Frage an Mechthild Rawert von Fritz G. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
was sich in Berlin mit der S-Bahn ereignet finde ich für eine europäische Metropole desaströs. Ich habe bisher noch keine Meinung darüber von unserem ersten Bürger, dem Herrn Wowereit, gehört. Als Bürgermeister dieser weltoffenen Stadt sollte er doch öffentlich und medienwirksam dazu Stellung beziehen und Mittel und Wege finden um hier kurzfristig befriedigenden Ersatz zu bieten. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Mit freundlichem Gruß
Fritz Giesecke
Sehr geehrter Herr Giesecke,
Sie haben Recht, der S-Bahnverkehr in Berlin ist derzeit katastrophal und die BerlinerInnen haben die Nase voll, wenn sie mal wieder - bei eisiger Kälte - auf dem Bahnsteig stehen und warten. Dies ist das Ergebnis einer verfehlten Unternehmenspolitik. Das Verkehrsangebot der S-Bahn bei Unterzeichnung des S-Bahn-Vertrages im Jahre 2004 war qualitativ hochwertig und verlässlich. Die BerlinerInnen erleben nun hautnah, was passiert, wenn Unternehmen der Daseinsvorsorge sich zu sehr als „privatwirtschaftliches Unternehmen“ mit Richtung Börsengang verstehen. Die Deutsche Bahn AG als Mutterkonzern der S-Bahn Berlin GmbH hat ihr Tochterunternehmen finanziell ausgequetscht wie eine Zitrone. In einem Gewinnabführungsvertrag wurde die S-Bahn Berlin verpflichtet Millionengewinne an den Mutterkonzern abzuführen. So konnte die DB AG allein im Jahr 2008 56,3 Mio. Euro in ihrer Bilanz verbuchen, die sie der S-Bahn an Gewinn zuvor abgenommen hat. Heute wissen wir, dass dies nicht aufgrund des wirtschaftlichen Umgehens mit den Ressourcen zustande gekommen ist, sondern offenbar mit Einsparungen bei Wartung, Personal und Investitionen in Schienen und Fahrzeuge ermöglicht. Den Berliner Senat beschäftigt der desaströse Zustand der Berliner S-Bahn bereits seit Monaten. Immer wieder hat der Senat von der Berliner S-Bahn aber auch von der DB AG Klarheit und Wahrheit über die tatsächlichen Ausmaße die hausgemachten Probleme der S-Bahn gefordert. Immer wieder haben die Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit Bahnchef Gruber zum Handeln aufgefordert. Und auch immer wieder mussten sie neue Katastrophen, wie jetzt die kältebedingten Motorausfälle der Baureihe 481, zur Kenntnis nehmen.
Der Berliner Senat fordert aber auch den Bund als Eigentümer der DB AG zum Handeln auf. Der Bund muss sich seiner Rolle bewusst werden. Er muss verkehrspolitische Zielsetzungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes definieren. Dazu gehört es den öffentlichen Verkehr als Teil der Daseinsvorsorge anzuerkennen. Der Traum vom Börsengang der DB AG muss endlich ausgeträumt sein.
Da die S-Bahn GmbH gezeigt hat, dass sie nicht in der Lage ist einen verlässlichen S-Bahnverkehr zu garantieren, prüft der Senat wie die S-Bahn, die für die Stadt unverzichtbar ist, wieder „in die Spur“ kommt. Dabei werden alle Optionen durchgeprüft. Ob nun die BVG ggf. im Rahmen einer Beauftragung Teile des S-Bahnnetzes betreiben soll oder das Land Berlin die gesamte S-Bahn GmbH erwirbt - jede Überlegung ist gut, die der DB AG zeigt, dass auch andere Möglichkeiten existieren. Herr G., ich kann nicht finden, dass der Regierende Bürgermeister in der Frage untätig ist.
Untätig sind die Manager der S-Bahn GmbH und der Deutschen Bahn AG, die anscheinend versuchen das Problem auszusitzen und Beruhigungsankündigungen auszuarbeiten, statt tragbare Lösungen der Misswirtschaft anzubieten.
Ich hoffe, ich habe Ihre Frage damit hinreichend beantwortet und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert