rechtliche Behandlung als inländischen Investoren gewährt werden dürfen."
Auch das Europäische Parlament hat bereits mehrfach klargestellt, dass es den Rechtsweg vor normalen Gerichten und Staat-zu-Staat-Streitbeilegungsverfahren bevorzugt. Ergänzend haben sich die Parlamente in Frankreich und Österreich bereits dafür ausgesprochen, das CETA-Abkommen ohne ISDS vorzusehen. Und schließlich zweifeln auch die Verhandlungspartner an ISDS. Don Davies, Mitglied des kanadischen Parlaments für die sozialdemokratische "New Democratic Party" (NDP) etwa schreibt, seine Partei sei "wie viele Menschen in Europa nicht davon überzeugt, dass diese ungewöhnlichen Verfahrensweisen notwendig sind, zumal sowohl die EU als auch Kanada ein gut etabliertes Rechtssystem haben, das Investoren hinreichend schützt."
Arbeitsschutz-, VerbraucherInnen-, Umwelt- und Sozialstandards nicht abgesenken
Völlig klar ist, dass wir SozialdemokratInnen eine Absenkung unserer ArbeitnehmerInnenrechte und Sozialstandards nicht akzeptieren und daher ausschließen werden. Im Einklang mit dem Besitzstand der EU und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten werden unsere europäischen Standards gewahrt. Die SPD hat zudem beschlossen, dass jeweils beide Vertragspartner internationale Normen und Konventionen wie die Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen umsetzen sollen.
Außerdem ist klargestellt, dass die in Europa und Deutschland bestehenden VerbraucherInnen- und Umweltstandards nicht durch die Freihandelsabkommen verändert werden. Weder dürfen gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel aus den USA nach Europa gebracht noch hormonbehandelte Tiere oder bestimmte Biotechprodukte in die EU eingeführt werden. Im Lebensmittelbereich und beim VerbraucherInnenschutz gilt in der EU ausdrücklich das Vorsorgeprinzip.
Ich weiß, dass z.B. in Wohlfahrtsverbänden die Sorge besteht, dass durch TTIP und CETA die Belange der Freien Wohlfahrtspflege negativ berührt werden könnten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat deshalb eine gemeinsame Verabredung mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) getroffen, die klarstellt, dass wir keinerlei Veränderungen an der guten Arbeit der Wohlfahrtsverbände zulassen. Das Gleiche gilt auch für die öffentliche Daseinsvorsorge und die Kulturförderung in Europa.
Kurzum: Europäische Standards sind unantastbar. Eine gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren kann es nur dann geben, wenn damit keine Absenkung des Schutzniveaus verbunden ist. Auch für alle zukünftigen Veränderungen von Standards muss unmissverständlich sichergestellt sein, dass die parlamentarische Hoheit über die Definition von Standards und Zulassungsverfahren gilt.
Daseinsvorsorge ist nicht verhandelbar
Die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wie Energie-, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung, Öffentlicher Nahverkehr, Bildung und Kultur sind ausdrücklich nicht verhandelbar. Um die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU zu wahren, sollen für den Bereich der Daseinsvorsorge keine Verpflichtungen durch die Abkommen entstehen.
Auch die bisherigen EU-Vereinbarungen zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen dürfen nicht durch das Abkommen beeinträchtigt werden. Es muss den Staaten weiter möglich sein, in ihrer Beschaffungspolitik mittels Direktvergaben die regionale Wirtschaftsentwicklung zu stimulieren. Dazu gehören auch die Möglichkeiten, Konjunkturprogramme aufzulegen und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand ausführen zu lassen. Es geht uns dabei darum, soziale und ökologische Kriterien abzusichern. Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen wollen, müssen auch zukünftig auf Einhaltung der jeweiligen Vergabekriterien, wie etwa Tariftreue, verpflichtet werden.
Positivliste statt Negativliste: "Sag mir, was du liberalisiert"
Ein großes Problem des ausgehandelten CETA-Textes und des Mandats für die TTIP-Verhandlungen ist die Herangehensweise der sogenannten "Negativliste". Dieses Modell sieht vor, dass grundsätzlich eine vollständige Liberalisierung aller Bereiche erfolgt, es sei denn, etwas wird ausdrücklich ausgenommen. Diesen Ansatz halten wir für falsch und fordern deshalb das Gegenmodell der sogenannten „Positivliste“. Die VerhandlungspartnerInnen müssen damit explizit benennen, wo beide Seiten mit Marktöffnung und Liberalisierung einverstanden sind. Andere, nicht explizit genannte Bereiche, bleiben unangetastet.
Kulturelle Vielfalt bleibt abgesichert
Die Belange der kulturellen Vielfalt sowie kultureller und audiovisueller Dienste sind von den Verhandlungen ausgenommen. Damit sichern wir die kulturelle Vielfalt ab und erhalten die Möglichkeiten, Kultur und Medien auch weiterhin uneingeschränkt fördern zu können. Nicht nur im Verhandlungsmandat ist dies durch eindeutige Formulierungen sichergestellt - auch der Bundesrat hat sich sehr für diese Ausnahme eingesetzt (siehe z.B. Drucksache 463/13 vom 7. Juni 2013).
Finanzmarktregulierung
Die SPD vertritt die Auffassung, dass eine striktere Regulierung der Finanzmärkte - nicht zuletzt als Konsequenz aus der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise - nötig ist. Die Verhandlungen über Freihandelsabkommen sollen dabei helfen, international zu einer besseren Regulierung zu kommen. Gerade von den USA, die ihre Finanzmärkte weit restriktiver steuern, kann die EU hier etwas lernen. Deshalb sollen die Verhandlungen über Marktzugang für Finanzdienstleistungen ausdrücklich mit einer Harmonisierung und Stärkung der Finanzmarktregulierung verknüpft werden.
Sozialversicherungen
Von verschiedenen Seiten, z.B. von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, wurden zu Beginn der Verhandlungen Zweifel laut, ob die deutschen Sozialversicherungssysteme von den Freihandelsabkommen betroffen sein werden. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dazu eindeutig klargestellt, dass die Sozialversicherungen explizit von der Marktöffnung ausgenommen werden, so wie es auch im vorliegenden Textentwurf des CETA-Abkommens im Kapitel zu Finanzdienstleistungen niedergelegt ist.
Künftige Regulierung und Kündigungsoption
Wir lehnen entschieden die Einrichtung eines Regulierungsausschusses ab, durch den nach Verhandlungsabschluss in einem nachgelagerten Verfahren künftige Regulierungsfragen verhandelt werden. Dies würde eine Umgehung des demokratischen Gesetzgebungsprozesses bedeuten und wäre zudem höchst intransparent. Die Formulierung zukünftiger Gesetzgebungen liegt in der Verantwortung der Abgeordneten des Europäischen Parlaments beziehungsweise der ParlamentarierInnen der jeweiligen nationalen Gesetzgebung. Eine Verschiebung von regulatorischen Entscheidungen in ExpertInnengremien werden wir nicht mittragen und fordern deshalb den Verzicht auf einen "Regulatorischen Rat" und einen so genannten „Regulatorischen Mechanismus“ vor Verabschiedung von Gesetzen in der EU und den USA.
Genau wie in anderen bestehenden Freihandelsabkommen muss selbstverständlich die Option bestehen, das Abkommen zu kündigen.
TTIP-Resolution des Europäischen Parlaments vom 08.07.2015
Diese klaren Ansagen, was bei den Freihandelsabkommen geht und was nicht, sind bereits in die Resolution des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2015 umgesetzt worden (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2015-0252+0+DOC+PDF+V0//DE). Das ist insofern von großer Bedeutung, als das Europäische Parlament über die Abkommen abstimmen muss. Werden die Bedingungen nicht erfüllt, wird es den Texten nicht zustimmen - dann gibt es kein CETA und kein TTIP. Das EU-Parlament hat neben den oben ausgeführten "roten Linien" auch weitere Aspekte in seine Resolution aufgenommen, darunter den Schutz persönlicher Daten, die Nachhaltigkeit im Energiebereich, die Förderung umweltfreundlicher Waren und Dienstleistungen und zahlreiche weitere Themen.
Chancen von TTIP und CETA
Ausgehend von diesen Klarstellungen bieten TTIP und CETA die Chance, den Handel gerechter und fairer zu gestalten. Mit TTIP können etwa die ArbeitnehmerInnen-Rechte in den USA verbessert werden. Dies ist z.B. der Grund dafür, dass die US-amerikanischen Gewerkschaften sich nicht gegen ein Abkommen gewendet haben. TTIP könnte ebenfalls ermöglichen, die Abwärtsspirale bei Lohn- und Arbeitsstandards unter Rechtfertigung der angeblichen Wettbewerbssituation zu durchbrechen.
Wir müssen anerkennen, dass sich die Wertschöpfungsketten inzwischen global entfalten und es gerade deshalb richtig ist, Regulierung im Sinne eines fairen Handels auch international zu besprechen. Schon jetzt werden Waren und Dienstleistungen zwischen USA und EU im Wert von rund 2 Mrd. Euro täglich ausgetauscht. Dies ist die Grundlage für etwa 15 Mio. Arbeitsplätze.
Ich sage deshalb: Handel ja, aber nicht um jeden Preis! Und: Sicherheit vor Schnelligkeit! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden einem Abkommen nur dann unsere Zustimmung erteilen, wenn es Fortschritte beim Schutz von ArbeitnehmerInnenrechten, beim VerbraucherInnenschutz und für nachhaltiges Wirtschaften im globalen Maßstab bringt. Wenn die Anforderungen demokratischer und sozialer Gesellschaften erfüllt sind, können die Abkommen das Primat der Politik gegenüber den Kräften des Marktes stärken.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert