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Matthias Schmidt
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Frage von Stefan K. •

Frage an Matthias Schmidt von Stefan K. bezüglich Recht

Vorratsdatenspeicherung

Sehr geehrter Herr Schmidt, ich nehme es Ihnen persönlich nicht übel, dass Sie Frau Dr. Merkel nach der Abstimmung zur PKW- Maut nicht an ihre Aussage "mit mir wird es keine PKW- Maut geben" erinnerten und zum Rücktritt aufforderten, aber zum Thema Vorratsdatenspeicherung, gestern vom SPD- Justizminister angekündigt, erbitte ich Ihre Stellungnahme.

Im Herbst naht der 25. Jahrestag der sogenannten Wiedervereinigung, da werden wir sicher auch über die Greueltaten des Unrechts- und Überwachungsstaates DDR informiert.
Das, was Ihr Parteifreund, Herr Maas, vorschlägt, übertrifft aber die Überwachung durch das MfS um Längen.

Die Behauptung Ihres Parteivorsitzenden, dass durch diese Vorratsdatenspeicherung in anderen Ländern Verbrechen verhindert wurde, ist unbewiesen.

Ich möchte nicht, dass jeder mein Bewegungsprofil erstellen kann, ich möchte nicht ohne Grund beobachtet werden.

Sehr geehrter Herr Schmidt, ich bin gespannt auf Ihre Antwort und Ihr Abstimmungsverhalten, denn im nächsten Wahlkampf werde ich Sie genau damit konfrontieren.

Im Namen Ihrer Partei ist auch das Wort demokratisch enthalten. Da steckt das griechische Wort VOLK drin. Glauben Sie wirklich, dass die Menschen bespitzelt werden wollen? Deshalb gingen wir doch 89 auf die Straße.

mit bestem Gruß

Stefan Krajewski

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Sehr geehrter Herr Krajewski,

vielen Dank für Ihr Interesse an meiner politischen Arbeit. Ich habe großes Verständnis für Ihre kritische Sicht auf die Speicherung von Verkehrsdaten, weise allerdings Ihren Vergleich mit dem Überwachungsapparat der DDR entschieden zurück.

Vor einigen Jahren bin ich auch persönlich ganz unvermittelt mit dem Thema in Kontakt gekommen. So klingelten am Morgen des Heiligen Abend zwei Polizisten bei mir und fragten, mit wem ich an einem bestimmten Tag im Oktober abends kurz vor 23.00 Uhr telefoniert habe. Mit der Anrufliste meines Handys ließ sich leicht rekonstruieren, dass ich meine Mailbox abgehört hatte. Jemand hatte mir offensichtlich an diesem Abend während der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung auf meine Mailbox gesprochen, die ich dann auf dem Weg nach Hause abhörte. Ich fragte die beiden Polizisten, nach den Hintergründen ihrer Nachfrage. Zur fraglichen Zeit hatten in Grünau Gewalttäter einem Menschen mit einer Eisenstange den Schädel zertrümmert und ihn in der Annahme, er sei tot, im nahegelegenen Wald verscharrt. Glücklicherweise konnte sich das Opfer selbst bemerkbar machen und hat den Angriff ohne bleibende Schäden überstanden. Die Polizei versuchte nun alles in ihrer Macht Stehende, die Täter zu ermitteln.
An diesem Sachverhalt ist mir vieles klar geworden: Ich möchte, dass zur Aufklärung schwerer Straftaten den Ermittlungsbehörden alle Instrumente zur Verfügung stehen, um Straftäter dingfest zu machen. Im vorliegenden Fall hatten die Polizisten mit richterlicher Erlaubnis eine sog. Funkzellenabfrage gemacht, die meine Daten enthielt, weil ich meine Mailbox abhörte. Da die Polizei hierbei in meine Persönlichkeitsrechte eingriff, möchte ich, dass dies nur bei schweren, vorher definierten Straftaten möglich sein wird und dass vorher - ähnlich wie bei einer Hausdurchsuchung - die Genehmigung eines Richters eingeholt werden muss. Bisher ist die Funkzellenabfrage bereits in § 100g StPO geregelt; diese Vorschrift wird auch nicht angetastet. Durch die Vorratsdatenspeicherung nehmen wir in der Koalition nun eine Ergänzung vor, alle meine bisherigen Aussagen gelten jedoch auch hierfür. Gerne möchte ich Ihnen die Kernpunkte der von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegten Leitlinien kurz erläutern.

Sie sehen eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten mit Ausnahme der Email vor.
Bei der Entwicklung der Leitlinien bildeten die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes die oberste Richtschnur. Die vorgelegten Leitlinien sind restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch restriktiver als CDU/CSU es wollen:

- Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.

- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden. Das ist mir sehr wichtig.

- Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.

- Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die unberechtigte Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.

- Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein Telekommunikationsanbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.

- Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Die Leitlinien sind Grundlage der nun anstehenden fachlichen Diskussionen im parlamentarischen Verfahren. Wir werden dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden.
Sehr geehrter Herr Krajewski, ich bin mir der Sensibilität des Themas und der damit verbundenen Ängste bewusst. Gleichwohl bin ich mir sicher, dass am Ende ein gutes und ausgewogenes Ergebnis erreicht werden wird.

Ich freue mich, wenn Sie den Gesetzgebungsgang weiter verfolgen und mit mir im Gespräch bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Schmidt