Portrait von Matthias Miersch
Matthias Miersch
SPD
98 %
56 / 57 Fragen beantwortet
Frage von Christina G. •

Frage an Matthias Miersch von Christina G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Miersch,
wie kann es sein, dass die Politik (Steuerpolitik) im letzten Jahr gegen Organisationen der Zivilgesellschaft vorgeht indem diesen die Gemeinnütigkeit aberkannt wird.
Campact hat im vergangenen Jahr die Gemeinnützigkeit verloren und change org ist akut vom Verlust der Gemeinnützigkeit bedroht. Unternehmen hingegen können weiterhin jede Ausgabe für ihre Lobbyarbeit von der Steuer absetzen. Wir können da nicht mehr an Zufälle glauben. Im Gegenteil, es drängt sich der Verdacht auf, dass die Wirtschaft mit Hilfe des Steuerrechts systematisch begünstigt und die Zivilgesellschaft geschwächt werden soll.
Was tun Sie dagegen?
Mit freundlichen Grüße
C. G.

Portrait von Matthias Miersch
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Groh,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Gemeinnützigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, welches ich nachfolgend gerne beantworten werde.

Es ist unbestritten, dass ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement eine sehr große Bedeutung für unsere Gesellschaft hat. Viele Organisationen leisten wichtige Beiträge für das Gemeinwohl und werden daher zurecht steuerlich begünstigt, sofern sie die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit gemäß § 52 AO erfüllen. Über die Gemeinnützigkeit einer Tätigkeit und ihren Beitrag für die Allgemeinheit kann es unterschiedliche Meinungen geben. In einigen Fällen führen die Entscheidungen der Finanzbehörden auch zu kontroversen Debatten, wie bei den von Ihnen genannten Beispielen Changeorg und Campact oder auch bei Attac.

In diesem Zusammenhang drehten sich die Debatten besonders um die Frage, inwieweit gemeinnützige Organisationen politisch aktiv werden können. Hier treten zuletzt verstärkt Unsicherheiten auf. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) entschieden, dass Attac nicht gemeinnützig sei, da die Organisation politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung erreichen wolle, dies aber nicht unmittelbar der Verfolgung eines Zweckes gemäß § 52 AO diene.

Gemeinnützige Organisationen sollen sich politisch äußern dürfen, damit sie ihre gemeinnützigen Zwecke effektiv verfolgen können. Schwierigkeiten entstehen dann, wenn sich Organisationen wie Parteien verhalten, sich aber auf deren Restriktionen nicht einlassen wollen. Ich denke, es ist nicht sinnvoll, Organisationen, die wie Parteien agieren, anders als Parteien zu behandeln, im Gegenteil: wenn der einzige Unterschied zu Parteien der ist, dass in Wahlen nicht kandidiert wird, ist der Unterschied zur Partei zu gering. Die Abgrenzung schafft hier jedoch in einigen Fällen und für einige Organisationen Unsicherheit. Deshalb soll das Gemeinnützigkeitsrecht dahingehend reformiert werden, dass Organisationen Rechtssicherheit in Bezug auf ihre Gemeinnützigkeitsstatus haben. Derzeit arbeitet das Bundesfinanzministerium an einem dahingehenden Gesetzentwurf. Dieser sollte abgewartet werden und wird dann, sobald er vorliegt, als Diskussionsgrundlage dienen.

Abschließend möchte ich noch kurz auf Ihre Ausführungen eingehen, dass Unternehmen ihre Lobbyarbeit absetzen könnten und so gegenüber des Zivilgesellschafft begünstigt würden. Das ist so nicht richtig. Es stimmt natürlich, dass Unternehmen im vorgegebenen Rahmen Betriebskosten geltend machen können. Hierbei ist die Gemeinnützigkeit jedoch nicht der Maßstab und wird auch von den Unternehmen nicht bemüht, weswegen ein Vergleich hiermit auch nicht funktioniert. Nicht als Betriebskosten gelten beispielsweise Repräsentationstätigkeiten. Auch in dem Fall, dass ein politischer Akteur sich warum auch immer dazu entscheiden sollte, eine Einladung von einem Unternehmen zu einem Essen annehmen, dürfte das Unternehmen diese Kosten nicht absetzen.

Sehr geehrte Frau Groh , Ich hoffe, Ihnen mit meinen Zeilen die Hintergründe der Diskussionen näher gebracht zu haben und deutlich gemacht zu haben, dass die SPD-Bundestagfraktion daran arbeitet, die bestehenden Unsicherheiten für die Zukunft zu beseitigen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Miersch

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Matthias Miersch
Matthias Miersch
SPD