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Mechthild Rawert
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Frage von Wolfgang von E. •

Frage an Mechthild Rawert von Wolfgang von E. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Rawert,
Ihre Partei ist in den Bundestagswahlkampf 2013 unter anderem mit der Aussage gezogen, die vollständige Gleichstellung von Homosexuellen sei für die SPD nicht verhandelbar.
Sie selbst waren erfreulicherweise am "Flaggenhissen" vor dem lesbisch-schwulen Straßenfest am Rathaus Schöneberg anwesend.
Können Sie mir erklären, warum Sie am 22.5.2014 bei der namentlichen Abstimmung über die Sukzessivadoption von Kindern gleichgeschlechtlicher Lebenspartner sich der Stimme enthalten haben, anstatt - wie es Wahlkampfforderung Ihrer Partei war und Selbstverpflichtung im Koalitionsvertrag ist - dafür zu stimmen?
Mit freundlichen Grüßen
W. von Engelberg

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr von Engelberg,

ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Frage. Sie sprechen damit ein wichtiges Thema sozialdemokratischer Politik an und gleichzeitig eine Situation, in der mir eine Entscheidung sehr schwer fiel.

Sie haben völlig recht: die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und Regenbogenfamilien muss weiter vorangetrieben werden. Dafür stehe ich. Dazu gehört für mich selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Damit wird auch die soziale und rechtliche Situation von Kindern in Regenbogenfamilien gestärkt. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl von geeigneten Adoptiveltern ist für mich das Kindeswohl und nicht das Geschlecht der Eltern.

Für ein Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Diese Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge finden Kinder in unterschiedlichen Familienkonstellationen. Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge sind Werte unserer demokratischen Gesellschaft.

Am 22. Mai 2014 hat der Bundestag mehrere Gesetzentwürfe zur Sukzessivadoption durch LebenspartnerInnen beraten und abgestimmt, u.a. den Änderungsantrag der Grünen zum "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner" (Drs 18/1494). Ich habe mich bei diesem enthalten und eine persönliche Erklärung http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2014-05-23/der_bundestag_entscheidet_ber_die_sukzessivadoption_durch_lebens
dazu abgegeben. Ich habe mich enthalten, da sich im Koalitionsvertrag die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt haben. Ich bedaure außerordentlich, dass es in der aktuellen Regierungskoalition derzeit keine parlamentarische Mehrheit zur Durchsetzung eines einheitlichen Adoptionsrecht für hetero- und homosexuelle Paare gibt.

Aber wir SozialdemokratInnen arbeiten politisch weiter: Die Landesgruppe Berlin der SPD-Bundestagsfraktion hat am 12. Juni 2015 eine Forderung ( http://mechthild-rawert.de/sites/default/files/150612%20PM%20Ehe%20f%C3%BCr%20alle%20SPD%20Landesgruppe%20Berlin.pdf ) an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ihre Mitglieder der Bundesregierung geschickt, in der wir an sie appellierten, im Deutschen Bundestag das Stimmverhalten ihrer Mitglieder bei diesem politischen Thema von Vorgaben der Fraktion freizugeben. Außerdem haben wir wieder betont, dass es sich um strukturelle Diskriminierung handelt, wenn aufgrund sexueller Identität oder Lebensweise Menschen bestimmte Rechtsbereiche vorenthalten werden. Damit stehen wir auch auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts, das in einer Reihe von Entscheidungen die Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft beanstandet, so etwa beim Ehegattensplitting und anderen steuerrechtlichen Fragen, und auch der Sukzessivadoption.

Die Ehe für alle findet auch in der Bevölkerung große Zustimmung. Dies zeigt den faktischen Wandel des Eheverständnisses, wonach in der Bevölkerung nicht mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterschieden wird. Auf diese Entwicklung sollte der Bundestag als Vertretung des Volkes reagieren. Und tatsächlich findet die Ehe für alle im Deutschen Bundestag - auch bei Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion - breite Zustimmung. Wir appellieren deshalb an die Bundeskanzlerin und insbesondere die Unionsspitze, der Umsetzung nicht weiter im Wege zu stehen.

Ein Gesinnungswandel muss stattfinden. Ich halte daran fest, dass es eine Gleichstellung homosexueller Paare und Regenbogenfamilien geben muss - in allen Rechtsbereichen. Es geht um Gleichstellung und Anti-Diskriminierung, um Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge - Werte, die für jedes Kind wichtig sind und die Werte unserer demokratischen Gesellschaft darstellen.
Wir dürfen nicht müde werden, das zu betonen und dafür zu kämpfen.

Mit freundlichen Grüßen,

Mechthild Rawert