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Matthias Miersch
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Frage von Michael W. •

Wenn Sie verfassungsrechtliche Bedenken bei der allgemeinen Impfpflicht haben, warum sehen Sie diese nicht bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht?

Eine Impfung, die weder vor Ansteckung, noch vor Transmission des Virus schütze und nur für einen milden Verlauf einer Corona-Infektion sorgt, kann doch weder für die allgemeine Impfpflicht, noch für die einrichtungsbezogene Impfpflicht eine Grundlage sein.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr W,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich nachfolgend antworte.

Sie beziehen sich in Ihrer Frage darauf, dass ich verfassungsrechtliche Bedenken bei einer allgemeinen Impfpflicht hätte. Auf diese pauschale Darstellung Ihrerseits möchte ich gerne zu Beginn eingehen, denn richtig ist: Um der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, die jeder einzelne von uns trägt, braucht es mehr als ein kategorisches schwarz-weiß-Denken in dieser Frage der Impfpflicht. Vor allem als Jurist sind für mich stets zwei Säulen entscheidend: Die Angemessenheit zum einen und die Zweckerreichung zum anderen. Es bedarf einer angemessenen Abwägung dieser Säulen, mit der ich mich seit Monaten intensiv auseinandersetze.

Unser Bundespräsident hat im Rahmen der Diskussionen um die allgemeine Impfpflicht gesagt, „Impfpflicht bedeutet Debattenpflicht“. Diesen Aufruf nehme ich ernst und werde weiter alle mir dabei zur Verfügung stehenden Aspekte in meine schlussendliche Entscheidung, die wie in diesem Schreiben ausgeführt auf Abwägung beruht, miteinbeziehen. Bis zu meiner endgültigen Entscheidung zur allgemeinen Impfpflicht werde ich noch die politischen, juristischen und medizinischen Fragen für mich persönlich beantworten, die sich mir aktuell noch stellen. 

Wie ich oben beschrieben habe, kann es in der Frage der Impfpflicht kein schwarz-weiß-Denken geben. Deshalb möchte ich, lieber Herr W, Ihnen auch meine Perspektive zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht schildern:

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll sicherstellen, dass Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, besser geschützt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Die Menschen, die ihnen zur Behandlung, Versorgung, Pflege oder Betreuung anvertraut sind, können sich zum Teil aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen. Ungeimpftes Personal stellt aufgrund der besonderen Nähe zu den anvertrauten Menschen in Einrichtungen ein zusätzliches „Risiko“ zur Infektion dar. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung bei ungeimpften Personen höher als bei geimpften, wenngleich bei der Omikron-Variante dieses noch differenziert untersucht werden muss. Deshalb werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einrichtungsbezogen, beispielsweise in Krankenhäusern, Tageskliniken, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Entbindungseinrichtungen und voll- oder teilstationären Pflegeeinrichtungen zum Nachweis einer COVID-19-Impfung verpflichtet, sofern keine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung vorliegt. Dies ist nach meiner Auffassung in einer verfassungsrechtlichen Abwägung mit  unserem Grundgesetz im Einklang, da das überragend wichtige öffentliche Ziel des Gesundheitsschutzes hier entscheidend ist. Lassen Sie mich abschließend betonen, dass im Rahmen der Pandemie immer wieder neue Erkenntnisse auch angesichts neuer möglicher Virusvarianten entstehen. Insoweit kann sich auch die rechtliche Beurteilung immer wieder ändern. Ich halte es z. B. insoweit auch für angemessen, in entsprechenden Einrichtungen weiter zu testen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Zeilen meine Position näherbringen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Matthias Miersch

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