Frage an Matthias Miersch von Reinhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter, gemeinhin auch Volksvertreter genannt. Ich gehe davon aus, daß Sie sich dieses Auftrages bewusst sind, die Interessen des VOLKES zu vertreten.
Meine Fragen betreffen die Vorratsdatenspeicherung und das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP.
Zu 1)
Am morgigen Freitag wird im Bundestag über die Vorratsdatenspeicherung abgestimmt. Wie werden Sie abstimmen und welche Begründung gibt es von Ihnen dafür?
Zu 2)
Am Samstag, den 10. Oktober fand in Berlin die bisher größte Demo gegen TTIP, CETA und ähnlich gelagerte Abkommen statt. In den Medien wurde versucht, dieses Ereignis klein zu reden bzw. die Demonstranten in die rechte Ecke zu stellen. Auch von der Politik war bisher wenig zu vernehmen, daß man bereit ist, sich mit den Anliegen der Bürger zu beschäftigen. Es werden nur die vermeintlichen Vorteile aufgezeigt, Beispiel die Anzeigenkampagne des Herrn Gabriel oder die Aussagen in der Bundespressekonferenz. Ich hätte gerne Ihre persönlich Einschätzung dazu gewusst.
Vielen Dank für Ihre Antwort
Sehr geehrter Herr Rödenbeck,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. Oktober 2015 zu den Themen „Vorratsdatenspeicherung“ sowie „CETA und TTIP“.
Gerne skizziere ich Ihnen zu Beginn meine persönliche Haltung zur sogenannten „Vorratsdatenspeicherung“:
Am vergangenen Freitag, den 16. Oktober 2015, stand das Thema „Vorratsdatenspeicherung“ auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Ich habe in einer Vielzahl vorangegangener Erklärungen und Statements mehrfach meine kritische Haltung gegenüber diesem Thema dargelegt. Ich halte die anlasslose Speicherpflicht für einen Paradigmenwechsel, der nicht vertretbar ist. Es wird eine Tür aufgestoßen, die wir möglicherweise nicht mehr geschlossen bekommen. Dies geschieht in einer Zeit, in der an sich eine Debatte über den Schutz von Daten dringend angezeigt ist. Die Nachrichtendienste müssen national und international in ihrem Vorgehen auf den Prüfstand gestellt werden. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission bereits Zweifel an dem nun beschlossenen Gesetz geäußert. Als Parlamentarier haben wir die Pflicht, nicht immer wieder das Verfassungsgericht mit der Einhaltung oder Erstellung verfassungsrechtlicher Grenzen zu beauftragen. Ich halte das Gesetz mit dem Grundgesetz für nicht vereinbar, so dass ich gegen den Gesetzentwurf „zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ gestimmt habe.
Zu dem Thema „CETA und TTIP“ möchte ich folgendes ausführen:
Der am 20. September 2014 vom SPD-Parteikonvent gefasste Beschluss zu TTIP und CETA gilt für mich vollumfänglich.
Die Kernpunkte dieses Beschlusses besagen, dass TTIP kein Einfallstor dafür sein darf,
• dass Arbeitnehmerrechte geschleift werden.
• dass die öffentliche Daseinsvorsorge eingeschränkt wird.
• dass das hohe europäische Niveau beim Verbraucher-, Umwelt- oder Tierschutz ausgehöhlt wird.
• dass Unternehmen und private Investoren vor internationalen Schiedsstellen rechtsstaatliche Standards und demokratische politische Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen aushebeln können.
• dass die kulturelle Vielfalt und die öffentliche Kultur- und Medienförderung beeinträchtigt werden.
Im Beschluss wird ferner festgehalten: Diese Ziele und Anforderungen gelten auch für das kanadische Freihandelsabkommen „CETA“.
Bereits im Vorfeld des Parteikonvents hatte sich der SPD-Unterbezirk Region Hannover, dessen Vorsitzender ich bin, im September vergangenen Jahres einstimmig gegen die Entwürfe der Abkommen CETA und TTIP ausgesprochen. Es ist inakzeptabel, dass Staaten die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten jenseits des Rechtsstaats vor Schiedsgerichten direkt auf Entschädigungen verklagen können. Es darf keine Aushöhlung elementarer Grundsätze unseres Verfassungssystems geben.
Bezüglich des Investorenschutzes, der Ihnen „besonders am Herzen liegt“, hat das Europäische Parlament - wie Sie richtigerweise schrieben - Anfang Juli 2015, eine Resolution zu den laufenden TTIP-Verhandlungen verabschiedet. Damit geht das Europaparlament aus meiner Sicht einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, da es so eine Ablehnung der bisherigen privaten Schiedsstellen in der TTIP-Resolution verankert hat. In diesem Kontext hatten die europäischen Sozialdemokraten (die S&D Fraktion) eine entscheidende Rolle. Unter der Federführung ihres Berichterstatters Bernd Lange konnten sie sich in entscheidenden Punkten durchsetzen. Der aktuell wohl umstrittenste Punkt sind die privaten Schiedsgerichte ISDS (Investor-State Dispute Settlement). Hier konnte eine klare Absage erreicht werden. Neben der Forderung, das ISDS-System durch ein „neues System“ zu ersetzen, hat sich die S&D-Fraktion auch für die Verankerung von starken Arbeitnehmerrechten eingesetzt. Außerdem sind der unmissverständliche Schutz unserer öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der kulturellen Vielfalt in der Resolution verankert. Zudem sind die europäischen Standards im Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz aus der Sicht der S&D Fraktion nicht verhandelbar. Damit hat sich das Europäische Parlament (EP) eindeutig positioniert. Nur unter diesen zuvor genannten Voraussetzungen wird das EP einem TTIP-Verhandlungsergebnis zustimmen.
Darüber hinaus darf es aus meiner Sicht nicht sein, dass das CETA-Abkommen genau die privaten Schiedsgerichte enthält, die die EU-Kommission bei TTIP bereits verworfen hat. Der neue Vorschlag der Kommission zum Investitionsschutz muss für alle Abkommen gelten, nicht nur für TTIP.
Wir dürfen die Debatte jedoch nicht nur auf die privaten Schiedsgerichte reduzieren. Auch unabhängige Richter helfen nicht, wenn die Rechtsgrundlagen „schlecht“ sind. Brüssel spielt an dieser Stelle nicht mit offenen Karten. Es ist inakzeptabel, dass die EU-Kommission frei gewählten Abgeordneten immer noch die volle Einsicht in die Unterlagen verwehrt. Diese Taktik taugt leider nicht, um Bedenken auszuräumen. Daher werde ich mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Parlamentarier des Deutschen Bundestages Einsicht in die Verhandlungsdokumente erhalten.
Lieber Herr Rödenbeck,
ich hoffe Ihnen meine Positionen zum Thema „Vorratsdatenspeicherung“ sowie zu „TTIP und CETA“ näher gebracht zu haben.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Matthias Miersch, MdB