Frage an Mechthild Rawert von Andreas D. bezüglich Wirtschaft
Meine Fragen:
1. Warum dürfen Banken bei der EZB Geld zu 1% ausleihen und dann für 1%+X verleihen?
2. Warum dürfen Banken Giralgeld aus dem Nichts erschaffen und als Kredit gegen Zinsen verleihen?
(z.B. http://www.bundesbank.de/download/presse/reden/2007/20070309.weber.pdf Seite 10 / Weber beschreibt das hier als "endogen" was wissenschaftlich klingt aber nicht ist)
3. Warum dürfen Banken für jeden Euro den sie an Einlagen bekommen je nach Mindestreservevorschrift (2%-8%) vervielfachen und als Kredit gegen Zinsen verleihen.
(z.B. http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel_saeule1.php ; http://de.wikipedia.org/wiki/Geldschöpfung )
4. Warum muß der Staat bei Banken Geld leihen und nicht bei der EZB wo der Zins nur 1% ist, oder nach demokratisch beschlossenen Regeln selber erzeugen? (Wie es in den USA bis 1913 noch üblich war)
4.1 Wußten Sie das Zentralbanken in Amerika schon mehrfach eingeführt und wieder abgeschafft wurden und viele der Meinung sind das sie von den Privatbanken durch Destabilisierung der Märkte erzwungen wurde?
4.2 Wenn alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, warum ist dann nicht auch die Währung in der Hand des Staats sondern in der Hand einer unabhängigen Bank die nicht von der Politik gesteuert werden kann sondern "unabhängig" ist und nur eine allgemeine Zielbestimmung hat?
5. Glauben Sie das es ein nachhaltiges konstantes Wachstum gibt (z.B. 3%)?
6. Kennen Sie Wachstumsgesetze wie die Exponentialfunktion oder die logistische Gleichung und die Folgerungen daraus? (Es gibt noch kompliziertere Modelle)
7. Glauben Sie das Deutschland Exportweltmeister bleiben darf und gleichzeitig die Entwicklungsländer aufholen können?
9. Glauben Sie auch das die Bevölkerung nicht mehr weiter zunehmen darf und Familienförderung nicht mit dem Ziel der Erhöhung der Geburtenrate betrieben werden sollte?
Ich hätte noch mehr Fragen, aber das reicht wohl erstmal.
MfG
Sehr geehrter Herr Debus,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die davon zeugt, dass Sie sich intensiv für die Nachhaltigkeit des Finanz- und Wirtschaftssystems interessieren. Ich möchte Sie um Verständnis bitten, dass ich nicht jede einzelne Ihrer Fragen in aller Ausführlichkeit beantworten kann, sondern Ihnen vielmehr meine generelle Einschätzung zur Finanzmarktkrise und ihren Folgen geben möchte.
Was für ein Wachstum wollen wir in Zukunft?
Ich spreche mich dafür aus, durch eine strategische und ökologische Industriepolitik Anreize dafür zu schaffen, Kapital in zukunftsfähige und ökologisch verträgliche Wachstumsfelder zu leiten. Ziel ist dabei, ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen - nachhaltig meine ich dabei sowohl im ökologischen wie auch im wirtschaftlichen Sinn. Wachstum und Fortschritt messe ich nicht nur an der Höhe des Bruttoinlandsprodukts oder daran, ob wir wieder Exportweltmeister werden, sondern auch an der Umweltverträglichkeit, an den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen und an der Nachhaltigkeit der Erfolge. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Ausbau zukunftsträchtiger Leitmärkte wie Klima- und Umwelttechnik, Gesundheitstechnologien oder der Bereich der Kreativwirtschaft. Hier hat unsere Wirtschaft die größten Wachstumschancen.
Ich glaube daran, dass Deutschland weiterhin beim Export erfolgreich sein kann und die Entwicklungsländer gleichzeitig wirtschaftlich aufholen können. Deutschland kann dazu aktiv beitragen, indem es gemeinsam mit anderen Industrieländern Agrarexportsubventionen senkt und Entwicklungsländer beim Zugang zu moderner, nachhaltiger Energieversorgung unterstützt.
Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass sich selbst überlassene Märkte zu Exzessen neigen. Die Märkte setzen sich selbst keine Grenzen. Diese Exzesse hätten fast zum Totalzusammenbruch geführt - jetzt müssen wir alle die Konsequenzen tragen. Die für mich entscheidende Frage ist nun: Nehmen wir das hin oder beenden wir endlich die Möglichkeit zu Exzessen auf den Finanzmärkten?
Ich trete dafür ein, dass jetzt die Lehren aus der Krise gezogen werden!
Die Nachrichten der letzten Wochen bestärken mich in der Sorge um die Rückkehr der Gier. Ausgerechnet die Investmentbanken verdienen jetzt wieder richtig Geld, zum Teil auch Dank staatlicher Hilfen. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass das alte Zockerspiel der Banken wieder von vorne beginnt und wir „zum alten Kurs zurückkehren“. Bereits im Februar 2009 hat die SPD eine Blaupause vorgelegt, die Verkehrsregeln und Grundsätze umfasst, deren Umsetzung und Einhaltung dazu führen wird, dass es - hoffentlich - nie wieder zu einer solchen Krise kommt.
Wir wollen verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger die Zeche für die Exzesse der Finanzmärkte bezahlen, während sich gleichzeitig einige Manager weiterhin kräftig bedienen. Wir wollen außerdem dafür sorgen, dass die Banken das Geld, das sie erhalten, für Kredite an Private und Unternehmen zu verantwortbaren Konditionen weiterreichen.
Wie will die SPD die Finanzmärkte konkret umbauen? Hier die drei wichtigsten Vorhaben:
- Wir wollen eine Börsenumsatzsteuer einführen, mit der die die
Finanzmärkte ihren Teil zur Finanzierung der Krisenlasten beitragen sollen.
- Wir wollen Managervergütungen steuerlich begrenzen, um
verantwortungsvolles Wirtschaften zu belohnen und damit der Gier nach
dem raschen Gewinn einen Riegel vorzuschieben.
- Wir wollen den Kampf gegen Steueroasen fortsetzen. Finanzminister Peer
Steinbrück hat hier schon gute Erfolge erzielt, an die es nun
anzuknüpfen gilt.
Die Staats- und Regierungschefs beraten derzeit auf dem G-20-Gipfel in Pittsburgh über neue Regeln für die globale Wirtschaft. Ich hoffe sehr, dass Deutschland dabei gemeinsam mit seinen europäischen Partnern, seine Position für eine bessere Regulierung der Finanztransaktionen durchsetzen kann. Die Banken müssen dazu gebracht werden, ihr Eigenkapital zu erhöhen und die Bonus-Zahlungen müssen begrenzt werden, damit unser Wirtschafts- und Finanzsystem in Zukunft nicht wieder an den Rand des Abgrunds gerät.
Bei der Bundestagswahl am 27. September werden die Weichen dafür gestellt, welche Konsequenzen wir in Deutschland aus der Krise ziehen. Gibt es ein „Weiter wie bisher“ zugunsten der Reichsten und zu Lasten der großen Mehrheit in diesem Land, wie es FDP und Union planen. Oder ziehen wir die Lehren aus der Krise und beteiligen diejenigen, die diese Krise verursacht haben, an den Kosten, wie die SPD es will? Auch Sie haben es in der Hand, wie es weitergeht!
Mit freundlichem Gruß
Mechthild Rawert