Frage an Mechthild Rawert von Manfred K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Warum muss sich der Fernseh Rat des ZDF nicht an die Verfassung und eine Weisung eines Verfassungsorganes halten ?
Hintergund mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes BVerfG, 1 BvF 1/11 vom 25.3.2014 wurden in den Leitlinien eine Reduzierung der Personen ausgegeben.
Nicht nur das sich der Rat diesen Leitlinien mit fadenscheinigen Tricks versucht zu entziehen, nein der Missachtet diese durch die Ernennung von Hr.Lindner.
Wie ist Ihre Haltung zu diesem Fehlverhalten und welche Maßnahmen werden Sie ergreifen ?
Sehr geehrter Herr Kwiecinski,
Ich bedanke mich sehr für Ihre Frage, die in den wichtigen Bereich der Unabhängigkeit der Medien zielt und somit für mich höchst relevant ist.
Dem BVerfG-Urteil, 1 BvF 1/11 vom 25.03.2014, das Sie ansprachen, gingen zwei Normenkontrollklagen der SPD-Landesregierungen Rheinland-Pfalz und Hamburg voraus. Dieser Weg über das BVerfG war unvermeidlich, nachdem 2010 die Staatskanzleien von Rheinland-Pfalz und Hessen vergeblich versucht hatten, auf politischem Weg eine Änderung des ZDF-Staatsvertrages herbeizuführen. Dies war damals an den unionsgeführten Bundesländern gescheitert. Der Vorwurf in der Normenkontrollklage war, dass die Aufsichtsgremien, also der Fernsehrat und der Verwaltungsrat des ZDF, von staatlichen Institutionen dominiert und so nicht ausreichend staatsfern sind. Dies widerspricht dem Grundgesetz, genau genommen der Pressefreiheit.
Unter der Prüfung stand somit der ZDF-Staatsvertrag von 1961 und seiner Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. In diesem Vertrag wird die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien festgeschrieben. Der ZDF-Fernsehrat setzt sich aus 77 Mitgliedern zusammen, die repräsentativ aus Gruppen der deutschen Gesellschaft kommen sollen. Davon sollen nur 35 direkte VertreterInnen des Staates sein. Dem Rat obliegt die wichtige Entscheidung über das Programm des Senders, also die Entscheidung über die zu sendenden Inhalte. Die restlichen Mitglieder des Rates, die aus Verbänden kommen, werden von der MinisterpräsidentInnenkonferenz berufen - viele davon sind ehemalige BerufspolitikerInnen. Die Regelungen im Staatsvertrag haben dies nicht explizit untersagt. Das BVerfG Urteil hat dies kritisiert und darin eine Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit gesehen. Das Gericht forderte in einer Neuregelung des Gesetzes eine Verminderung des politischen Einflusses, so u.a. eine Begrenzung politischer VertreterInnen im Rat auf 1/3 und, dass Mitglieder der Bundes-, Landesregierung und der EU-Kommission nicht mehr vertreten sein dürfen. Ich begrüße dieses Urteil ausdrücklich, somit auch die Forderung der Zurückdrängung des politischen Einflusses auf die Medien.
Rundfunk und Medien tragen wie die Politik entscheidend zur Meinungsbildung bei. Damit kommt ihnen eine große Macht zu, denn sie stellen die Informationen bereit, auf deren Basis BürgerInnen Ihr demokratisches Mandat ausüben. Mit dem Urteil hat diese Verantwortung wichtige Leitlinien im Bereich der Unabhängigkeit bekommen. Vor diesem Hintergrund freue ich mich darüber, dass mit dem Urteil eine Diskussion über die Pressefreiheit und die Abgrenzung zwischen Politik und Rundfunk angestoßen wurde. Das Urteil wird nicht nur für das ZDF relevant, sondern strahlt auch auf andere Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus und gibt somit Anstoß ganzheitlich zu überprüfen, ob die Pressefreiheit gewahrt ist. Das Urteil stärkt nämlich dadurch, dass es auf klare Regelungen für die Zusammensetzung der Gremien drängt, die nicht unterlaufen werden können, den dominanten Einfluss der Politik. Das Bundesverfassungsgericht fordert vor allem, dass in der Zusammensetzung die Vielfalt der Gesellschaft widergespiegelt wird. Nur eine gesellschaftliche Meinungspluralität im Gremium kann auch ein gesellschaftlich repräsentatives Programm widerspiegeln. Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber auch, dass Transparenz darüber herrscht, wie die Zusammensetzung des Rates beschaffen ist.
Ich verstehe Ihren Frust darüber, dass auf dieses Urteil mit der Botschaft der staatsfernen Medien, die Wahl des FDP-Vorsitzenden in den Programmausschuss der Chefredaktion des Kontrollgremiums folgte und sich am hohen Anteil der politischen Vertretung im Rat nichts änderte. Ich kritisiere dies ebenfalls. Allerdings sind die Weisungen des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtlich bindend, sondern stellen Empfehlungen zur Ausgestaltung der neuen Gesetze dar. Diese Gesetze werden von den Länderparlamenten ausgestaltet und beschlossen. Der politische Einfluss auf den Rat wird nun mit einer Neuregelung des Staatsvertrages, der von den Ländern Mitte 2015 ausgearbeitet und am 01.01.2016 in Kraft getreten ist, begrenzt. Das ZDF kann sich dann der Einhaltung der Forderung nach staatsfernen Medien rechtlich nicht mehr entziehen.
Mitte 2016 wird der Rat neu zusammengesetzt. Der Vertrag kommt den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts nach. Genau sieht der Vertrag vor, dass die Mitgliederanzahl des Fernsehrates von 77 auf 60 reduziert wird. Die Besetzung der Sitze wird außerdem genau festgelegt, und 1/3 derer entfällt auf VertreterInnen der Politik. Besonders freut mich, dass die Vertretung aller gesellschaftlicher Gruppen betont wird - so erhalten auch erstmals MuslimInnen, MigrantInnen und homo- und transsexuelle Menschen einen Sitz im Fernsehrat. Leider ist das Wahlvorgehen noch nicht klar geregelt - hier müssen die Länder noch eine Entscheidung treffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Mechthild Rawert