Frage an Matthias Schmidt von Peter L. bezüglich Staat und Verwaltung
Lieber Herr Schmidt,
Sie und Ihre Partei befürworten Volksentscheide.
In Berlin werde ich Zeuge davon, wie dem Instrument des Volksentscheids die Legitimation abgesprochen wird. Wehement weisen immer mehr Politiker darauf hin, dass die Abstimmung für oder gegen die Offenhaltung von Tegel nicht bindend ist. Ertaunlich, wie solch eine simple Frage die Massen bewegt – obwohl das Ergebnis doch nicht binden sein soll.
Wie stellen Sie sich die Implementierung von Volksentscheiden vor? Werden diese nach Ihrer Vorstellung für Politiker bindend sein?
Bauen Sie nach Möglichkeit einen Bezug zum anstehenden Volsentscheid für oder gegen Tegel in Ihre Antwort mit ein. Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Einschätzung.
Das Thema direkte Demokratie ist mir sehr wichtig und das habe ich auch in einer Bundestagsrede im Deutschen Bundestag bekräftigt. Im offenen und ehrlichen Streit um Argumente liegt aus meiner Sicht der Kern der Demokratie. Dazu gehört auch die Fähigkeit und der Wille zum Kompromiss. Das ist unabdingbar, damit Diskussionen auch zu Ergebnissen führen. Dabei sollen alle Menschen einbezogen werden. Und damit meine ich: in den Diskussions- und in den Entscheidungsprozess. Wir hatten die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie in unserem Wahlprogramm fest verankert. Wir begrüßen den Wunsch vieler Menschen, sich direkter und stärker einzubringen und halten das für eine Bereicherung der Demokratie. Das ist ganz im Sinne der Forderung, dass die Demokratie engagierte Demokratinnen und Demokraten braucht. Mit der Union war dieser Punkt allerdings überhaupt nicht umsetzbar.
Die Frage der Gebundenheit der Parlamente an solche Volksentscheide ist anspruchsvoll. Wir sprechen uns dafür aus, dass das Votum von Volksentscheiden als ergänzendes Votum in die Diskussion im Bundestag einfließt. Die Gründe möchte ich Ihnen gerne an einem Beispiel erläutern. Nehmen wir die Frage von Minaretten, die in der Schweiz zu großen Diskussionen geführt hat. Demagogen und Populisten betreiben mit solchen Fragen Stimmungsmache gegen Minderheiten und schüren Ängste. Viele Menschen sind möglicherweise nicht gut informiert und es beteiligen sich in der Mehrheit nur die, die aus unterschiedlichsten Gründen Menschen ausgrenzen möchten. Repräsentativ wäre so ein Ergebnis also nicht und das so verzerrte Abstimmungsergebnis hätte erhebliche Folgen für das Wertegefüge der Gesellschaft als Ganzes, wenn es bindend wäre.
Auch der von Ihnen angesprochene Volksentscheid von Tegel hätte weitreichende Folgen und zwar für Wirtschaft und die Berliner Gesellschaft. Und auch hier ringen polarisierende Gruppen miteinander. Diejenigen, die benachbart zum Flughafen Tegel wohnen und die, die fürchten, dass eine Schließung von Tegel den Flugverkehr in Schönefeld ausweiten würde. Es sind und das ist auch verständlich, oft ganz persönliche Gründe, die das Abstimmungsverhalten dominieren. Das Berliner Abgeordnetenhaus wird die Entscheidung in ihre politische Diskussion einfließen lassen und bewerten und das finde ich richtig.
Wir wollen die Ergebnisse von Volksentscheiden als ergänzendes Instrument in die Diskussion im Bundestag einfließen lassen. Welche Gewichtung man dann vornimmt, könnte man diskutieren. Das Ergebnis würde in die Fachdiskussion der Ausschüsse des Deutschen Bundestages einfließen und ich kann ihn aus vierjähriger Bundestagserfahrung berichten, dass hier mit viel Sachverstand unter Hinzuziehung von Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft diskutiert wird. Es gab auch in dieser Wahlperiode unzählige Anhörungen, wo die Bundestagsabgeordneten sich externen Sachverstand beschafften. Ich finde, es wäre eine gute Lösung, ergänzend zur repräsentativen Demokratie auch Volksentscheide einzuführen, die dann den Prozess der Meinungsbildung ergänzen.
Volksentscheide sind jedoch nicht das einzige Instrument, um die Demokratie direkter zu gestalten. Wir wollen auch das Petitionsrecht für die Menschen stärken. Dafür wollen wir die für öffentliche Petitionen nötige Anzahl von Stimmen verringern und einen barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderung schaffen und auch Kindern und Jugendlichen eine bessere Einbindung ermöglichen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einen Einblick in meine Haltung zu dem Thema geben konnte. Kontaktieren Sie mich gerne wieder.
Mit besten Grüßen
Ihr Matthias Schmidt