Frage an Mechthild Rawert von Utz W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Rawert,
zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort, mit der die Themen "Steuerhinterziehung" und "Bildung" umfassend behandelt wurden.
Ich vermisse aber Ihre Stellungnahme zu meinem eigentlichen, detailliert dargelegten Kernanliegen, der l e g a l e n Steuerv e r m e i d u n g durch Nutzung von Steuerschlupflöchern (Ausnahmetatbeständen).
Der Unterschied zwischen der nominellen Steuerlastquote von 25 – 30% und der realen Steuerlastquote von ca. 12% auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen entsteht ja nicht durch gesetzeswidrige Steuerhinterziehung sondern durch "kreative Steuergestaltung".
Dadurch gehen jährlich min. rund 70 Mrd.€ verloren.
Meine Frage war, warum die SPD diese Lücke teilweise durch Steuererhöhungen bzw. neue Steuern schließen will, statt – wie szt. ja auch Von Prof. Kirchhof vorgeschlagen – die eigentliche Ursache des Defizitproblems zu beheben und mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen: durch Schließung dieser Schlupflöcher, also durch die Abschaffung aller Ausnahmetatbestände.
Wie man neudeutsch sagt: dieses Vorgehen der SPD erschließt sich mir nicht.
Könnten Sie uns diese Entscheidung der SPD näher erklären?
Mit freundlichen Grüßen
Utz Wilke
Sehr geehrter Herr Wilke,
ich komme zurück auf Ihre Frage zum Themenkomplex „legale Steuervermeidung“ durch Nutzung von Steuerschlupflöchern (Ausnahmetatbeständen).
Diese Forderung nach Schließung von Steuerschlupflöchern zielt auf eine Verbreitung der steuerlichen Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung. Mit ihrer Steuergesetzgebung hat die SPD diese Linie bereits in den letzten Jahren verfolgt. Dies gilt insbesondere für die Unternehmenssteuerreform 2008. Im Rahmen dieser Reform wurde der Steuersatz der Körperschaftsteuer abgesenkt.
Die Maßnahmen im Detail: Für Kapitalgesellschaften wurde eine Verringerung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % und eine Senkung der Gewerbesteuermesszahl von max. 5 % auf einheitlich 3,5 % vorgenommen, die zu einer Absenkung der nominalen Belastung der Unternehmensgewinne auf 29,83 % führte (bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 %).
Damit liegt die Belastung in etwa im Mittelfeld der alten EU.
Für Personengesellschaften, die der Einkommensteuer unterliegen, wurde die Möglichkeit geschaffen, nicht entnommene Gewinne mit einem ermäßigten Steuersatz in Höhe von 28,25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) zu besteuern (sog. Thesaurierungsbegünstigung). Werden diese Gewinne zu einem späteren Zeitpunkt wieder entnommen, erfolgt eine Besteuerung in Analogie zur Dividendenbesteuerung. Damit wurde für große und gewinnstarke Unternehmen eine weitgehende Belastungsgleichheit zwischen den verschiedenen Rechtsformen erreicht. Gestrichen wurden gleichzeitig steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen, insbesondere beim Mantelkauf, der Gewinnverlagerung ins Ausland und bei der sog. Funktionsverlagerung. Außerdem wurden der Betriebsausgabenabzug der Gewerbesteuer und ebenfalls die degressive Afa, die Absetzung für Abnutzungen, abgeschafft. Im Rahmen des Konjukturpakets I wurde die degressive Afa befristet für zwei Jahre wieder eingeführt.
Die Besteuerung grenzüberschreitender Geschäfte zwischen nahestehenden Personen bzw. Unternehmensteilen wurde neu geregelt (Funktionsverlagerungen). Durch eine gesetzliche Präzisierung des international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatzes wurde eine sachgerechtere Besteuerung von Wertetransfers ins Ausland gewährleistet.
Durchdie Einführung der Zinsschranke wurde steuermindernden Gestaltungen durch grenzüberschreitende konzerninterne Fremdkapitalfinanzierungen entgegen gewirkt. Dabei wurde die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen auf 30 % des Gewinns und der Abschreibungen (EBITDA) beschränkt. Durch die Freigrenze von ursprünglich 1 Mio. € wurde sichergestellt, dass mittelständige Unternehmen unter normalen Umständen von der Zinsschranke nicht betroffen sind.
Mit unseren Maßnahmen sollte sichergestellt werden, dass die in Deutschland erzielten Gewinne auch hierzulande versteuert werden. Die SPD hat in den letzten Jahren mit dafür gesorgt, dass auch Steuerschlupflöcher wie Schiffs-, Film- oder Immobilienfonds mit Anlagenzielen im In- und Ausland eingedämmt wurden. Damit wurden Ausnahmetatbestände, wie Sie sie beschreiben, in erheblicher Zahl beendet und somit zu mehr Steuergerechtigkeit beigetragen.
Die schwarz-gelbe Koalition lässt jedoch mittlerweile bei der Wertermittlung von Transferpaketen ins Ausland unter bestimmten Bedingungen statt der Gesamtbewertung wieder eine Einzelbewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter zu.
Wir protestieren dagegen, dass die schwarz-gelbe Regierung die Einschränkungen der Steuergestaltungen zum Teil wieder rückgängig macht.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert