Portrait von Mechthild Rawert
Mechthild Rawert
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Mechthild Rawert zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Reiner P. •

Frage an Mechthild Rawert von Reiner P. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Rawert,
auf der Verbändeanhörung am 21.11.2012 zur Novellierung der 26.Bundesimmissionsschutzverordnung, in der auch die Mobilfunk-Grenzwerte geregelt sind, nahmen als Umweltverbände der BUND und Diagnose-Funk e.V. teil. Beide Verbände hatten umfangreiche Stellungnahmen eingereicht, in denen sie die gesundheitsschädliche Wirkung der Mobilfunkstrahlung nachwiesen. Eine Anpassung der Grenzwerte an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ist dringend geboten.
Leider stellten die Verbände fest, dass die Behördenvertreter kein Interesse zeigten, sich den Argumenten der Verbraucherschutzverbände zu stellen.
Dies ist besonders bedauerlich, da bereits der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und regionale Angelegenheiten und des ständigen Ausschuss des Europarates im Mai 2011 empfohlen hatte, das die Mitgliedsstaaten: „alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen (sollten), um die Exposition elektromagnetischer Felder zu reduzieren". Ebenso hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO ebenfalls im Mai 2011 die Handystrahlung in die Kategorie - möglicherweise krebserregend - aufgenommen.
Wie stehen Sie zu der Novellierung der 26.Bundesimmissionsschutzverordnung und wie setzen Sie sich zur Verringerung der Elektrosmogbelastung der Bevölkerung ein?
Es wäre wünschenswert, wenn Sie sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten dafür einsetzen könnten, das im Zuge der Novellierung der 26.BImSchV die Grenzwerte für die erlaubten hochfrequenten Belastungen deutlich verringert werden würden. Im weiteren Verlauf der Novellierung fällt den Abgeordneten der Landesparlamente und des Bundestages eine große Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu. Ich bitten Sie deshalb, die Stellungnahmen von Diagnose-Funk e.V. und der anderen Umweltverbände in Ihren Beratungen mit zu diskutieren ( http://www.diagnose-funk.org/themen/grenzwert/verbaendeanhoerung-zur-novellierung-der-26bischv.php ).
Mit freundlichen Grüßen
Wohn- und Geschäftsberatung
Reiner Padligur

Portrait von Mechthild Rawert
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Padligur,

ich danke Ihnen für Ihre Frage zum Thema der Novellierung der Bundesimmissionsschutzverordnung. Ihre Anmerkungen habe ich auch an die zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker in der SPD-Bundestagsfraktion weitergeleitet. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bereits seit etwa 12 Jahren mit diesem Thema beschäftigt. Vor wenigen Wochen ist den Fraktionen des Deutschen Bundestages ein Arbeitsentwurf zu der von Ihnen beschriebenen Novellierung der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung von der Bundesregierung zugeleitet worden. Der Kabinettsbeschluss der schwarz-gelben Bundesregierung wurde in der letzten Sitzungswoche beschlossen. Eine Anhörung im Bundestag wird am 13.3. stattfinden.

Ich darf Ihnen eine umfangreiche Einschätzung der federführenden Arbeitsgruppe für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Kenntnis geben.

Darin heißt es: „Aufgrund der Ergebnisse einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Juli 2001 und nach weiteren umfangreichen Prüfungen hat sich die damalige rot-grüne Bundesregierung im Dezember 2001 entschlossen, den Empfehlungen der deutschen Strahlenschutzkommission (SSK, www.ssk.de) zu folgen und an den geltenden Grenzwerten festzuhalten. Die Kommission war beauftragt worden, erneut eine umfassende Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzulegen. Das Ergebnis der Prüfung war, dass die geltenden Grenzwerte nach dem damaligen Erkenntnisstand vor nachgewiesenen Gesundheitsgefahren ausreichend schützen. Die Grenzwerte der 26. Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes wurden deshalb zu jenem Zeitpunkt nicht verändert.

Gleichwohl erkannte die SSK in einzelnen Studien wissenschaftlich begründete Hinweise auf Gesundheitsbeeinträchtigungen und stellte dazu fest, dass sich „auch unter Berücksichtigung des Umfangs und des Ausmaßes der Verdachtsmomente ein zusätzliches Risiko über die bisher bekannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinaus nicht angeben lässt“. Sie plädierte deshalb für weitere intensive Forschung.

Dieser Empfehlung ist die Bundesregierung damals gefolgt. Mit Mitteln aus drei Bundesministerien und der Mobilfunkbetreiber standen für verschiedene Forschungsrichtungen insgesamt 29 Mio. Euro zur Verfügung. Daraus entstand das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm mit mehr als 50 Forschungsprojekten. Die Vergabe der Projekte erfolgte offen und unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Verbände und Initiativen haben Vorschläge gemacht. Ziel war es, ein unabhängiges Forschungsprogramm aufzubauen, dass allseitig akzeptiert wurde und nicht den Ruch einer inhaltlichen Beeinflussung durch industrielle Akteure hatte. Ich glaube, dies ist gelungen. Die Ergebnisse des Programms sind in einem Abschlussbericht zusammengefasst und im Internet nachzulesen. Eine gesonderte Initiative der SPD-Bundesfraktion erübrigte sich. Wir sind der Meinung, dass dieses Programm weitreichend und anspruchsvoll war. Das Bundesamt für Strahlenschutz und die Strahlenschutzkommission haben festgestellt, dass die Ergebnisse keinen neuen Erkenntnisse erbracht haben, die die geltenden Grenzwerte aus wissenschaftlicher Sicht in Frage stellen. Die Bundesregierung sah daraufhin weiterhin keine begründete Notwendigkeit, die Grenzwerte zu verändern, hielt aber an der Vorsorgemaßnahmen fest. Das Mobilfunk-Forschungsprogramm war Teil eines Vorsorgeprogrammes, das die Vorsorge auf freiwilliger Basis verbessern sowie viele Konflikte beim Netzausbau vermindern konnte. Im Mittelpunkt der weiteren Vorsorge stehen nun diese weitere gezielte Forschung und die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger zur individuellen Minimierung der Strahlenexposition. Wir unterstützen weitergehende Forschungen, die sich mit den Langzeitwirkungen und den Auswirkungen auf Kinder befassen. Gleichzeitig sind die Mobilfunkbetreiber eine freiwillige Selbstverpflichtung eingegangen, mit der sie Vorsorge verstärken und wirksame und nachprüfbare Verbesserungen herbeiführen wollten. Wir haben seitdem regelmäßige Rückmeldungen bekommen, ob die Vereinbarung eingehalten wurde. Nach unserer Kenntnis haben in verschiedenen Bundesländern und Kommunen Messkampagnen stattgefunden. Dabei zeigte sich, dass der Ganzkörpergrenzwert durch Expositionen mit elektromagnetischen Feldern durch Basisstationen nicht annähernd ausgeschöpft wurde, während der Grenzwert für Teilkörperexpositionen (2 W/kg) bei Benutzung von Handys erreicht werden kann. Daraus folgt, dass die entscheidende Wirkung bei der Nutzung des Handys entsteht. Es gab wohl vereinzelt vor Ort Kommunikationsprobleme, nun habe ich aber lange nichts Nachteiliges mehr gehört. Inzwischen gibt es eine zweite Vereinbarung (Februar 2012), nach der die finanzielle Unterstützung der Forschung fortgeführt wird.

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte demgegenüber zunächst eine Absenkung der Grenzwerte nach dem Schweizer Modell favorisiert. Wir haben uns dann nach umfangreichen fachlichen Prüfungen, einer öffentlichen Anhörung und sorgfältiger Abwägung aller Interessen, d.h. von skeptischen und dem Mobilfunk sehr kritisch gegenüber stehenden Bürgerinnen und Bürgern, begeisterten Benutzerinnen und Benutzern von Handys, aber auch von Unternehmen und Betreibern im Mobilfunk, darauf verständigt, die Entscheidung der Bundesregierung zu akzeptieren.

Wir haben seinerzeit gemeinsam mit den Koalitionskollegen von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag beschlossen, der die Vorsorgemaßnahmen der Bundesregierung aufgreift und um eine Reihe von Forderungen konkretisiert. Dabei ging es uns besonders um die Sicherstellung eines regelmäßigen und unabhängigen Monitorings und die Information der Bevölkerung sowie ihre Beteiligung. Des weiteren haben wir konkrete Forderungen nach einer verbraucherfreundlichen Kennzeichnung von Handys, der Einführung eines Qualitätssiegels für strahlungsarme Handys und nach Hinweisen für eine möglichst strahlungsarme Nutzung zur gesundheitlichen Vorsorge insbesondere für Kinder und Jugendliche formuliert. Leider sind wir insbesondere mit der Kennzeichnung nicht weit gekommen und ich fürchte, dass die wenigsten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf eines Handys nach den Daten fragen und sich beraten lassen. Das Vorsorgeprogramm der Bundesregierung enthält neben der Intensivierung der Forschung eine Reihe von Maßnahmen, die vor allem darauf abzielen, der Öffentlichkeit so viele Informationen wie möglich, z.B. über den Stand der Wissenschaft, zugänglich zu machen. Dies ist im Laufe der letzten Jahre intensiv umgesetzt worden. Die Möglichkeiten, sich bei Behörden, in Bibliotheken und im Internet zu informieren, um z.B. eigene Minimierungsmaßnahmen vorzunehmen, sind vielfältig. Hier gibt es vermutlich noch Verbesserungsmöglichkeiten, die Menschen an die Informationen heranzuführen, ohne sie zu bedrängen und damit abzuschrecken.

Im Rahmen der (erfolglosen) Erstellung eines Umweltgesetzbuches wurde 2009 das Gesetz zur Regelung des Schutzes vor nicht-ionisierender Strahlung beschlossen. Neben Regelungen im Bereich der Medizin und zum Schutz vor künstlicher UV-Strahlung wurden im Bundesimmissionsschutzgesetz Lücken geschlossen. Nun sind von der 26. BImSchV auch Anlagen erfasst, die der Wahrnehmung hoheitlicher und privater Aufgaben dienen und der Frequenzbereich von 0 bis 300 GHz komplett abgedeckt. Für Nutzer von Handys, W-Lan und DECT-Telefonen hat sich aus legislativer Sicht damit nichts geändert. Gleichwohl hat die Zahl der Nutzer von Mobilfunk und damit die Nutzungsdichte rasant zugenommen und damit ist mit einem Anstieg der Gesamtexposition zu rechnen. Durch die Vielfalt der Anwendungen wird zudem die Exposition immer schwieriger nachzuverfolgen sein.

Wir verfolgen die Entwicklung noch immer aufmerksam und setzen uns für Lösungen ein, die der aktuellen wissenschaftlichen Lage, aber auch dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen. Die endgültige wissenschaftliche Beurteilung der Technologie Mobilfunk steht noch aus, weil die Erkenntnisse über Langzeitwirkungen, insbesondere bei Kindern noch ausstehen. Daher gibt es für die Einführung von Vorsorgewerten zurzeit keine wissenschaftlich signifikante Basis. Die derzeitigen Grenzwerte enthalten einen „Vorsorgeanteil“ in Form eines Faktors 5. Aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten halten wir Vorsorgemaßnahmen weiterhin für erforderlich.“

Sehr geehrter Herr Padligur,

ich stimme mit Ihnen überein, dass im weiteren Verlauf der Beratungen über die Novellierung den Abgeordneten des Bundestages eine große Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zukommt. Ich bin mir als Mitglied des in dieser Fachfrage nicht federführenden, aber mitberatenden, Ausschusses für Gesundheit dieser parlamentarischen Verantwortung bewusst.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion intensiv mit den aktuellen Erkenntnissen zur Thematik, also auch mit den aktuellen Forschungsergebnissen auseinandersetzen wird. Dabei werden auch die Stellungnahmen von Diagnose-Funk e.V. und der anderen Umweltverbände in die Beratungen einbezogen.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen

Mechthild Rawert